# taz.de -- Koalition in Thüringen: Verkorkster Start für Rot-Rot-Grün | |
> Die designierte Minderheitskoalition streitet um Ressorts. Schon wird | |
> über ein Bündnis ohne die Grünen spekuliert. | |
Bild: Fröhlich sieht anders aus: Thüringen Spitzenpolitike:innen von Grünen,… | |
ERFURT taz | Es mag purer Zufall gewesen sein, dass der Aufsteller der | |
Thüringer Grünen doppelt so breit war wie der von SPD und Linken. Aber es | |
entspricht derzeit dem Gebaren des kleinsten Koalitionspartners der | |
designierten Thüringer Minderheitskoalition, die trotz fehlender Mehrheit | |
angetreten ist, Thüringen erneut zu regieren. | |
Die drei Partner wollten am Freitag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz | |
ihren gemeinsamen Koalitionsvertrag vorstellen. Der Termin fand statt, doch | |
das Inhaltliche verschwand hinter dem Streit um die Verteilung der | |
Ressorts. Neun Stunden hatten Linke, SPD und Grüne am Donnerstag über die | |
Verteilung der Ressorts verhandelt. Ohne Ergebnis. | |
Während Linke und SPD am liebsten alles so lassen würden wie bisher möchten | |
die Grünen gern ihre Ressorts mit neuen Aufgaben erweitern – und etwa | |
Tourismus von der SPD und Landwirtschaft von den Linken übernehmen. Und das | |
obwohl der kleinste Partner bei den Landtagswahlen von den WählerInnen noch | |
ein klein wenig geschrumpft wurde. Entsprechend groß ist der Frust bei SPD | |
und Linken. | |
In der Staatskanzlei sollen laut Teilnehmern aus Verhandlungskreisen schon | |
Szenarien für eine rot-rote Minderheitsregierung entworfen werden. Lassen | |
die Grünen Rot-Rot-Grün platzen? „Lassen Sie uns die Zeit, die wir | |
brauchen“, antwortet die Grüne Landesvorsitzende und amtierende | |
Umweltministerin Anja Siegesmund auf entsprechende Nachfragen. Am Montag | |
will man weiter verhandeln. | |
## Eine auffallend lange Präambel | |
Dabei ist die Situation schon schwierig genug für Rot-Rot-Grün: Der | |
Koalition fehlen [1][vier Stimmen zur absoluten Mehrheit], sie sind auf das | |
Wohlwollen von CDU und FDP angewiesen. Die wiederum hätten mit der AfD eine | |
Mehrheit im Landtag. Eine Zusammenarbeit schließen beide Parteien derzeit | |
aus, doch Rot-Rot-Grün wollen sie auch nicht tolerieren. Die CDU legte in | |
dieser Woche immerhin schon mal [2][eine Liste mit 22 Projekten] als | |
Angebot an die designierte Minderheitsregierung vor – darunter bessere | |
Kitabetreuung, weniger Unterrichtsausfall und mehr PolizistInnen. Vorhaben, | |
die so ähnlich auch im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag stehen. | |
„Thüringen geht es gut!“ So lautet gleich der zweite Satz des am Freitag | |
endgültig fixierten [3][„Zukunftsvertrages“] der Minderheitskoalition. Als | |
Generalziele werden gleichwertige Lebensverhältnisse im gesamten Freistaat, | |
der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Bewahrung der natürlichen | |
Lebensgrundlagen bei Einhaltung der Klimaschutzziele formuliert. | |
Die auffallend lange Präambel erwähnt außerdem Bildung, Ehrenamt, eine an | |
Tarifen orientierte Arbeit in einer modernen Wirtschaft, integrativ | |
gestaltete Zuwanderung. | |
Sicherheit bedeutet für RRG vor allem gegen Gewalt, Neonazismus und | |
Rassismus zu sein. Die Digitalisierung soll sozial gestaltet werden und in | |
der Verwaltung zu mehr Bürgerfreundlichkeit führen. Speziell aus den | |
Erfahrungen mit der rechten Terrorgruppe NSU sollen Konsequenzen gezogen | |
werden, wobei der Verfassungsschutz aber nicht erwähnt wird. Das Kapitel | |
zur Anerkennung und Aufarbeitung von SED-Unrecht ist aus dem Vertrag von | |
2014 übernommen worden. | |
Bei den detaillierten Vereinbarungen stehen soziale Maßnahmen für Kinder, | |
Familien, Frauen, Senioren und Behinderte an erster Stelle. So soll | |
beispielsweise ein drittes beitragsfreies Jahr bei der Kinderbetreuung | |
eingeführt werden. Besonderen Wert legt die RRG-Koalition auf die | |
frühkindliche Bildung. | |
Breiten Raum nimmt die Sicherung der medizinischen Versorgung in allen | |
Landesteilen ein. Der Genuss von Cannabis soll nicht mehr kriminalisiert | |
werden. Verstärkte Lehramtsausbildung und Lehrerwerbung durch attraktive | |
Beschäftigungsbedingungen sollen die Unterrichtsversorgung sichern. | |
Bei der Wirtschaftsförderung setzt die Koalition auf Künstliche | |
Intelligenzen. Beschäftigte in der Kultur sollen zum Flächentarif | |
zurückkehren, der kostenlose Besuch von Kultureinrichtungen ausgeweitet | |
werden. Landeshaushalte müssen auch künftig ohne neue Kreditaufnahme | |
auskommen. Die Bürger sollen mehr direkte demokratische | |
Beteiligungsmöglichkeiten erhalten. | |
Die Koalitionäre haben sich auch Regeln für ihren demokratischen Umgang | |
untereinander gegeben. Gegenüber CDU und FDP, auf deren Stimmen sie bei | |
Gesetzesvorhaben angewiesen sind, wollen sie nur gemeinsam auftreten. Eine | |
kleine Koalitionsrunde wird sich regelmäßig treffen und für eine gute | |
Atmosphäre sorgen. | |
Die Latte für diese gewagte Koalition liegt jedenfalls hoch. „Entscheidend | |
ist, dass kein Antrag im Landtag auf die Stimmen der AfD angewiesen ist“, | |
formulierte der SPD-Vorsitzende Wolfgang Tiefensee den Anspruch an die | |
künftige Koalition. Dazu müsste man sich jedoch zunächst untereinander | |
einig sein. | |
17 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Koalitionsvertrag-von-R2G-in-Thueringen/!5656296 | |
[2] /Regierungsbildung-in-Thueringen/!5655263 | |
[3] https://www.die-linke-thueringen.de/start/koalitionsvertrag-2020/ | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
Anna Lehmann | |
## TAGS | |
Rot-Rot-Grün | |
Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen | |
Schwerpunkt Thüringen | |
Minderheitsregierung | |
Schwerpunkt Landtagswahlen 2019 | |
Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen | |
Schwerpunkt Thüringen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Koalitionsvertrag von R2G in Thüringen: Programm steht, Mehrheit fehlt | |
Linke, SPD und Grüne einigen sich in Thüringen auf ein Regierungsprogramm. | |
Entscheidende Gespräche mit der Opposition kommen aber erst noch. | |
Regierungsbildung in Thüringen: Die Pirouetten der CDU | |
Das Dilemma der Wahlniederlage verschleißt die Landespartei und ihren | |
Vorsitzenden Mike Mohring. Der äußert sich widersprüchlich. | |
Regierungsbildung in Thüringen: Rot-Rot-Grün und CDU nähern sich an | |
Thüringen betritt politisches Neuland. Die Weichen werden gestellt, um eine | |
teils von CDU und FDP gestützte linksgrüne Minderheitsregierung zu bilden. |