# taz.de -- Berliner Baupolitik: Der Wind hat sich gedreht | |
> Der Bebauungsplan für den Checkpoint Charlie zeigt: Politik muss nicht | |
> vor jedem Investor einknicken. | |
Bild: Nicht schön, aber unübersichtlich: dDer Checkpoint Charlie im Sommer 20… | |
Um kein anderes Bauvorhaben ist in Berlin zuletzt so sehr zwischen | |
öffentlicher Hand und Investor gerungen worden wie um das am Checkpoint | |
Charlie. Der Bebauungsplan für den ehemaligen Grenzübergang, den am | |
Mittwoch der Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses | |
durchgewunken hat, hat also eine gewisse Symbolkraft. Vor allem ist er ein | |
Hinweis darauf, dass sich die Gewichte zwischen den einzelnen Akteuren von | |
großen Bauvorhaben verschoben haben könnten. | |
Gerade bei paradigmatischen Entscheidungen ist manchmal ein kurzer | |
Rückblick hilfreich. Als nach dem Fall der Mauer der Potsdamer Platz aus | |
dem Dornröschenschlaf geweckt werden sollte, hatte der damals rot-grüne | |
Senat einen städtebaulichen Wettbewerb ausgelobt. Dessen Ergebnisse | |
freilich interessierten Daimler und Sony als Investoren nicht die Bohne. | |
Stattdessen bauten sie, wie und was sie wollten. Das Ergebnis ist eine | |
Retortenstadt, die von Finanzjongleuren seitdem weiter und weiter verkauft | |
wird. | |
Großer Mist war das also oder klassisches Staatsversagen. Kapital schlägt | |
öffentliche Hand. Wäre das Gleiche damals am Checkpoint Charlie passiert, | |
wo der Senat einem Investor bereits den Teppich ausgerollt hatte, würde es | |
dort nicht anders aussehen als am Potsdamer Platz. | |
Das war das Hintergrundrauschen am Checkpoint, als im Sommer 2018 ein | |
Brandbrief den Ausschlag gab, noch einmal auf den Deal zu schauen, den der | |
Senat mit dem Investor Trockland in einem Letter of intent festgezurrt | |
hatte. Ein Glück also, dass es einer Allianz von Architekten, | |
Denkmalschützern, Grünen und Linken (die sich gegen den eigenen | |
Kultursenator stellten) gelang, den Deal zu stoppen. Denn wäre er umgesetzt | |
worden, wäre das Erwachen ähnlich böse geworden wie zum Beispiel rund um | |
die Mercedes-Benz-Arena, wo erst zwanzig Jahre nach der Baugenehmigung zu | |
sehen ist, wie öde Investorenstadt sein kann. | |
## Die Drohung, hinzuschmeißen, verfängt nicht mehr | |
Natürlich ist so ein Versuch, das Blatt noch einmal zu wenden, nie ganz | |
ohne Risiko. Was, wenn Trockland nun hinschmeißt, weil das Hardrock-Hotel | |
nicht gebaut werden darf? Zieht der Senat dann das Vorkaufsrecht und | |
entwickelt das Areal selbst? | |
Kann passieren, muss aber nicht. Denn anders als etwa bei Großinvestitionen | |
wie Tesla in Brandenburg ist das Interesse an Eins-a-Lagen in der Berliner | |
City groß. Selbst am Pankower Tor blieb Investor Krieger bei der Stange, | |
als Bezirk und Senat mehr Wohnungen verlangten. | |
Die Drohungen hinzuschmeißen verfangen also nicht mehr so einfach. Und die | |
Politik knickt nicht mehr bei jedem Investor ein. Das ist gut so. Danke für | |
die Lektion. | |
18 Jan 2020 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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