| # taz.de -- Promovierte DDR-Altkader: Doktor Stasi | |
| > MfS-Offiziere sollen ihre Vergangenheit kennzeichnen, meint der | |
| > Stasi-Beauftragte Jahn. Was nach einem Gag klingt, hat einen ernsten | |
| > Hintergrund. | |
| Bild: Üble Stasi-Methode: mit gespeicherten Geruchsproben Leute aufspüren | |
| „Guten Tag, Herr Müller.“ „Doktor Müller, bitte. Doktor Stas.“ Doktor | |
| Stas.? Noch nie gehört? Gibt es auch nicht. Könnte es aber bald geben. | |
| Zumindest, wenn es nach Roland Jahn ginge. Der [1][Bundesbeauftragte für | |
| die Stasi-Unterlagen] schlägt vor, dass frühere Stasi-Offiziere mit | |
| Doktortitel diesen auch deutlich benennen müssen. Dann würde es nicht nur | |
| den Dr. phil., Dr. med., Dr. med. vet., Dr. rer. nat., Dr. agr., Dr. paed., | |
| Dr. math., Dr. oec. und und und geben – insgesamt gibt es hierzulande 57 | |
| Doktortitel –, sondern auch den „Doktor der Stasi“. | |
| Man stelle sich das vor: Herr Müller, ein etwa 80-jähriger Herr | |
| unterschreibt seinen Anmeldezettel im Hotel mit „Müller, Dr. stas.“ Der | |
| junge Angestellte hinter dem Tresen lächelt: „Herr Dr. stas. Müller, ich | |
| begrüße Sie besonders herzlich in unserem Hause.“ Dr. stas. Müller weiß | |
| jetzt, dass er im Restaurant auf jeden Fall den Tisch am Fenster kriegen | |
| wird. Denn so ein Doktortitel verzückt, das hat er schon immer getan, | |
| besonders im obrigkeits- und titelorientieren Osten. Er öffnet Türen und | |
| Herzen: Weil er nicht nur Arbeit im Vorhinein bedeutet, sondern vor allem | |
| Prestige, finanzielle und soziale Anerkennung im Nachhinein. | |
| Doch so hat sich der Stasi-Beauftragte Jahn das ganz sicher nicht | |
| vorgestellt. Auch wenn seine Idee wie ein Scherz klingen mag, hat sie doch | |
| einen ernsthaften Hintergrund. Bis zum Mauerfall haben an der | |
| [2][Juristischen Hochschule Potsdam], wo dieser Titel erworben wurde, nach | |
| Angaben der Stasi-Unterlagenbehörde 485 Autor*innen 174 Promotionsarbeiten | |
| geschrieben – und dürfen sich unter anderem Dr. jur. nennen. Aber ihre | |
| Dissertationen entbehren nicht nur jeglicher wissenschaftlicher Grundlage, | |
| sie sind vor allem eines: der Ausdruck eines perfiden Herrschafts- und | |
| Machtsystems. | |
| ## Inhalt der Arbeiten: Wie man Dissidenten zerstört | |
| Für Jahn sind die Inhalte dieser Potsdamer Promotionen mitnichten | |
| wissenschaftliche Arbeiten, sondern vielmehr „Anleitungen zur Verletzung | |
| der Menschenrechte“. So sei in den Schriften erörtert worden, wie | |
| missliebige Menschen, also Dissidenten, Oppositionelle und andere | |
| „Staatsfeinde“, gezielt fertiggemacht, wie ihr privates Umfeld manipuliert | |
| und ihre Karrieren zerstört werden können. | |
| Jahn weiß, wovon er spricht, als einstiger Oppositioneller geriet er | |
| ständig mit den Behörden aneinander, saß im (Stasi-)Knast und wurde 1983 in | |
| den Westen abgeschoben. | |
| Dazu muss man wissen, dass die Juristische Hochschule Potsdam keine normale | |
| Ausbildungsstätte für Anwälte, Staatsanwälte, Notare und sonstige | |
| juristische Berufe war. Sondern angebunden ans Ministerium für | |
| Staatssicherheit der DDR – und damit Ausbildungsstätte für Spitzel, | |
| Fieslinge, kommunistische Hardliner. | |
| Das war vor dem Mauerfall nicht in jedem Fall bekannt, Transparenz war | |
| keine Beschreibung, mit der man in der DDR diese Einrichtung in Verbindung | |
| gebracht hätte. Eher umrankte die Hochschule so etwas wie eine finstere | |
| Aura: von „dubios“ bis „hart“ reichten die Zuschreibungen. Ein Ort und … | |
| Sphäre, die man besser meiden sollte. | |
| Also eine super Idee, diese „Doktoren“ zu outen? Nicht unbedingt. Denn | |
| selbst der dümmste Stasi-Spitzel dürfte sich „Dr. stas.“ nicht auf seine | |
| Visitenkarte drucken lassen – mögen seine Eitelkeit und sein | |
| Darstellungsgehabe noch so groß sein. Viele der „Promovenden“ dürften zud… | |
| nicht mehr leben, andere in Rente sein. Der Drang, sich als promovierter | |
| „Wissenschaftler“ Vorteile zu verschaffen, dürfte also gering sein. An der | |
| Rentenhöhe ist auch nicht mehr zu rütteln. Und den Fensterplatz im | |
| Restaurant bekommt man sowieso eher, wenn man rechtzeitig reserviert. | |
| 26 Dec 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bstu.de/ | |
| [2] https://www.uni-potsdam.de/de/standortgeschichte-golm/mfs-juristische-hochs… | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schmollack | |
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