# taz.de -- Studie zu Mindestlohn und Suizid: Kapitalismus tötet | |
> Höhere Mindestlöhne schützen vor Suizid, sagen US-Wissenschaftler. | |
> Prävention sollte deshalb individuell und sozial erfolgen. | |
Bild: Sie verlangen einen Mindestlohn von 15 US-Dollar: streikende McDonald's-A… | |
Suizide folgen häufig auf psychische Erkrankungen. Und psychische | |
Erkrankungen wiederum werden in der Psychologie, im Gegensatz zu | |
psychoanalytischen Ansätzen, als ein Problem behandelt, das es auf | |
individueller Ebene mit entsprechenden Therapien und Medikation zu lösen | |
gelte. | |
Dass Suizide auch eine gesellschaftliche Dimension haben können, zeigt nun | |
eine Studie aus den USA. Der Epidemiologie-Doktorand John Kaufman von der | |
Emory University in Atlanta, Georgia, und seine Mitautoren haben einen | |
möglichen Zusammenhang zwischen Mindestlöhnen und der Suizidrate in den USA | |
ermittelt. | |
In ihrer [1][Studie aus dem Journal of Epidemiology and Community Health] | |
argumentieren sie, dass eine Erhöhung des Mindestlohns um einen Dollar die | |
Suizidrate von US-Bürgern um 3,5 bis 6 Prozent senken könnte. Dafür zogen | |
sie Daten der Jahre 1990 bis 2015 über Suizide, Mindestlöhne und | |
Arbeitslosigkeit aller Bundesstaaten heran. So errechneten sie einen | |
Unterschied zwischen der tatsächlichen Suizidrate und einer möglicherweise | |
geringeren bei höheren Mindestlöhnen auf nationaler und bundesstaatlicher | |
Ebene. | |
Ihr Ergebnis: Zwischen 1990 und 2015 hätten bei einem um einen Dollar | |
höheren Mindestlohn US-weit 27.550 Suizide unter 18- bis 64-Jährigen mit | |
Highschool-Abschluss verhindert werden können, bei zwei Dollar mehr sogar | |
57.350 Suizide. | |
## Bundesstaaten können Mindestlöhne erhöhen | |
Kaufman betonte [2][im Gespräch mit dem Businessmagazin Fast Company], dass | |
die Beobachtungsstudie zwar keinen wasserdichten Kausalzusammenhang | |
nachweise. Es gebe Faktoren, die nicht ausgeschlossen werden könnten. | |
Dennoch sei die Studie aussagekräftig genug, um zu behaupten: Höhere | |
Mindestlöhne können Leben retten. | |
In den USA gibt es auf nationaler und bundesstaatlicher Ebene | |
unterschiedliche Mindestlohnregelungen. Der nationale Mindestlohn liegt | |
seit einem Jahrzehnt bei 7,25 Dollar. Bundesstaaten können nach oben hin | |
abweichen. Kalifornien (Mindestlohn derzeit 10,55 US-Dollar) und New York | |
(15 US-Dollar ab 2021) nutzten diese Möglichkeit. | |
„Kapitalismus tötet“, heißt es aus kapitalismuskritischen Kreisen. Diese | |
Studie zeigt, dass das nicht ganz so falsch sein kann. Auch wenn | |
Verteidiger der Marktgesellschaft in positivistisch-erhabener Manier | |
Gegenteiliges behaupten. | |
Hinweis: Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem. | |
Sie können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/111 0 | |
111 oder 08 00/111 0 222) oder www.telefonseelsorge.de besuchen. | |
10 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://jech.bmj.com/content/early/2020/01/03/jech-2019-212981 | |
[2] https://www.fastcompany.com/90448771/raising-minimum-wage-just-1-would-caus… | |
## AUTOREN | |
Volkan Ağar | |
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