| # taz.de -- EU-Kommission zu Mindestlohn: 9,35 Euro sind ein Armutsrisiko | |
| > Die deutschen Mindestlöhne reichen laut EU-Kommissionschefin nicht für | |
| > ein menschenwürdiges Leben. Die Koalition in Berlin ist gespalten. | |
| Bild: Armutsrisiko arbeiten | |
| Brüssel taz | Die EU-Kommission legt Deutschland nahe, den Mindestlohn | |
| spürbar zu erhöhen. Außerdem plädiert sie für eine Harmonisierung der | |
| Mindestlöhne auf EU-Ebene. Einen festen Einheitslohn für alle 28 | |
| Mitgliedstaaten solle es jedoch nicht geben, sagte [1][Sozialkommissar | |
| Nicolas Schmit] am Dienstag im Europaparlament in Straßburg. | |
| Der Vorstoß ist Teil der Strategie von Kommissionspräsidentin Ursula von | |
| der Leyen, die eine [2][„Wirtschaft im Dienst der Menschen“] versprochen | |
| hat. Dazu gehören nach Auffassung der neuen EU-Führungsriege auch Löhne, | |
| die ein menschenwürdiges Leben deutlich oberhalb der Armutsschwelle | |
| ermöglichen. Dafür setzt sich Schmit nun ein. | |
| Zum Jahreswechsel stieg der Mindestlohn in Deutschland um 16 Cent auf 9,35 | |
| Euro pro Stunde. Das sei nicht geeignet, vor dem Armutsrisiko zu schützen, | |
| heißt es in einem Kommissionspapier, das mit Arbeitgebern und | |
| Gewerkschaften diskutiert werden soll. Dafür liege er mit knapp 50 Prozent | |
| des Medianlohns zu niedrig. Anders als beim Durchschnittslohn verdienen | |
| beim Medianlohn gleich viele Personen mehr oder weniger. In Deutschland | |
| liegt er bei 3.304 Euro brutto. | |
| Nach Auffassung von Experten muss der [3][Mindestlohn] bei 60 Prozent des | |
| Medians liegen, um vor Armut zu schützen. In Ländern wie Frankreich oder | |
| Bulgarien ist dies bereits heute der Fall. Andere EU-Mitglieder wie | |
| Schweden, Österreich oder Italien haben bisher allerdings noch überhaupt | |
| keinen gesetzlichen Mindestlohn, 22 Mitgliedsländer schon. Die Kommission | |
| kritisiert neben Deutschland auch Tschechien, Estland und Malta. | |
| ## Kein Zwang zum Mindestlohn | |
| Andere Länder setzen auf Tarifvereinbarungen – und sind damit bisher ganz | |
| gut gefahren. Schmit will ihnen auch künftig keinen Mindestlohn aufzwingen, | |
| wohl aber dafür sorgen, dass der Lohn der Produktivität entspricht und vor | |
| Armut schützt. Es gehe nicht um Gleichmacherei, sondern um eine | |
| Harmonisierung nach oben, heißt es in Brüssel. | |
| Die Gewerkschaften können damit gut leben, die Arbeitgeber haben jedoch | |
| Widerstand angekündigt. Lohnpolitik gehöre nicht zu den Aufgaben der | |
| EU-Kommission, meinen sie. Wie das Tauziehen ausgeht, ist unklar. Die | |
| Brüsseler Behörde will zunächst die Konsultationen mit den Sozialpartnern | |
| abwarten. | |
| Vermutlich noch vor der Sommerpause will die EU-Kommission dann einen | |
| Gesetzesvorschlag einbringen. Dieser Vorschlag könnte dann unter deutschem | |
| EU-Vorsitz diskutiert werden, der am 1. Juli beginnt. Der Bundesregierung | |
| müsste dann für eine Einigung sorgen. Fast 200.000 Personen sind | |
| hierzulande auf staatliche Hilfen angewiesen, [4][obwohl sie in Vollzeit | |
| arbeiten]. Die Koalition ist sich beim Thema nicht einig: Die SPD fordert | |
| 12 Euro, die Union bremst. | |
| 15 Jan 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.wort.lu/fr/international/que-les-gens-puissent-vivre-dignement-… | |
| [2] https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/economy-works-peopl… | |
| [3] /Neue-DIW-Studie-zu-Gehaeltern/!5606274 | |
| [4] /Bundesagentur-und-Leiharbeit/!5072456 | |
| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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