# taz.de -- Mindestlohn in den USA: Alte Prioritäten | |
> US-Präsident Joe Biden hat mit der Anhebung des Mindestlohns auf 15 | |
> Dollar Wahlkampf gemacht. Jetzt gibt er das Vorhaben kampflos auf. | |
Bild: Wenn der Mindestlohn nicht reicht: Viele Menschen in den USA sind auf sta… | |
New York taz | Ein Mindestlohn von 15 Dollar: Damit wäre in den USA | |
mindestens 30 Millionen Menschen geholfen. Sie könnten Essen auf den Tisch | |
stellen und sich trotzdem noch die Miete leisten. Manche hätten sogar | |
vielleicht noch etwas übrig, um ein Auto oder eine medizinische Behandlung | |
abzuzahlen. | |
Wie plausibel das klingt, haben im Präsidentschaftswahlkampf im vergangenen | |
Jahr fast alle KandidatInnen der Demokratischen Partei erkannt. Unter den | |
21, [1][die die 15 Dollar in ihr Programm aufgenommen haben, waren auch Joe | |
Biden] und Kamala Harris. Biden sprach sogar von einer Priorität. Sein | |
Versprechen, den Mindestlohn bis zum Jahr 2025 in mehreren Stufen auf 15 | |
Dollar anzuheben, hat ihm viele Stimmen eingebracht. Auch SkeptikerInnen, | |
die schon lange nicht mehr daran glaubten, dass die Demokratische Partei | |
für die Interessen der „Working Poor“ und anderer Armer eintritt, ließen | |
sich überzeugen. | |
Kaum im Amt, hat Biden die 15 Dollar in sein [2][erstes großes Gesetz | |
hineingeschrieben, das Coronahilfspaket]. Das mit 1,9 Billionen Dollar | |
ausgestattete Gesetz enthält Hilfen für Arbeitslose (zusätzliche 400 Dollar | |
pro Woche) und für Menschen mit niedrigem Einkommen (Einmal-Schecks in Höhe | |
von 1.400 Dollar für alle, die unter 75.000 Dollar im Jahr verdienen), für | |
Schulen und für Gesundheitseinrichtungen, für Bundesstaaten und für | |
Kommunen. | |
Auch der Mindestlohn sollte als Teil dieses Hilfspakets angehoben werden, | |
als langfristige Maßnahme für Menschen am unteren Ende der Lohnskala. Eine | |
Maßnahme, die auch PackerInnen, LieferantInnen und Supermarktbeschäftigten | |
zugute kommen sollte, die in den zurückliegenden Monaten der Pandemie als | |
Helden gefeiert wurden, oftmals aber nur den Mindestlohn von 7,25 Dollar | |
erhalten. | |
## Ein populäres Vorhaben | |
Mindestlohnbeschäftigte in den USA sind seit Jahrzehnten immer tiefer in | |
die Armut abgesunken, sie sind auf Lebensmittelmarken und andere staatliche | |
Hilfen angewiesen. Heute müssen sie doppelt so lang arbeiten wie noch im | |
Jahr 1968, um eine durchschnittliche Miete bezahlen zu können. Selbst wenn | |
sie Vollzeit und in mehr als einem Job arbeiten, reicht das, was sie | |
verdienen, nicht zum Leben aus. | |
Deshalb ist der 15-Dollar-Mindestlohn populär – auch über Parteigrenzen | |
hinaus. So stimmten WählerInnen in Florida im November für einen | |
republikanischen Präsidenten und gleichzeitig für einen bundesweiten | |
15-Dollar-Mindestlohn. Aber im US-Kongress hatte das Projekt nicht die | |
geringste Chance gegen eine lautstarke Koalition aus LobbyistInnen, | |
RepublikanerInnen und einigen DemokratInnen. | |
Sie brachten die üblichen, nicht bewiesenen Argumente vor: Ein höherer | |
Mindestlohn würde zu höherer Arbeitslosigkeit führen und Unternehmen in die | |
Pleite treiben. Als dann auch noch die parlamentarische Beraterin des | |
Senats, Elizabeth MacDonough, befand, der Mindestlohn gehöre nicht in das | |
Coronahilfspaket, wurde das Vorhaben herausgestrichen. | |
Die RepublikanerInnen versuchen nun, das Hilfspaket auch in weiteren | |
Punkten auszuhöhlen, sie werden voraussichtlich auch geschlossen dagegen | |
stimmen. Die DemokratInnen halten die Mehrheiten in beiden Kammern und | |
bleiben zuversichtlich, dass ihr Präsident das Paket bis Mitte des Monats | |
unterschreiben kann. | |
So werden bald höchstwahrscheinlich Millionen von US-AmerikanerInnen | |
finanzielle Hilfen erhalten. Aber die Bitterkeit über den nicht angehobenen | |
Mindestlohn wird bleiben. Denn das Vorhaben ist nicht an den | |
RepublikanerInnen gescheitert, deren Position ohnehin klar war. Es lag auch | |
nicht an MacDonough, der für die Verfahrensregeln im Senat zuständigen | |
Beamtin. Deren Empfehlung hätte vom Senat überstimmt werden können. | |
Das Problem ist, dass Biden nicht gekämpft hat. Er hat nicht einmal | |
versucht, die GegnerInnen in seiner eigenen Partei umzustimmen. Deshalb | |
sind nun Bernie Sanders und andere Linke im Kongress wieder allein mit dem | |
Thema Mindestlohn. Bei den nächsten Zwischenwahlen 2022 droht den | |
DemokratInnen die Quittung dafür. | |
6 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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Prävention sollte deshalb individuell und sozial erfolgen. |