# taz.de -- Klimawandel und Migration: Klimaflucht prominent ignoriert | |
> Regierungsberater fordern mehr Einsatz für Klimaflüchtlinge. Doch beim | |
> UN-Flüchtlingsforum schweigt Deutschland. | |
Bild: Starke Regenfälle und Überschwemmungen wie hier in Colombo zwingen Mens… | |
Berlin taz | Noch vor zwei Wochen war das Thema der Bundesregierung wichtig | |
genug für einen dramatischen Appell: „Wir gehen im Augenblick von circa 20 | |
Millionen Klimaflüchtlingen in Afrika aus“, warnte Entwicklungsminister | |
Gerd Müller (CSU) Ende November. Werde die Erderwärmung nicht gestoppt, | |
könnte das in zehn Jahren bereits 100 Millionen Menschen betreffen, sagte | |
Müller vor einem Besuch in Äthiopien. | |
Nun tagte in Genf zum ersten Mal das globale UN-Flüchtlingsforum mit | |
Staats- und Regierungschefs. Und die deutsche Seite spricht das Thema | |
Klimaflüchtlinge mit keinem Wort an. Denn Definition und Zahl dieser | |
Flüchtenden sind unscharf, sie sind von der UN-Konvention zum Schutz der | |
Flüchtlinge nicht erfasst – und politisch ein extrem heißes Eisen. Dabei | |
fordern ein solches Engagement für die Opfer der Klimakrise nicht nur die | |
Bündnisgrünen im Bundestag und humanitäre Entwicklungsorganisationen –, | |
sondern auch das Beratungsgremium der Regierung, der „Wissenschaftliche | |
Beirat Globale Umweltveränderungen“ (WBGU). | |
Der schlug in einem umfangreichen Gutachten von Mitte 2018 vor, es solle | |
einen „Klimapass“ für Menschen geben, die etwa aus bedrohten Inselstaaten | |
fliehen müssen und der ihnen das Recht gibt, sich anderswo niederzulassen. | |
„Als zentrales Instrument einer menschenwürdigen Klimapolitik“, schrieben | |
die Berater, „soll dieses Dokument den von der Erderwärmung existenziell | |
bedrohten Personen die Option bieten, Zugang zu und staatsbürgergleiche | |
Rechte in weitgehend sicheren Ländern zu erhalten“. | |
Ein Sprecher des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) erklärte indes: „Bei | |
dem Flüchtlingsforum in Genf geht es in erster Linie um Flüchtlinge im | |
Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, Klimaflüchtlinge sind hiervon nicht | |
erfasst.“ Das Thema komme auch nicht in den Redebeiträgen der deutschen | |
Delegation vor. | |
Bild-Zeitung verbreitet Fake News zu Klimaflüchtlingen | |
SPD-Außenminister Heiko Maas sagte zu dem WBGU-Vorschlag: „So können | |
eigentlich nur Leute reden, die glauben, dass der Kampf gegen den | |
Klimawandel bereits verloren ist.“ Man müsse vielmehr verstärkt gegen den | |
Klimawandel arbeiten. Das allerdings hatte der WBGU auch ausdrücklich | |
gefordert: „Der Klimapass soll nicht anstelle von, sondern begleitend mit | |
Klimaschutzmaßnahmen etabliert werden“, heißt es in dem umfassenden | |
Bericht. | |
Maas erklärte im ZDF-Interview zu diesem hochsensiblen Thema: „Ich halte | |
nichts davon, jetzt in Aussicht zu stellen, dass Pässe ausgeteilt werden.“ | |
Mit dem falschen Eindruck, Deutschland lade Millionen von Klimaflüchtlingen | |
ein, hatten zuvor rechte Websites und AfD-Chef Jörg Meuthen Stimmung | |
gemacht. | |
Auch die Bild-Zeitung fragte nach einem Bericht über einen Grünen-Vorstoß | |
im Bundestag für eine Regelung: „Kann jeder Klima-Flüchtling bald Deutscher | |
werden?“ und zitierte die Zahl der Weltbank von 140 Millionen | |
Umweltmigranten – erklärte aber nicht, dass es dabei ausdrücklich um | |
Menschen geht, die als Binnenflüchtlinge in ihren Heimatländern und nicht | |
etwa nach Europa auf der Flucht sind. | |
Über die weitreichenden Vorschläge ihrer Berater hat die Bundesregierung | |
mit dem WBGU nie offiziell gesprochen, sagt Hans Joachim Schellnhuber, | |
Klimaforscher im Gremium und ehemaliger Direktor des Klima-Instituts PIK: | |
„Nach der Übergabe des Gutachtens gab es niemals eine offizielle Nachfrage | |
der Regierung.“ Das Thema sei für die beteiligen Ministerinnen für Umwelt | |
und Forschung, Svenja Schulze und Anja Karliczek, offenbar ein recht | |
problematisches. „Das Kapital darf sich frei bewegen, aber der Mensch in | |
Not nicht. Das ist zutiefst inhuman“, so Schellnhuber. | |
18 Dec 2019 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Bundesregierung | |
Migranten | |
Klimaflüchtlinge | |
Meeresspiegel | |
IG | |
Annalena Baerbock | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Artenschutz | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Philippinen | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Geflüchtete und Klimaschutz: Profiteure des Klimawandels | |
Staaten mit hohem Treibhausgasausstoß treffen auch intensive | |
Vorbereitungen, künftige Fluchtbewegungen abzuwehren, zeigt eine neue | |
Studie. | |
Flüchtlingspolitik im Grünen-Programm: Grünen-Spitze streicht Klimapass | |
Angst vor Diffamierung? Lange hatten die Grünen für das Instrument in der | |
Flüchtlingspolitik geworben – nun ist es aus dem Programm verschwunden. | |
Vertreibung durch die Klimakrise: Verlorenes Zuhause | |
Klimamigration wird besonders in Ländern zum Problem, die stark von der | |
Landwirtschaft leben und ein mittleres Einkommensniveau haben. | |
Lethargie vor dem drohenden Kollaps: Es lebt sich ungeniert | |
Im vergangenen Jahrzehnt haben wir das Klima und die Demokratie in die | |
Notaufnahme eingeliefert. Wir vergnügen uns trotzdem weiter. | |
Mangelhafte Umweltpolitik: Rauchzeichen aus der Zukunft | |
Die australischen Feuerstürme sollten uns warnen. Die Maßnahmen, die für | |
2020 angekündigt wurden, bleiben aus oder werden verschoben. | |
Klimapolitik in den neuen 20er Jahren: Jenseits von Bullshit | |
Ernsthafte Klimapolitik ist die beste Verteidigung der liberalen | |
Demokratie. Deshalb hilft kein Metagespräch mehr oder privatistischer | |
Pipifax. | |
Klimapaket der Bundesregierung: Bahn runter, Sprit rauf | |
Vollzug im Bundesrat: Nach langem Hin und Her winkt die Länderkammer das | |
Klimapaket durch. Das hat direkte Folgen für Bürger*innen. | |
Kommentar Globale Erwärmung: Klima? Lieber Kapitulation! | |
Die globalen Temperaturen steigen und diejenigen, die dagegenhalten | |
könnten, schaffen es nicht. Es wäre ehrlicher, einfach aufzugeben. | |
Klimafolgen auf den Philippinen: Miserable Stimmung in Malabang | |
Die Philippinen leiden unter der Erderwärmung – das führt zu Vertreibungen | |
von Millionen. Der Deichbau kreiert weitere Gefahren. | |
Klimafolgen in Bangladesch: 25 Millionen Klimaflüchtlinge | |
Bangladesch verliert Klimaprognosen zufolge bald ein Fünftel seiner Fläche. | |
Der General Munir Muniruzzaman erklärt, was das bedeutet. |