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# taz.de -- Zeitungskrise in Schottland: Traurige Zeiten
> Schottlands Zeitungen stecken in der Krise. Dabei wären sie in Zeiten von
> Brexit und schottischer Unabhängigkeitspläne wichtiger denn je.
Bild: Wer braucht schon Presse? Schottlands Premierministerin Nicola Sturgeon k…
Damals, als ich noch Whisky trank, war Schottlands Zeitungswelt noch in
Ordnung: In Edinburgh residierte die Tageszeitung The Scotsman in einem
imposant düsteren viktorianischen Gebäude direkt oberhalb der North Bridge.
In Glasgow hatte sich The Herald in der „Black Lubjanka“, dem ehemaligen
Gebäude des Daily Express – einer Ikone der Moderne der 30er Jahre –
niedergelassen. Scotsman und Herald lieferten sich als „überregionale“
Titel Schottlands einen erbitterten Kampf um den Rang als wichtigste
Zeitung „North of the Border“.
Heute steht Schottland vor dem [1][zweiten Anlauf], ein unabhängiger Staat
zu werden. Es hat wieder ein eigenes Parlament und eine eigene, von der
Scottish National Party gestellte Regierung. Beide Blätter, Scotsman und
Herald, und der schottische Journalismus sind nur noch traurige Schatten
ihrer selbst.
Dabei sind sie aktuell wichtiger denn je: Mitte der 1990er Jahre wurde
Schottland noch zentralistisch direkt aus London regiert. „Devolution“, die
föderale Selbstbestimmung, kam erst unter der Labour-Regierung von Tony
Blair. Erst seit 1999 gibt es nach knapp 300 Jahren Pause wieder ein
eigenes schottisches Parlament.
Vor 30 Jahren beschäftigten Scotsman wie Herald jeweils über 200
Journalist*innen inklusive ihrer lokalen Abendzeitungen. Eine eigene, große
Londoner Redaktion war eine Selbstverständlichkeit. Als ich später für
zwei, drei Jahre als eine Art freier Deutschland-Korrespondent des Herald
dilettierte, bekam ich eine kostenlose Nummer, mit der ich beim Newsdesk in
Glasgow anrufen konnte. Und das Honorar kam per Scheck und war im Vergleich
zu WAZ & Co. verdammt gut.
## Sechs statt 30 Reporter
Seitdem sind Scotsman und Herald x-fach umgezogen und haben immer mehr
Personal verloren. Der Anspruch ist bis heute da, doch es fehlt an allen
Enden. Wie der [2][Guardian] berichtet, soll der Herald künftig mit sechs
Reporter*innen auskommen. Früher gab es über 30.
Die Auflagen sind in den vergangenen Jahrzehnten von leicht geschönten
100.000 Exemplaren am Tag bei beiden Titeln auf gerade einmal knapp 15.000
Exemplare bei Scotsman gesunken. Herald hat sich seit ein paar Jahren ganz
aus der offiziellen Auflagenstatistik verabschiedet.
Wie soll unter solchen Bedingungen die Hauptaufgabe des Journalismus,
Politiker*innen und andere Mächtige zu kontrollieren, Missstände
aufzudecken und für Transparenz zu sorgen, erfüllt werden? Noch dazu jetzt,
wo mit dem Sieg der SNP und der Debatte, ob man das Vereinigte Königreich
doch verlässt, mehr Bedarf wäre denn je?
Es sind traurige Zeiten für den schottischen Journalismus. Das wären alles
Gründe, um sie mit einem Glas Whisky runterzuspülen. Doch auch der schmeckt
nicht mehr wie früher, weshalb mich die Mitbewohnerin zum Wodka konvertiert
hat.
18 Dec 2019
## LINKS
[1] /Wahl-in-Grossbritannien/!5649624
[2] https://www.theguardian.com/media/2019/dec/10/scotland-newspaper-cuts-the-h…
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## TAGS
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Schwerpunkt Zeitungskrise
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Schwerpunkt Coronavirus
Digitale Medien
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