| # taz.de -- Facebook finanziert Forschung: Fragwürdige Kooperation | |
| > 7,5 Millionen Dollar bekommt die TU München von Facebook für Forschung an | |
| > Künstlicher Intelligenz. Nun wurden Details der „Schenkung“ bekannt. | |
| Bild: Bleibt die Forschung am neuen Institut der TU-München wirklich so unabh�… | |
| Berlin taz | Die Technische Universität München (TUM) ist hervorragend in | |
| der freien Wirtschaft vernetzt. Das zeigt ein Blick in die | |
| Drittmittelstatistik: 2017 warb die Hochschule 276 Millionen Euro ein, nur | |
| die RWTH Aachen lag weiter vorne. | |
| Diesen Januar dann verkündete die Hochschule eine Kooperation mit dem | |
| Internetriesen [1][Facebook]: 7,5 Millionen Dollar hat der Konzern für das | |
| im Oktober gegründete Institut für Ethik in der Künstlichen Intelligenz in | |
| Aussicht gestellt. Die Drittmittel sollten ohne Auflagen und Erwartungen | |
| fließen. Ein nun öffentliches gewordenes Schreiben an den Institutsleiter | |
| hinsichtlich der „Schenkung“ lässt jedoch Zweifel an der Transparenz und | |
| der Unabhängigkeit von Forschung und Lehre an der TU München aufkommen. | |
| Laut der Vereinbarung, die der taz vorliegt, sollte das Geld gestaffelt | |
| über fünf Jahre fließen. Über die Fortführung der Zahlung entscheidet | |
| Facebook demnach jedes Jahr aufs Neue. Der Konzern, so heißt es in dem | |
| Dokument, behält sich das Recht vor, nach der Zahlung der ersten Tranche | |
| für 2019 die Kooperation jederzeit zu beenden. | |
| Eine Klausel, in der Christian Kreiß, Wirtschaftsprofessor an der | |
| Hochschule Aalen, bereits eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit | |
| sieht. Aus seiner Sicht schwebe „ständig das Damoklesschwert der | |
| Mittelbeendigung über den Forschern“, sagt er. Wenn die Forschung oder die | |
| veröffentlichten Ergebnisse nicht im Sinne von Facebook seien, könnten die | |
| Mittel jederzeit nach Gutdünken gestoppt werden, vermutet Kreiß. | |
| ## Der Instituts-Leiter hat „keinerlei Bedenken“ | |
| Dem widerspricht der Leiter des beschenkten Instituts, Christoph Lütge, | |
| entschieden: „Eine Finanzierung in jährlichen Tranchen ist ein übliches | |
| Vorgehen, übrigens auch bei staatlichen Drittmitteln“, sagt Lütge der taz. | |
| Er habe „keinerlei Bedenken“, dass Facebook die Zahlungen an sein Institut | |
| wegen möglicherweise unliebsamer Forschungsergebnisse einstellen könnte. | |
| Die meisten Forschungsprojekte seien in Bereichen angesiedelt, aus denen | |
| Facebook gar keinen Nutzen ziehen könne. So beschäftige sich ein Projekt | |
| mit Autonomem Fahren, ein anderes mit einem KI-gesteuertem Beratungssystem | |
| für Mediziner. „Da ist Facebook doch gar nicht unterwegs“, so Lütge. | |
| Christian Kreiß zweifelt dennoch an der Unabhängigkeit der TU München bei | |
| der Kooperation mit Facebook. Grund dafür ist ein Vertrag zwischen | |
| Facebook und dem TU-Professor Daniel Cremers, der den Lehrstuhl für | |
| Bildverarbeitung und Künstliche Intelligenz innehat. In dem Vertrag, der | |
| der taz vorliegt, sichert sich Facebook ein Mitspracherecht bei personellen | |
| Nachbesetzungen. Das verstoße eindeutig gegen die Unabhängigkeit der | |
| Hochschule vom Geldgeber, so Kreiß. | |
| Institutsleiter Lütge zufolge habe dieser Vertrag nichts mit der | |
| Kooperation zwischen Facebook und seinem eigenen Institut zu tun. | |
| Allerdings heißt es auch in dem an Lütge adressierten Schreiben, dass | |
| Facebook jeglicher Änderung an den Beschlüssen zur Verwendung der Mittel | |
| schriftlich zustimmen muss. | |
| ## Ein „Ausverkauf“? | |
| Christian Kreiß liest darin ein Mitspracherecht bei Personalentscheidungen. | |
| Bei der Besetzung der Leitung für das neu gegründete Institut habe es kein | |
| ordentliches Bewerbungsverfahren und keine Auswahl durch ein unabhängiges | |
| Gremium gegeben. In dem Schreiben klingt es aber schon im Januar – also | |
| Monate vor der Institutsgründung – so, als sei Lütge für diese Position | |
| gesetzt. | |
| Nicole Gohlke, hochschulpolitische Sprecherin der Linksfraktion im | |
| Bundestag, spricht von einem „Ausverkauf der eigentlich öffentlichen | |
| Hochschule“. Die Universitätsleitung mache sich abhängig von | |
| Konzerninteressen und „verscherbelt die Wissenschaftsfreiheit als Kern der | |
| Forschung“. | |
| Laut Statistischem Bundesamt warben deutsche Hochschulen 2017 insgesamt 7,8 | |
| Milliarden Euro von öffentlichen und privaten Geldgebern ein – ein neuer | |
| Höchstwert. Oder anders formuliert: Im Jahr 2017 warb jedeR der rund 47.000 | |
| ProfessorInnen im Schnitt mehr als eine Viertelmillion Euro ein – an der TU | |
| München waren es fast dreimal so viel. | |
| 17 Dec 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jonas Julino | |
| Ralf Pauli | |
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