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# taz.de -- Ex-Verkehrssenator über Tempolimit: „Das Tempolimit wird akzepti…
> Bereits 2008 führte der damalige Bremer Verkehrssenator Reinhard Loske
> eine Geschwindigkeitsbegrenzung ein. Trotz aller Proteste.
Bild: Geht nicht nur in Bremen: Autobahn 37 bei Salzgitter
taz: Herr Loske, als erster Verkehrsminister in Deutschland haben Sie 2008
in Bremen das Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen
durchgesetzt. Gab es Proteststürme?
Reinhard Loske: Vom ADAC bis zur Handelskammer wurde reichlich protestiert.
Vor allem weil das Tempolimit auf den Autobahnen in eine Gesamtstrategie
der Entschleunigung des Autoverkehrs eingebettet war: Temporeduzierung von
50 auf 30 Stundenkilometer in Wohngebieten und auf Nebenstraßen, von 70 auf
50 auf innerstädtischen Hauptverkehrsstraßen. Begleitet wurde das Ganze
durch den Ausbau der Tram, die Einführung der S-Bahn und die massive
Förderung von Radverkehr und Carsharing.
In [1][Berlin streitet derzeit die Koalition über das Limit]. Es geht um 70
Prozent der 13.000 Autobahnkilometer Deutschlands, auf denen keine
Geschwindigkeitsbegrenzung gilt. In Bremen ging es nur um etwa 80
Kilometer, von denen die meisten schon einer Tempobeschränkung unterlagen.
Machte das die Durchsetzung leichter?
In der Tat, das Land ist klein. Das macht manches möglich, auch eine
Pionierrolle. Aber die Bundesregierung – damals mit Verkehrsminister
Wolfgang Tiefensee (SPD) – verwendete viel Energie darauf, uns das Leben
schwer zu machen, damit die Maßnahme bloß keine Nachahmer fand. So durften
wir kein „generelles“, sondern nur ein „spezifisches Tempolimit“ einfü…
Im Ergebnis war es jedoch das Gleiche.
Ein Argument gegen flächendeckende Tempolimits auf Autobahnen lautet, dass
schnelles Fahren in Deutschland zum Nationalcharakter gehört, wie
Waffenbesitz in den USA. Beides könne man nicht verbieten, ohne einen
Aufstand auszulösen.
Ich habe diesen Vergleich früher selbst verwendet, halte ihn aber
mittlerweile für Blödsinn. Wahr ist, dass politische Konflikte
pluralistische Gesellschaften oft in 50 Prozent Befürworter und 50 Prozent
Gegner polarisieren. Dann kann es auch heftig zugehen. Das gilt für große
Fragen, wie etwa Brandts Ostpolitik oder den Atomausstieg. Und für kleine
Fragen wie Anschnallpflicht oder Rauchverbot. Sind die Dinge einmal
beschlossen, werden sie jedoch als neue Tatsachen früher oder später von
allen akzeptiert. Politiker brauchen da ein wenig Durchhaltevermögen.
Angeblich sind die Autobahnen so etwas wie nationale Vorführstrecken für
die Exportprodukte von Audi, Daimler, BMW oder Porsche. Rührt ein
Tempolimit damit nicht am Geschäftsmodell der Konzerne?
Das ist ein seltsames Argument, denn es gibt in praktisch allen Staaten der
Welt Tempolimits. Ich sehe es umgekehrt: Mit der einseitigen Ausrichtung
der eigenen Produktpalette auf PS-starke, schwere und schnelle Modelle
schafft sich die deutsche Automobilindustrie eher Probleme. Eine solche
Fixierung verstellt den Blick darauf, dass sich die Konzerne zu
Mobilitätsdienstleistern weiterentwickeln müssen. Da geht es um
Elektromobilität, Carsharing, autonomes Fahren und nachhaltige
Stadtmobilität.
Ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde würde den CO2-Ausstoß des
Verkehrs um etwa 1 Prozent reduzieren, die gesamten deutschen
CO2-Emissionen um ungefähr 0,1 Prozent. Lohnt die Aufregung über diese
Minibelastung?
Unmittelbar wäre ein Tempolimit auf Autobahnen nur ein kleiner Beitrag zur
Erreichung der deutschen Klimaschutzziele. Mittelbar und vor allem
dauerhaft wäre es aber ein sehr großer Beitrag zu einer nachhaltigen
Mobilitätskultur in Deutschland.
Ein weiteres Argument: „Nur“ 424 der insgesamt 3.300 Verkehrstoten auf
deutschen Straßen starben 2018 auf Autobahnen; wie viele davon wegen
Raserei, ist unbekannt. Was ist dran?
Das Ziel muss heißen: null Verkehrstote. Ein Tempolimit von 120 oder 130
auf Autobahnen ist dazu sicher ein wichtiger Beitrag. Eine Automobilkultur,
in der Menschen zunehmend SUVs kaufen, um sich im Wettrüsten mit anderen
schweren Fahrzeugen Sicherheit zu verschaffen, ist mit der „Vision Zero“
unvereinbar.
Was halten Sie von dem [2][Vorschlag diverser Verbände und Versicherungen,
erst mal einen längeren Praxistest durchzuführen], um die Wirkung eines
Tempolimits für die Verkehrssicherheit zu beurteilen?
Gar nichts, denn herauskommen kann nur, dass höhere Geschwindigkeiten
längere Bremswege und höhere Aufprallgeschwindigkeiten bei Unfällen
bedeuten. So was lernt man im Physikunterricht in der Schule. Und der Rest
der Welt weiß es auch.
Sie sagen, schnelles Fahren sei bald nicht mehr so wichtig, sondern die
Systemgeschwindigkeit. Was meinen Sie damit?
Hohe Spitzengeschwindigkeiten eines Verkehrsmittels sagen ja noch nichts
darüber aus, wie zügig ich damit von Tür zu Tür komme. Viel entscheidender
ist, welche Optionen und Alternativen ich habe, ob der Verkehr stockt oder
fließt, wie ich die notwendige Verkehrszeit nutzen will oder kann. Man
fragt sich auch, was mit den Leuten nur los ist, die einem bei Tempo 130
wild gestikulierend an der hinteren Stoßstange kleben.
Im Bundestag stimmte die SPD aus Koalitionsdisziplin erst kürzlich gegen
den Tempolimitvorschlag der Grünen. Was könnte man dennoch tun?
Nach einem gemeinsamem entsprechenden Antrag der Regierungsfraktionen sieht
es momentan nicht aus. Einzelne Abgeordnete könnten jedoch einen
Gruppenantrag pro Tempolimit in den Bundestag einbringen. So etwas habe ich
mal gemeinsam mit den Kollegen Josef Göppel von der CSU und Heidi Wright
(SPD) versucht, allerdings mehr oder minder erfolglos. Und dann gibt es
noch den Bundesrat mit elf Landesregierungen, an denen Grüne beteiligt
sind. Vielleicht geht da was.
7 Jan 2020
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## AUTOREN
Hannes Koch
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