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# taz.de -- Nordirland nach der UK-Wahl: Nationalisten auf dem Vormarsch
> Pro-irische Nationalisten haben erstmals pro-britische Unionisten
> überholt. Manch einer träumt jetzt von einem Referendum für ein
> vereinigtes Irland.
Bild: Sinn Féin-Kandidat John Finucane hat Grund zum Jubeln: Er hat der DUP ei…
DUBLIN taz | Nordirland hat zum ersten Mal in der knapp hundertjährigen
Geschichte der Provinz mehr pro-irische Nationalisten als pro-britische
Unionisten gewählt. Vor allem für die Democratic Unionist Party (DUP) war
[1][die Parlamentswahl am Donnerstag] kein guter Tag. Zwar blieb sie
stärkste Partei, aber sie verlor zwei ihrer bisherigen zehn Sitze – unter
anderem den ihres stellvertretenden Parteichefs Nigel Dodds, den er seit
2001 inne hatte.
Dodds hatte dafür gesorgt, dass sich die DUP vor dem Referendum 2016 als
einzige nordirische Partei für den Brexit stark machte. Nordirland stimmte
dann allerdings mit 56 Prozent für den Verbleib in der EU. Dodds verlor
seinen Sitz in Nord-Belfast an John Finucane, dessen Vater Pat Finucane,
ein Anwalt für Bürgerrechte, 1989 von der protestantisch-loyalistischen
Ulster Defence Association mit Hilfe des britischen Geheimdiensts MI5
ermordet worden war.
John Finucane profitierte vom [2][Wahlpakt mit der gemäßigten Social
Democratic and Labour Party (SDLP)], die ihren Kandidaten in Nord-Belfast
zurückgezogen hatte. Im Gegenzug verzichtete Sinn Féin in Süd-Belfast auf
eine Kandidatur, so dass die SDLP dort einen ihrer zwei Sitze gewann. Sinn
Féin kam auf sieben Sitze, das letzte Mandat ging an die Alliance Party,
die in der Frage, ob Nordirland britisch oder irisch sein soll, offiziell
neutral ist.
Mary Lou McDonald, die Präsidentin von Sinn Féin, sprach von einem
„riesigen Ergebnis, das unglaublich bedeutsam“ sei. „Die Unionisten haben
ihre Mehrheit verloren“, freute sie sich. Dadurch rücke ein Referendum für
ein vereinigtes Irland näher.
## Finucane akzeptiert Grenze nicht
Der deutliche Wahlsieg von Boris Johnson bedeutet, dass die DUP ihren
Einfluss im Unterhaus verloren hat. Nach den Wahlen 2017 wurde sie zum
Zünglein an der Waage, weil die konservativen Tories ihre absolute Mehrheit
verspielt hatten. Die zehn DUP-Abgeordneten stützten Theresa Mays
Minderheitsregierung und verlangten dafür, dass Nordirland nach dem Brexit
keinen Sonderstatus erhalte.
Johnson hat andere Pläne. Sein Deal mit der EU sieht vor, dass Nordirland
zwar gemeinsam mit dem Rest des Vereinigten Königreichs aus der Zollunion
austreten soll, aber bei Warenimporten weiterhin eine Reihe von
EU-Zollregeln gelten sollen. Damit würde de facto eine Zollgrenze in der
Irischen See zwischen Nordirland und Großbritannien entstehen. Das
empfinden die Unionisten als Verrat.
„Ich bedaure, dass in diesen schwierigen Zeiten mein Wahlkreis ab sofort
nicht mehr im Unterhaus repräsentiert sein wird“, sagte Dodds. Denn
Finucane und die anderen Sinn-Féin-Abgeordneten werden ihre Sitze nicht
einnehmen, weil sie die Teilung Irlands nicht akzeptieren und den für
Abgeordnete obligatorischen Eid auf die Königin nicht schwören wollen.
Trotz des Erfolges in Nord-Belfast ist der Stimmanteil von Sinn Féin
insgesamt erheblich gesunken. Bei der jetzigen Wahl, bei der laut
Wahlsystem der Sieger das Mandat erhält und alle anderen leer ausgehen,
spielt das keine große Rolle. Aber bei den Wahlen zum nordirischen
Regionalparlament, wo nach dem Verhältniswahlrecht gewählt wird, würde Sinn
Féin eine ganze Reihe von Sitzen einbüßen.
Dieses Regionalparlament liegt aber aufgrund von Streitigkeiten zwischen
Sinn Féin und der DUP seit fast drei Jahren auf Eis, so dass wichtige
Entscheidungen vor allem im Gesundheitsbereich liegen bleiben und die
Wartezeiten in den Krankenhäusern immer länger werden. Davon haben die
Wähler offenbar die Nase voll. Am Montag beginnen neue Verhandlungen
zwischen den zerstrittenen Parteien: Sie wollen die Koalitionsregierung und
das Parlament wieder einsetzen.
13 Dec 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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