# taz.de -- Karl Lauterbach zur neuen SPD-Spitze: „Das war absehbar“ | |
> Die Große Koalition wird nicht sofort zerbrechen. Karl Lauterbach (SPD) | |
> hält ein Ende der Groko aber für wahrscheinlich. | |
Bild: Überlebt die Groko? Für Olaf Scholz und Angela Merkel geht es ums Ganze | |
taz: Herr Lauterbach, hat Sie die [1][Wahl von Esken und Walter-Borjans] | |
überrascht? | |
Karl Lauterbach: Nein, überhaupt nicht. Das war absehbar. Die Stimmung in | |
der Partei ist schon lange ganz anders als in der Bundestagsfraktion. Es | |
gibt eine Entfremdung der Basis von Berlin. Saskia Esken und Norbert | |
Walter-Borjans haben ja sogar einen kleinen Fehler gemacht, als sie die | |
Aufstellung eines SPD-Kanzlerkandidaten infrage gestellt haben. Sie haben | |
trotzdem gewonnen. | |
Ist am Samstag um 18 Uhr die Große Koalition zu Ende gegangen? | |
Die Große Koalition wird nicht sofort zu Ende gehen. Aber das vorzeitige | |
Ende ist sehr wahrscheinlich. Die SPD wird nach ihrem Parteitag am | |
Wochenende mit der Union verhandeln. Aber das wird nicht unbedingt zu dem | |
von der SPD-Spitze gewünschten Ergebnis führen. Die Union wird ja auch | |
Forderungen haben … | |
… etwa die Senkung der Unternehmensteuer… | |
… zum Beispiel. Der Spielraum für erfolgreiche Verhandlungen ist sehr | |
klein. | |
Die neue Parteispitze will vier Forderungen mit der Union verhandeln. Der | |
Preis für CO2 soll steigen. Sie wollen eine Vermögensteuer, den Abschied | |
von der schwarzen Null und ein massives Investitionsprogramm, einen | |
Mindestlohn von 12 Euro und vereinfachte Möglichkeiten, Tarifverträge für | |
allgemein verbindlich zu erklären. Ist das klug? | |
Ich denke, es wäre wichtig, sich insbesondere auf Klimaschutz zu | |
fokussieren, nicht so sehr auf Sozial- und Wirtschaftspolitik. Das sage ich | |
als Sozialpolitiker. Von allem etwas mehr zu fordern ist nicht sinnvoll. | |
Mit unserer Umwelt- und Klimapolitik wird die SPD unwählbar für viele | |
Jüngere. Wir sollten dort den Schwerpunkt setzen. | |
Steht eine scharfe Auseinandersetzung zwischen der neuen Parteispitze und | |
der Bundestagsfraktion an, die ja überwiegend für die Groko ist? | |
Eine Schlüsselrolle spielt der Leitantrag für den Parteitag. Wenn da nur | |
unverbindliche Prosa drinsteht – mehr Umweltschutz oder mehr | |
Arbeiternehmerrechte –, dann ist die Fraktion jedenfalls erst mal versöhnt. | |
Dann kann sie hoffen, dass die Groko bleibt. | |
Ist das denkbar? | |
Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans müssen mit ihrem Leitantrag in den | |
Parteivorstand. Sie erheben ja harte Forderungen – wie 12 Euro Mindestlohn | |
sofort, ein großes Investitionsprogramm und die Aufhebung des Vetorechts | |
der Arbeitergeber bei Tarifverträgen. Der Parteivorstand kann versuchen, | |
aus harten Forderungen weiche Formulierungen zu machen. | |
Wird die Parteispitze, die für Olaf Scholz geworben hat, ihre Niederlage | |
wirklich akzeptieren? | |
Das wird sich zeigen. Es wird einen Teil geben, der konstruktiv versucht, | |
das aus ihrer Sicht Schlimmste zu verhindern. Ein Teil wird sagen: Das ist | |
jetzt ein Neuanfang, den wir vollständig unterstützen. Ein Teil wird im | |
Hintergrund daran arbeiten, dass die neue Spitze nicht viel zu sagen hat. | |
Dass Hubertus Heil aus Addis Abeba prompt ankündigt, Stellvertreter von | |
Esken und Walter-Borjans werden zu wollen, lässt eher vermuten, dass es | |
Konflikte geben wird. Trotzdem stellt diese Wahl eine einmalige Chance dar, | |
die SPD als klar links-ökologische Kraft zu profilieren. Ich glaube, dass | |
sie der Ursprung einer links-grünen Regierung sein kann. Wir müssen jetzt | |
alle zusammenhalten. | |
2 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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