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# taz.de -- Chefs von Jusos und Junger Union: Groko und Geschmunzel
> Kevin Kühnert diskutiert mit Tilman Kuban. Das hätte ein heftiger
> Schlagabtausch sein können – wurde dann aber geradezu harmonisch, ja
> unterhaltsam.
Bild: Kevin Kühnert (links) und Tilman Kuban gehen auch mal ein Bier trinken
Berlin taz | „Oh Gott“, murmelt ein Mitglied der Jungen Union (JU)
unentwegt, sobald Kevin Kühnert das Wort ergreift, „der Typ macht mich
fertig.“ Er sitzt nah an der Bühne, sein Haar ist im Andi-Scheuer-Style
nach hinten gegelt. Gemeinwohloffensive? „Oh Gott, oh Gott.“ Kostenloser
Nahverkehr? „Oh Gott!“ Ja, hier ist man wirklich bei der Jungen Union.
Der Berliner Landesverband hat zur Diskussionsrunde in die private Quadriga
Hochschule geladen und die Hauptstadtpresse ist der Einladung gerne
gefolgt. Oben auf dem Podium sitzt neben dem Vorsitzenden der
Jungsozialisten (Jusos) der andere Popstar unter den Nachwuchspolitikern:
JU-Chef Tilman Kuban.
Beide haben am Wochenende wichtige Veranstaltungen hinter sich gebracht:
Kuban warb auf dem Parteitag der CDU erfolglos für eine Urwahl in der
K-Frage – [1][ein Affront gegen Parteivorsitzende Annegret
Kramp-Karrenbauer.] Kühnert wurde auf dem Bundeskongress der Jusos mit 88,6
Prozent erneut zum Vorsitzenden der SPD-Jugendorganisation gewählt.
Nun sitzt er auf einer Veranstaltung des politischen Gegners, die
Jungunionisten sind klar in der Mehrheit. Doch er habe „kein Problem mit
Auswärtsspielen“, witzelt Kühnert. Thema des Abends: „Wie geht es weiter
mit der Groko?“ Während Kuban die Koalition als „Zwangsehe“ bezeichnet,
gibt Kühnert zu verstehen, er könne mit dem, was die SPD bis jetzt erreicht
habe, eigentlich „gut leben“. Und generell: Während der bevorstehenden
deutschen EU-Ratspräsidentschaft ohne funktionierende Bundesregierung
dazustehen, wäre eine „sehr vertane Chance“, gibt er zu verstehen. „Die
Gelegenheit haben wir nicht so häufig.“ Applaus im Saal.
## Der große Clash bleibt aus
Gerade ist der 30-Jährige wieder viel im Gespräch. Er hat angekündigt, auf
dem kommenden Parteitag der Sozialdemokraten für den Parteivorstand
kandidieren zu wollen. Na und? Kühnert kann die Aufregung nicht verstehen.
Das habe er schon vor einem Jahr verkündet. Den „Puls deutlich steigen“
ließe viel mehr die Frage, wer den aktuell laufenden Mitgliederentscheid
bei den Genossen gewinnt: [2][Das Team Geywitz/ Scholz oder Esken/
Walter-Borjans?] Das Rennen sei „echt offen“, meint Kühnert, das mache es
ja so spannend.
JU-Mann Kuban verkneift sich ein Urteil darüber, wer künftig die
Sozialdemokratie führen solle. Eine Bemerkung gegen die eigene Vorsitzende
kann er dann aber doch nicht unterdrücken: Auch er habe „nie einen Hehl
daraus gemacht“, dass Urwahlen eine gute Ideen sein könnten. Hihi.
Dass in der CDU in letzter Zeit Zustände herrschten, wie man sie sonst nur
aus der SPD kennt, bietet natürlich Angriffsfläche: „Wer wird denn jetzt
Kanzlerkandidat beim nächsten Mal?“, fragt Kühnert. Ein erschöpftes Raunen
geht durch den Saal. Allerdings: Jetzt liegt der Ball auf dem Elfmeterpunkt
für Kuban. „Stellt ihr überhaupt noch einen Kanzlerkandidaten auf?“ Lache…
Klatschen – das kommt an bei der Jungen Union. Auch Kühnert muss
schmunzeln. „Gut gekontert.“
Ansonsten geht es auf dem Podium recht harmonisch zu. Zu harmonisch? Nach
der Veranstaltung entschuldigt sich Kühnert via Twitter ironisch bei den
Journalistinnen und Journalisten, die angereist seien, um „kratzen, beißen,
Haare ziehen“ zu sehen. „Sorry nochmal“. Aber Meinungsaustausch gehe eben
auch respektvoll. Klar, da, wo Kuban von „Innovationsagenda“ und
„Digitalisierungsoffensive“ spricht, wünscht sich Kühnert gebührenfreie
Kitas und Nahverkehre – letztere sollten durch eine Art „Verkehrs-GEZ“
finanziert werden. Doch der große Clash bleibt aus.
## Vergemeinschaftung oder Verstaatlichung?
Zumindest, bis sich einer der Jungunionisten aus dem Publikum zu Wort
meldet. Wovon Kühnert da rede, klinge arg nach „Sozialismus“, merkt er an.
„Kevin, warum reicht euch die soziale Marktwirtschaft nicht?“ Dieser
verweist auf die estländische Hauptstadt Tallinn, wo es auch einen
fahrscheinlosen ÖPNV gebe. „Es ist nicht so, dass das in Nordkorea erfunden
wurde.“
Im Frühjahr dieses Jahres hatte der Juso-Vorsitzende [3][mit dem Vorschlag,
die Gewinne großer Firmen demokratisch zu kontrollieren], eine Debatte
ausgelöst. Verstaatlichung? Nein, nein, so habe er das nicht gemeint,
erklärt er den Anwesenden, „auch nicht sinngemäß.“ Vergemeinschaftung und
Verstaatlichung seien zwei verschiedene paar Schuhe. Allein, in den Augen
vieler hier ist er der böse Kollektivist.
Kuban kann nicht ganz verheimlichen, dass er ähnlich denkt. Aber er will
lieber übers Geldverdienen sprechen. „Die Bahnen hier in Berlin fahren auch
nicht von alleine“, sagt er, „das wird jemand finanzieren müssen.“ Nur m…
„Sozialwissenschaften und ein bisschen Verwaltung“ sei das nicht zu
bewerkstelligen.
Die Frage, die bei einer Zusammenkunft wie dieser allen unter den Nägeln
brennt, hat aber nichts mit Sozialismus zu tun. Auch nicht mit der Groko,
Digitalisierung oder dem ÖPNV. Sie lautet: Wie verstehen sich die beiden
eigentlich privat? „Menschlich“ komme man gut klar, so Kuban, man gehe
„auch mal ein Bier trinken.“ Das habe er „mit Paul vorher auch so
gehandhabt“, erwidert Kühnert. Die Rede ist von Paul Ziemiak, Kubans
Vorgänger und jetziger Generalsekretär der CDU.
27 Nov 2019
## LINKS
[1] /JU-fuer-Kanzlerkandidaten-Urwahl/!5629223
[2] /Streitgespraech-der-SPD-Chefanwaertinnen/!5638827
[3] /Kevin-Kuehnert-zum-Sozialismus/!5592214
## AUTOREN
Dorian Baganz
## TAGS
Kevin Kühnert
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