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# taz.de -- Proteste im Kongo: Vergessene proben den Aufstand
> Ostkongos Zivilbevölkerung zahlt den Preis für den Krieg zwischen Armee
> und ADF-Rebellen. Jetzt verliert sie in der Stadt Beni die Geduld.
Bild: Wenn Kongos Armee in die Straßen von Beni ausrückt, ist das kein gutes …
Beni taz | An diesem Montag morgen wacht die ostkongolesische Großstadt
Beni in einer surrealen Stimmung auf. Die jungen Demonstranten, die seit
drei Tagen täglich gegen die UN-Blauhelmtruppe Monusco demonstrieren und
ihren Abzug fordern, sind noch aufgeregter als sonst.
In der Nacht haben unbekannte Angreifer acht Menschen getötet – im Viertel
Masiani des nördlichen Stadtbezirks Mulekera, zum ersten Mal dort in fünf
Jahren [1][wiederholter Massaker] an der Zivilbevölkerung, die der
ursprünglich ugandischen Rebellenbewegung ADF (Allied Democratic Forces)
zugeschrieben werden.
Soldaten von Kongos Armee haben die Toten mitgenommen, um sie zur
städtischen Leichenhalle zu bringen. Aber zwei Leichen haben sie vergessen.
Die Anwohner holen sie selbst. Die Polizei schaltet sich ein und will die
Leichen beschlagnahmen. Die Menge wird wütend. Aus dem Totentransport wird
eine Demonstration, die Polizei ergreift die Flucht, die Jugendlichen
richten den Marsch Richtung Rathaus.
Schüsse fallen. Soldaten haben das Feuer eröffnet. Zwei Demonstranten sind
tot. Die Demonstration wird größer. Das Rathaus geht in Flammen auf.
Die Menge sucht sich ihr nächstes Ziel: die Monusco-Basis im Stadtteil
Boykene. Die empörten Jugendlichen halten auf der Straße Autos an und
zwingen die Fahrer, sie zur UNO zu bringen. „Die Monusco muss weg“, ist aus
der Menge zu hören, und „Es reicht!“ und „Heute ist der letzte Tag, wir
können nicht mehr, es ist das Ende“.
Inzwischen wird überall im Stadtzentrum geschossen. Aber die Jugendlichen
sind wild entschlossen. Sie versammeln sich vor dem Tor der UN-Basis, in
der Soldaten aus Malawi stationiert sind. Die Polizei, die das Tor bewacht,
schießt in die Menge. Wieder stirbt ein junger Mann. Die anderen schaffen
es, einen Teil der Ummauerung der UN-Basis niederzureißen. Das Tor und das
Wachhäuschen brennen. Einzelne UN-Mitarbeiter werden angegriffen und
Büroräume verwüstet.
## Angriffe mitten in der Stadt
Am Anfang der Eskalation stand ein Protestaufruf der
zivilgesellschaftlichen Gruppe „Véranda Mutsanga“. Es ist ein Jugendverein,
der sich schon vor mehreren Jahren bildete, um die Bevölkerung zu bewegen,
sich selbst um ihre Sicherheit zu kümmern.
Im seit 2014 herrschenden [2][Krieg zwischen Kongos Armee und ADF] sind vor
allem unbeteiligte Zivilisten die Opfer, während die offiziell immer wieder
fast komplett vernichtete ADF immer wieder ungestört [3][Angriffe sogar
mitten in den Städten] verüben kann; viele Menschen verdächtigen Teile der
Armee, selbst hinter diesen Rebellen zu stecken.
Anfang November startete Kongos neue Regierung eine neue „Endoffensive“
gegen die ADF. Seitdem sind über 75 Zivilisten bei diversen
Machetenangriffen getötet worden. Weder die 800 UN-Blauhelme aus Indien in
Beni noch die robuste UN-Eingreiftruppe FIB mit Elitekämpfern aus Malawi
und Tansania kamen der Bevölkerung zu Hilfe.
Véranda Mutsanga verteilte also in den Straßen von Beni Pamphlete, die den
Rückzug der UN-Truppen forderten. Ursprünglich in Butembo entstanden, der
größten Stadt dieses Landstrichs, hat sich die Gruppe inzwischen
ausgebreitet, seit ihr Gründer Tembos Yotama in Kongos Parlament gewählt
worden ist. Sie streut ihre Botschaften über soziale Netzwerke, zusammen
mit Horrorbildern von Massakeropfern. Alles wird gefilmt und bedenkenlos
verbreitet, auch die täglichen Proteste.
Veteranen von Ostkongos Zivilgesellschaft finden das problematisch. „Statt
etwas für das Land zu tun, machen die Jugendlichen Unordnung“, sagt Edgard
Mateso, Präsident des zivilgesellschaftlichen Dachverbandes von Butembo.
Denn alle möglichen Jugendverbände haben sich den Protesten angeschlossen.
In Beni wollen die Studenten streiken, bis die UNO geht. „Die Monusco muss
gehen oder wir werden sterben“, sagt Charmand Wandami vom „Jugendrat“ der
Stadt: „Die Pseudo-Promis, die das Gegenteil zu behaupten wagen, werden es
mit uns zu tun bekommen.“
## Gegen die UNO und gegen die Regierenden
Manche sind sich sicher, dass Politiker die Jugendlichen gegen die UNO
aufhetzen. „Man muss sich fragen, wem ein UN-Abzug nutzen würde“, findet
der ehemalige Zivilgesellschaftsaktivist Omar Kavota. Kizito Bin Hangi,
Präsident des zivilgesellschaftlichen Dachverbandes von Beni, meint: „Man
kann nicht den Abzug der Monuso verlangen, solange sie noch gebraucht wird.
Man sollte sie auffordern, der Armee gegen die ADF zu helfen.“
Der Polizeichef von Butembo, Oberst Richard Mbambi Kingana, sagt: „Hinter
den Demonstranten stehen Politiker, die die Jugendlichen manipulieren, und
das ist bedauerlich.“
Denn die Wut der Jugend richtet sich nicht nur gegen die UNO, sondern auch
gegen Kongos Regierende. Seit Nord-Kivus Provinzgouverneur Carly Nzanzu
Kasivita am vergangenen Freitag nach Beni reiste, um mit den Demonstranten
zu diskutieren, geht die Jugend jeden Tag auf die Straße.
An diesem Montag wird in Beni eine Puppe mit den Symbolen der PPRD
(Volkspartei für Wiederaufbau und Demokratie), der Partei des abgewählten
Präsidenten Joseph Kabila, an einem zentralen Kreisverkehr von den
Demonstranten gekreuzigt.
Sie bekommen auch Unterstützung aus anderen Städten. Am Montagvormittag
kommen zwei volle Kleintransporter aus Butembo 50 Kilometer weiter südlich
nach Beni. Schon am Mittwoch schlossen sich die Aktivisten der
Demokratiebewegung Lucha (Kampf für den Wandel) den Protesten an, am
Freitag wurde einer von ihnen von der Polizei erschossen.
Der Provinzgouverneur flog am Montag mit einer UN-Maschine in die
Provinzhauptstadt Goma zurück. Die reguläre Flugverbindung ist
unterbrochen, seit am Sonntag die Maschine, die sie gewährleistete, über
Goma abstürzte; mindestens 29 Menschen starben.
So sieht sich die Bevölkerung sich selbst überlassen. Ein
Monusco-Mitarbeiter erklärt, die UNO sei nicht um Hilfe gebeten worden,
deshalb sei sie nicht in Aktion getreten. Zuvor hatte der Kommandant der
Armeeoperation gegen die ADF behauptet, er werde von der UNO unterstützt,
beispielsweise beim Verwundetentransport. Klarheit sieht anders aus.
Für Dienstag sind neue Proteste angekündigt.
25 Nov 2019
## LINKS
[1] /Nach-Massaker-im-Kongo/!5541091
[2] /Massaker-an-UN-Soldaten-im-Kongo/!5465267
[3] /Massaker-in-der-kongolesischen-Stadt-Beni/!5325431
## AUTOREN
Kennedy Muhindo
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