# taz.de -- Massaker in der kongolesischen Stadt Beni: Nachts kamen die Phantom… | |
> Angeblich ugandische Rebellen mit kongolesischer Armeeuniform brachten am | |
> Wochenende stundenlang Zivilisten um. | |
Bild: Die Rwenzori-Berge sind ein Rückzugsgebiet der ADF-Rebellen | |
KAMPALA taz | Blutige, tiefe offene Wunden von Macheten, Dutzende | |
Frauenleichen: Erneut schockiert ein Massaker am Rande der | |
ostkongolesischen Kleinstadt Beni die Welt, nur knapp eine Woche nach dem | |
letzten Massenmord. | |
Die Zahl der Toten vom Angriff am Samstagabend ist noch unklar. Kongos | |
Regierung bestätigt 36 Tote: 22 Männer und 14 Frauen, manche gefesselt und | |
geköpft. Im städtischen Krankenhaus sollen zwischen 31 und 47 Leichen | |
liegen. Der Bürgermeister von Beni, Nyonyi Bwanakawa, spricht sogar von | |
mehr als 60 Toten. Kongos Regierung hat eine dreitägige Staatstrauer im | |
ganzen Land verfügt. | |
Beschuldigt wird die Rebellenorganisation ADF (Vereinte Demokratische | |
Kräfte), die seit den 1990er Jahren in der Grenzregion zwischen Kongo und | |
Uganda wütet und im Rwenzori-Bergmassiv ihr Rückzugsgebiet hat. | |
Ursprünglich eine muslimische ugandische Miliz, integrierte sie in den | |
vergangenen Jahren zunehmend kongolesische Kämpfer in diesem von | |
irregulären Milizen durchsetzten Teil der kongolesischen Provinz Nord-Kivu. | |
Auch Teile von Kongos maroder Armee sollen laut unabhängigen Ermittlungen | |
mit der ADF kooperieren: im Handel mit Gold und Tropenhölzern. | |
Auch dieses Mal berichten Überlebende der Angriffe von Männern, die | |
Armeeuniformen tragen. Erneut geschahen die Überfälle in der Nähe von | |
Armeestellungen – ein typisches Muster für die wiederholten Massaker rund | |
um Beni. Seit 2014 werden in diesem Waldgebiet regelmäßig Zivilisten mit | |
Macheten brutal abgemetzelt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights | |
Watch (HRW) spricht von über 500 Toten in zwei Jahren. | |
## Neue Farben für die Uniformen | |
Kein Wunder, dass die lokale Bevölkerung erneut wütend auf die Straße geht. | |
Demonstranten trugen am Sonntag die Leichen der Getöteten durch Beni und | |
verlangen Maßnahmen gegen die Gewalt. Immer wieder mobilisiert die | |
Zivilgesellschaft von Nord-Kivu die Massen, um auf die Massaker aufmerksam | |
zu machen. In den sozialen Netzwerken hat sich der Hashtag #JesuisBeni | |
etabliert. Der Verband der Zivilgesellschaft von Nord-Kivu schrieb im Mai | |
einen offenen Brief an Präsident Joseph Kabila: „Warum etabliert die | |
Zentralregierung keine Sicherheit?“, heißt es darin. Er hat parallel zur | |
Staatstrauer zu einem dreitägigen General- und Steuerstreik in Beni | |
aufgerufen. Auch Oppositionsparteien kritisieren die Regierung scharf. | |
Erst wenige Tage vor dem jüngsten Massaker war Kabila selbst in Beni. Er | |
traf sich auch in Kasese auf der ugandischen Seite der Grenze mit seinem | |
ugandischen Amtskollegen Yoweri Museveni: Sie vereinbarten eine engere | |
Zusammenarbeit gegen die ADF. Seit Januar 2014 geht Kongos Armee in der | |
Operation „Sukola 1“ (übersetzt: Säuberung) gegen die Miliz vor, logistis… | |
unterstützt von UN-Blauhelmen. Nach Darstellung der Armee ist das jüngste | |
Massaker eine Reaktion der ADF darauf, dass sie aus einer wichtigen Basis | |
vertrieben wurde: Ihre flüchtigen Kämpfer hätten sich an der | |
Zivilbevölkerung gerächt. | |
Präsident Kabila berief am Montag in der Provinzhauptstadt Goma | |
Sicherheitstreffen ein, am Dienstag sollen gefangene ADF-Kämpfer in Beni | |
öffentlich vor Gericht gestellt werden. Der für Sukola 1 zuständige General | |
Mbangu Mashita hat angekündigt, seine Einheiten würden in Zukunft neue, | |
andersfarbige Uniformen tragen, um sie von den Rebellen unterscheiden zu | |
können. | |
Kongos Regierungssprecher Lambert Mende spricht von „Terroristen“ – | |
denselben, „die die Angriffe in Mali, Nigeria, Belgien und Frankreich | |
verüben“. Angebliche Insider lassen immer wieder verlauten, die muslimische | |
ADF unterhalte Kontakte zur somalischen al-Shabaab oder gar zu Boko Haram | |
und al-Qaida. Internationale Ausbilder, sogar eine Deutsche, hätten die | |
Kämpfer im Bombenlegen trainiert, behauptete ein von der UN-Mission als | |
Kronzeuge eingesetzter mutmaßlicher ADF-Fahnenflüchtiger, der 2014 vor | |
Gericht in Beni aussagte. | |
Aber für diese Fährte wurden keine Beweise vorgelegt, und die Aussagen des | |
Kronzeugen, davon gehen andere UN-Mitarbeiter aus, waren fabriziert. Als | |
Ex-UN-Ermittler Jason Stearns im März Kongos Armee bezichtigte, selbst in | |
die der ADF zugeschriebenen Morde verwickelt zu sein, wurde er des Landes | |
verwiesen. | |
15 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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