# taz.de -- Milliardenprojekt am Kongo-Fluss: Staudamm fällt ins Wasser | |
> Kongos Inga-III-Staudamm sollte Afrikas Energiewirtschaft | |
> revolutionieren. Jetzt steht das kontroverse Projekt auf der Kippe. | |
Bild: Der bereits bestehende Teil des Inga-Staudamms | |
Berlin taz | Afrikas größtes Wasserkraftprojekt steht vor dem Aus. Die | |
Weltbank hat sich aus dem Staudammprojekt Inga III am Kongo-Fluss | |
zurückgezogen. Es hätte den ersten Schritt zur kompletten Eindämmung des | |
nach dem Amazonas zweitmächtigsten Flusses der Erde bedeutet. | |
Die Inga-Fälle am Unterlauf des Kongo-Flusses liegen etwa 250 Kilometer | |
westlich der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa. Dort stößt der gewaltige | |
Fluss nach über 4.000 Kilometern Regenwald auf Gebirge, verliert sich in | |
unzähligen Stromschnellen und wird dadurch besonders schnell. Nirgendwo | |
sonst auf der Welt gibt es ein so großes Wasserkraftpotenzial. | |
In den 1960er und 1970er Jahren entstanden hier die Staudämme Inga I und | |
Inga II. Sie versorgen über eine 2.500 Kilometer lange Hochspannungsleitung | |
das Bergbaurevier Katanga im Süden des Kongo mit Strom. Die beiden | |
Staudämme operieren heute nur noch zu einem Bruchteil ihrer ursprünglichen | |
Kapazität von 1.775 Megawatt (MW). | |
Seit Langem ist ein größerer Staudamm im Gespräch: Inga III, mit 4.800 MW – | |
so viel Strom würden etwa vier mittelgroße Atomkraftwerke in Europa | |
erzeugen. Als Fernziel plant Kongos Regierung „Grand Inga“, eine Umleitung | |
des gesamten Flusses, um mit 44.000 MW Strom halb Afrika zu versorgen. | |
Derweil aber schafft Kongos Regierung es aber nicht einmal, die bestehenden | |
Dämme zu sanieren, und hat auch schon mehrere Investoren vergrault. | |
## Jacob Zumas Energiepartnerschaft | |
Im Oktober 2013 kam neues Leben in die Inga-Pläne. Südafrikas Präsident | |
Jacob Zuma unterschrieb mit seinem kongolesischen Amtskollegen Joseph | |
Kabila eine Energiepartnerschaft. Darin garantierte Südafrika die Abnahme | |
von 2.500 MW aus Inga III ab 2021. Mit Südafrikas Abnahmegarantie konnte | |
Kongo Inga III ausschreiben. Die Bauarbeiten sollten 2015 beginnen, der | |
Strom ab 2021 fließen. Zur technischen Förderung des Projekts sagte die | |
Weltbank im März 2014 73,1 Millionen US-Dollar zu. | |
Dann aber passierte nichts. Die australische Firma, die | |
Umweltverträglichkeitsstudien durchführen sollte, zerstritt sich mit der | |
Regierung. Die von der Weltbank als unpolitischer Ansprechpartner | |
gewünschte Inga-Behörde wurde direkt Präsident Kabila untergeordnet. Auch | |
Kongos staatliche Stromgesellschaft Snel bewarb sich um die Ausschreibung, | |
entgegen den Richtlinien. Dafür tat sich Snel mit chinesischen Staatsfirmen | |
zusammen, die den dortigen kontroversen Dreischluchtendamm gebaut haben. | |
Die Weltbank umschreibt all dies in ihrer Mitteilung vom Montag über die | |
Suspendierung ihrer Finanzhilfen als „Entscheidung der kongolesischen | |
Regierung, das Projekt in eine andere strategische Richtung zu tragen als | |
die, die mit der Weltbank 2014 vereinbart wurde“. | |
Der Zeitplan kommt nun sehr ins Wanken. Noch dieses Jahr will Kongos | |
Regierung entscheiden, wer den Zuschlag zum Bau von Inga III bekommt: die | |
Chinesen – oder ein spanisches Konsortium, der einzige andere Bieter. | |
Es liegt im Interesse Kabilas, die Entscheidung hinauszuzögern. Denn | |
solange die Spanier im Rennen sind, hält sich die EU mit Kritik an Kongos | |
Regierung zurück, insbesondere im Vorlauf der umstrittenen Verlängerung von | |
Präsident Kabilas Amtszeit über den eigentlichen Termin im Dezember hinaus. | |
## 90 Prozent der Kongolesen haben keinen Strom | |
Inga ist also heute eher ein politisches Druckmittel für Kongos Staat als | |
eine reale Hoffnung für die Kongolesen. Von den 2.300 MW aus Inga III, die | |
nicht nach Südafrika fließen sollen, waren 1.300 für Kongos | |
Bergbauindustrie gedacht, 1.000 MW für die Verbraucher: 90 Prozent von | |
Kongos 75 Millionen Einwohnern haben keinen Strom. | |
Der Ausstieg der Weltbank unterstreicht nun, wie unwahrscheinlich Inga III | |
ist. Die Baukosten liegen offiziell bei 14 Milliarden US-Dollar. Das sind | |
rund 40 Prozent des kongolesischen Bruttoinlandsprodukts – das kann das | |
Land nur mithilfe von Geldgebern stemmen. Diese werden auf Einhaltung von | |
Regeln pochen – der Damm soll ein Tal fluten, in dem Tausende Menschen | |
leben. Die Bauzeit wird auf sechs Jahre geschätzt. Aber schon 2021 läuft | |
Südafrikas Stromabnahmegarantie aus, womit die Wirtschaftlichkeit des | |
Projekts hinfällig wird. | |
29 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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