| # taz.de -- Angriff auf Gefängnis im Kongo: 1.300 Häftlinge hauen ab | |
| > Bei einem mutmaßlichen Rebellenangriff auf ein Gefängnis in Beni in | |
| > Kongos Kriegsgebiet sind fast alle Insassen getürmt. Politiker sind | |
| > empört. | |
| Bild: Neugierige sammeln sich vor dem Gefängnis nach dem Massenausbruch | |
| Beni taz | Im südlichen Viertel Kangbayi von Beni, einer Großstadt im | |
| Kriegsgebiet des Ostens der Demokratischen Republik Kongo, sind die | |
| Menschen nächtliches Gewehrfeuer gewohnt. Seit sechs Jahren kämpft die | |
| Armee im Umland gegen die ursprünglich ugandische [1][Rebellenarmee ADF | |
| (Allied Democratic Forces)], die Stadt ist hoch militarisiert. Aber an | |
| diesem Dienstagfrüh folgten auf die Schüsse im Morgengrauen ungewöhnliche | |
| Gerüchte: das Zentralgefängnis sei gestürmt worden. | |
| Später bestätigt Bürgermeister Modeste Bakwanamaha den Überfall: Weit über | |
| 1.000 Häftlinge seien entflohen. „Wir bitten die gesamte Bevölkerung, den | |
| Sicherheitskräften zu helfen und jede unbekannte Person zu denunzieren, | |
| damit wir die Flüchtigen fangen können“, sagt er im Radio. | |
| Der Gefängnissturm könnte einem Hollywood-Drehbuch entsprungen sein. Die | |
| Angreifer überrannten nach Angaben des Bürgermeisters erst einen | |
| Militärposten einen Kilometer vom Gefängnis entfernt; eine andere Gruppe | |
| machte sich zugleich mit Schweißgeräten an den Toren zu schaffen. | |
| Die Wachleute zogen es vor zu verschwinden. Die Angreifer öffneten die Tore | |
| und verteilten die Zellenschlüssel an die Gefangenen, die sich | |
| davonmachten. | |
| Eine Quelle in der Armee macht die ADF verantwortlich. „Es müssen die ADF | |
| sein, denn das war gut organisiert“, findet er. Armeeoffiziere wollen sich | |
| auf Anfrage nicht äußern. Lokale Politiker verweisen darauf, dass nur | |
| wenige Kilometer entfernt seit Jahren lokale bewaffnete | |
| [2][Selbstverteidigungsmilizen], genannt Mayi-Mayi, ihre Basen haben, dass | |
| jeder das weiß und die Armee nichts tut. „Wie kann man ein Gefängnis | |
| unzureichend gesichert lassen, in dem Kriegsverbrecher, ADF-Rebellen und | |
| Mayi-Mayi sitzen?“, fragt Mufunza Bayango, Abgeordneter für Beni im | |
| Provinzparlament. | |
| ## Waren es die ADF-Rebellen? | |
| Im Zentralgefängnis von Beni sitzen nicht nur Kriminelle, sondern auch | |
| einfache Banditen, die auf der Straße wegen Kleinkriminalität geschnappt | |
| wurden. In der Haft können sie sich dann Kriegsverbrechern anschließen. | |
| „Wir haben diesen sorgfältig organisierten Wirrwarr schon immer verurteilt, | |
| aber man hört uns nicht zu – das haben wir nun davon“, ärgert sich Mufunza | |
| Bayengo. Er fordert die Verlegung von Schwer- und Kriegsverbrechern in | |
| Hochsicherheitsgefängnisse in anderen Landesteilen, wo sie nicht mehr die | |
| Gewalt um Beni am Laufen halten können. | |
| Es ist nicht der erste Massenausbruch aus dem Zentralgefängnis von Beni, | |
| aber der bisher größte. Im Juni 2017 waren schon einmal 966 Häftlinge | |
| entflohen, als Bewaffnete das Gefängnis angriffen; acht Polizisten und drei | |
| Häftlinge waren dabei getötet worden. | |
| ## Polizei riegelt die Stadt ab | |
| Bis Dienstagnachmittag blieben die meisten der 1.455 registrierten | |
| Häftlinge unauffindbar. Nur 122 hatten der Versuchung widerstanden | |
| abzuhauen. Von den anderen hat die Polizei bislang 14 gefunden und zwei von | |
| ihnen erschossen. Alle Straßen sind abgesperrt, jeder Reisende muss sich | |
| ausweisen. | |
| Die lokale Zivilgesellschaft fürchtet nun eine Zunahme von Gewalt. „Dieser | |
| Massenausbruch lässt jede Hoffnung auf Gerechtigkeit und Wahrheitsfindung, | |
| was die Massaker in dieser Region angeht, in weite Ferne rücken“, erklärt | |
| [3][die Bürgerrechtsgruppe Lucha]. | |
| Kizito Bin Hangi, Koordinator des Dachverbands der Zivilgesellschaft in | |
| Beni, meint: „Jetzt geht es wieder los mit der Unsicherheit in der Stadt. | |
| Wir können schon nicht mehr auf die Felder, wo sich die ADF festgesetzt | |
| hat. Jetzt werden diese Verbrecher uns in unseren Häusern belagern!“ | |
| 20 Oct 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Kennedy Muhindo | |
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