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# taz.de -- Die Wahrheit: Fleisch essen gegen rechts
> Wenn der Supermarkt an der Ecke sein Sortiment ändert, dann gerät das
> ganze Leben im beschaulichen Kreuzberg durcheinander.
Bild: Sie haben noch ein paar Koffer in Berlin: BER-Probe
Ich weiß ja nicht, ob es daran liegt, dass die Geschäftsführer bei Edeka an
der Berliner Hasenheide irgendein kathartisches Nahtoderlebnis hatten:
Wespenstich, Blitzschlag, E-Roller. Vielleicht haben sie sich daraufhin
umbesonnen und sind über Nacht von teuflischen Konsumschergen zu achtsamen
Menschen geworden, deren Hauptaugenmerk fürderhin auf Nachhaltigkeit und
Hege des Käferbestands liegt. Denn nach dem jüngsten Umbau fehlt die große
Fleischtheke. Stattdessen gibt es jetzt ein Riesenregal mit veganen
Produkten.
Wahrscheinlich aber können die Verantwortlichen auch einfach nur gucken,
denken und rechnen. Das letzte Ergebnis hier im Wahlbezirk: 47 Prozent
Grüne, 3 Prozent CDU. Und die meisten Nichtwähler sind spillerige Edelpunks
aus England, Frankreich oder Spanien, die vor der Sprachschule am
Kottbusser Damm vegane Pausenbrote aus dem Kühlregal von Edeka mümmeln. Das
Angebot trägt der Gentrifizierung Rechnung. Es geht wie immer ums Geld.
Aber ist ja egal. Dann funktionieren Tier- und Klimaschutz eben unter dem
Druck des Konsumenten. An anderer Stelle kann man dann ruhig wieder
überflüssigen Druck wegnehmen, zum Beispiel beim Betäubungsmittelgesetz.
Und die Leute, die gern über Verbotskultur und Umerziehung heulen, seien an
die Einführung der Gurtpflicht erinnert.
Damals wollten viele lieber sterben, als sich anzuschnallen. Der Staat
hatte sich nicht in die Todeswünsche seiner Bürger einzumischen – das wäre
nichts anderes als Kommunismus. Nachdem sich die Zahl der Verkehrstoten auf
ein Fünftel reduziert hatte, gewöhnte man sich schließlich doch noch
zähneknirschend an die leidige Gängelei.
Auch bei der angedachten Einführung des Tempolimits scheint der Untergang
des Abendlands zu drohen. Armut, Bildungsmisere, vertuschte Nazimorde unter
staatlicher Protektion, scheißegal, aber sobald das hemmungslose Ausleben
von Dummheit und Rücksichtslosigkeit beschnitten werden soll, ist ganz
schlimm die Freiheit in Gefahr. Dann steht der deutsche Duckmäuser auf
einmal schreiend auf den brennenden Barrikaden.
Apropos deutscher Duckmäuser: Leider gibt es auch weniger schöne Neuheiten
im Sortiment des wunderlichen Edeka. So liegt im Zeitungsständer neuerdings
die Fascho-Postille Junge Freiheit. Die gab es bis vor Kurzem nicht, das
wüsste ich. Und es passt, wie gesagt, ja auch gar nicht ins Profil der
Gegend. Also wird es wohl zentral beschlossen. Wer steckt hinter diesem
diffusen grünbraunen Mischmasch, als wäre Boris Palmer Supermarktleiter? Wo
sind denn da die Zusammenhänge, abgesehen davon, dass Hitler Vegetarier
war? Ist das schon der berühmte Rechtsruck in der Mitte der Gesellschaft?
Nun werde ich Edeka boykottieren und mir einen anderen Laden suchen müssen.
Der hat dann sicher wieder eine Frischfleischtheke. Danke, Edeka, mein
Traum wird wahr: Fleisch essen gegen rechts.
19 Dec 2019
## AUTOREN
Uli Hannemann
## TAGS
Vegetarismus
Lebensmittel
Edeka
Probelauf
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Osterhase
Kreditkarte
November
Naturschutz
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