# taz.de -- Wolfgang Tiefensee über CDU und AfD: „Das wäre ein Dammbruch“ | |
> In Thüringen fehlt weiter ein politischer Fahrplan. Der SPD-Politiker | |
> Wolfgang Tiefensee glaubt dennoch, dass die CDU Distanz zur AfD wahren | |
> wird. | |
Bild: Wolfgang Tiefensee im September 2019, am Rande einer Parteiveranstaltung | |
taz: Herr Tiefensee, in [1][Thüringen] bleibt es spannend: Sie werben für | |
Rot-Rot-Grün, Innenminister Georg Maier sieht nun Linke, CDU und FDP in der | |
Pflicht. Gibt es die ersten Risse im Dreierbündnis? | |
Wolfgang Tiefensee: Nein. Ich verstehe die Überschrift in der Tickermeldung | |
nicht. Dass der Ball jetzt bei CDU und FDP liegt, ist eine | |
Sachstandsbeschreibung. SPD und Grünen sind jetzt nicht dran zu verhandeln. | |
Die Linken-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow hat in Abstimmung mit dem | |
Ministerpräsidenten Einladungen an CDU und FDP geschickt. Dort liegt der | |
Ball. Ich bin gespannt, ob die CDU die Einladung überhaupt annimmt und was | |
bei dem Gespräch, wenn es stattfindet, herauskommt. Mit der FDP finden die | |
Gespräche statt. | |
Jetzt doch? Die FDP hat doch jegliche Zusammenarbeit mit der Linkspartei | |
ausgeschlossen. | |
Die FDP hat nicht Gespräche ausgeschlossen. Sie hat bisher eine | |
Zusammenarbeit ausgeschlossen. | |
Aber es wird doch schwierig, eine Minderheitsregierung zu bilden, nachdem | |
sowohl CDU als auch FDP ausgeschlossen haben, mit der Linken | |
zusammenzuarbeiten? | |
Wir haben uns auf einen schwierigen und vermutlich langen Weg begeben, um | |
vor dem Hintergrund dieses Wahlergebnisses dafür zu sorgen, dass eine | |
handlungsfähige und stabile Regierung für die nächsten fünf Jahre gewählt | |
wird. Eine Regierung, die die Herausforderungen, vor denen Thüringen steht, | |
annimmt und bewältigt. Das ist unser Ziel. Wir drehen uns momentan sehr | |
stark um die Frage, wer redet mit wem und wer könnte sich eine | |
Zusammenarbeit vorstellen. Am Ende ist es im Interesse der fünf Parteien, | |
außerhalb der AfD, dass wir das Land voranbringen. Dazu muss eine Lösung | |
her. | |
Auch Mike Mohring hat angekündigt, mit der SPD und den Grünen sprechen zu | |
wollen. Haben Sie schon eine Einladung erhalten? | |
Nein, es gibt keine Einladung. | |
Was müsste er der SPD anbieten, damit die Partei in eine | |
Minderheitsregierung unter seiner Führung eintritt? | |
Eine Minderheitsregierung unter der Führung von Mike Mohring ist für mich | |
keine Option. | |
[2][AfD-Chef Björn Höcke] hat Mike Mohring per Brief angeboten, eine | |
gemeinsam getragene Minderheitsregierung oder auch eine Expertenregierung | |
zu tolerieren. Wie sicher sind Sie, dass Herr Mohring das Angebot ablehnt? | |
Ich habe mit Mike Mohring über diese Thema vor der Wahl oft und ausführlich | |
gesprochen. Er hat mir glaubhaft versichert, dass für ihn eine wie auch | |
immer geartete Zusammenarbeit mit der AfD nicht infrage kommt. Auch dann | |
nicht, wenn Björn Höcke nicht aktiv dabei wäre. Darauf vertraue ich. | |
Aber es gibt auch [3][Stimmen in der CDU, die das nicht ausschließen.] Wie | |
sicher kann man sein, dass die CDU jetzt nicht nach rechts ausweicht? | |
Wir haben gelesen, dass es Stimmen innerhalb der CDU bis hinein in den | |
Landtag gibt, die Gespräche mit der AfD für ratsam halten. Ich nehme aber | |
auch die Stimmen in der CDU bis in die jüdische Gemeinde zur Kenntnis, die | |
vehement dagegen protestieren. Ich gehe davon aus, dass es keine Gespräche | |
und noch weniger eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit zwischen CDU | |
und AfD gibt. Das wäre ein Dammbruch. | |
Das heißt, die Option einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung bleibt die | |
wahrscheinlichste? | |
Richtig. | |
Oder gibt es noch andere Varianten? | |
Nein. | |
Nun noch zur SPD im Bund. Die Halbzeitbilanz der Regierung fiel positiv | |
aus. Sehen Sie das in Thüringen auch so? | |
Ja. Wir können stolz sein auf das, was in dieser schwierigen Konstellation | |
in den letzten Monaten geschafft wurde. Nicht zuletzt deshalb, weil sich | |
das ganz konkret im Geldbeutel und im Alltag der Menschen auswirken wird. | |
Das heißt, auf dem Parteitag im Dezember werden Sie für einen Verbleib in | |
der Groko stimmen? | |
Ich bin dafür, dass wir, wenn es möglich ist, weiter gestalten. Aber genau | |
das wird die Frage der nächsten Tage sein. Stichwort Grundrente: Ist die | |
Große Koalition in der Lage, Projekte über den Koalitionsvertrag hinaus in | |
Gang zu setzen und zu einer guten Lösung zu führen? Wenn das möglich ist, | |
bin ich dafür, dass die SPD in der Groko bleibt. Erweist sich das als | |
unmöglich, ist das ein politischer Grund, die Groko zu beenden. | |
Und wen unterstützen Sie als künftige Parteivorsitzende? | |
Ich werde für Olaf Scholz und Klara Geywitz stimmen. | |
Warum? | |
Weil ich möchte, dass wir eine starke Vertretung des Ostens in der | |
Parteiführung haben. Und weil ich dem Paar und insbesondere Olaf Scholz | |
zutraue, mit der Partei eine Profilierung und einen Aufbruch zu schaffen. | |
7 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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