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# taz.de -- Dürre in Südafrika: Das einsame Nashorn
> Eine Reise durch Südafrika ist Anschauungsunterricht in Sachen
> Klimakatastrophe. Der Regen bleibt aus, Farmer gehen pleite, Hotels
> schließen.
Bild: Einsam in der Savanne: Ein Breitmaulnashorn in Südafrika
Dolly ist blind und gefräßig. Nicht ungewöhnlich für ein Breitmaulnashorn.
Dolly teilt sich ein Wasserloch mit einigen Wasserböcken, Gnus und zwei
Giraffen. Dolly muss täglich gefüttert werden, mit einem Ballen Luzerne.
Ansonsten würde sie verhungern. Denn es wächst schon seit Jahren kein Gras
mehr in der trockenen Karoo in Südafrika, seit sieben Jahren hat es nicht
mehr richtig geregnet. Dolly frisst etwa 100 Euro im Monat weg. Die
Eigentümer der Farm Bultfontein leisten sich mit letzten Kräften die
Gesellschaft dieses Nashorns, als sei es ein Totem der Zuversicht. Solange
es vor der eigenen Veranda mampft, gibt es noch Hoffnung.
Aber es wird zunehmend schwieriger, weil gemäß kapitalistischer Logik die
Preise für Luzerne in die Höhe geschossen sind. Also haben sich die Farmer
mit anderen zusammengetan, um Futter mit einem Lastwagen aus entfernten
Gebieten heranzuschaffen, wo die Preise niedriger sind. Die Hausherrin
Carin muss in einem nahe gelegenen Städtchen als Lehrerin arbeiten, ihr
Mann auf dem Bau.
Ansonsten würden sie nicht über die Runden kommen. Einige Nachbarn mussten
schon ihre Farmen aufgeben und in die Städte ziehen. Das Überleben unter
dem Diktat der Trockenheit ist ökonomisch schwierig, wenn die Fütterung der
Schafe mehr kostet, als diese auf dem Markt einbringen. [1][Öffentliche
Unterstützung bleibt aus].
Wer dieser Tage durch Südafrika reist, erhält Anschauungsunterricht in
Sachen Klimakatastrophe. Nicht nur in der Karoo bleibt der Regen aus. Auch
in der Provinz Northern Cape, wo sogar die Kakteen teilweise verdorrt sind.
Die Namaqua-Wüste, berühmt für ihre Blumenpracht im September, ist
inzwischen eine sandfeste Wüste und die Blumen, dieses Symbol des
widerspenstigen Lebens in mageren Zeiten, sind zwar auch dieses Jahr
erblüht, aber nur kurz und vereinzelt, um schnell wieder zu verschwinden –
wie ein flüchtiger Traum.
## Endgültigkeit der Ereignisse wird evident
In dem kleinen Binnenstaat Lesotho warten die Menschen seit drei Jahren auf
Regen. Brandnarben ziehen sich über die spektakulären Hänge. „Der Berg
stand in Flammen“, erzählt ein Einheimischer, „so was hatten wir noch nie
erlebt.“ Ein mächtiger Bergfluss, der einst Felsen verschoben hat, als
seien es Kieselsteine, ist nur noch ein Rinnsal, in Jauchen waschen die
Dorfbewohner ihre Kleidung, neben ihnen die durstigen Nutztiere. Die
luxuriöse Maliba Lodge, die über ein eigenes Bohrloch verfügt, teilt das
hochgepumpte Grundwasser mit den nahe gelegenen Gemeinden, aber wenn es
nicht bald regnet, so der Manager, werde man die Türen des Hotels schließen
müssen.
In den schön eingerichteten Hütten steht noch jeweils eine Badewanne, die
allerdings alles andere als einladend wirkt. Im Gegenteil: Die Vorstellung,
angesichts der Trockenheit, die der Gast jenseits des Fensters zu Gesicht
bekommt, Wasser zu verschwenden, erscheint hochgradig pervers. So dürften
es wohl die meisten Gäste empfinden. Im globalen Zusammenhang füllen wir
Wohlhabendere jedoch weiterhin bedenkenlos unsere Badewannen mit dem
flüssigen Stoff, der mit Privilegien verbunden ist.
Zwei Folgen von ökologischen Desastern werden angesichts solcher Zustände
schmerzhaft evident: die Endgültigkeit der Ereignisse und die autoritären
Notwendigkeiten. Wenn das Wasser ausgeht, gibt es keine Lösungen mehr,
keine Reaktionsmöglichkeiten, keine raffinierten technologischen
Adaptionen. Die Optionen sind buchstäblich zerronnen. Es gibt nur Flucht
oder Tod. Beides ist nur schwer rückgängig zu machen.
Und die zwingende gesellschaftliche Antwort heißt Ordnungspolitik:
Restriktionen und Regulierungen. Als vor etwa zwei Jahren Kapstadt als
erste Metropole der Welt kurz davor stand, nicht mehr über ausreichend
Wasser zu verfügen, wurde die administrative Keule ausgepackt. Strenge
Beschränkung der konsumierten Wassermenge, das Füllen von Schwimmbädern und
das Waschen von Autos zum Beispiel wurde verboten. Haushalte, die zu viel
Wasser verbrauchten, mussten mit hohen Geldstrafen rechnen. Die Tarife
wurden angehoben.
In Zeiten der Krise wird nicht mehr gequasselt über drohende Ökodiktatur
und eingeschränkte Konsumfreiheit. Es wird gehandelt, und zwar autoritär.
Genau das ist ein fataler Aspekt der Klimakatastrophe. Die entscheidende
Frage ist nicht, ob autoritäre Regime besser geeignet sind, die notwendige
ökologische Transformation durchzusetzen (wie manche Denkfaule neulich
behaupteten), sondern ob angesichts der Katastrophe überhaupt noch
gesellschaftliche Entscheidungsfreiheit möglich sein wird.
## Der autofreie Sonntag in den 1970ern war akzeptiert
Wer heute klagt, es sei übergriffig, nicht fahren zu dürfen, wie und was
man möchte, der wird sich in Zukunft mächtig umschauen müssen, wenn er oder
sie überhaupt nicht mehr fahren darf. Der autofreie Sonntag war eine
akzeptierte Selbstverständlichkeit in den 1970er Jahren, als [2][aufgrund
der ersten Ölkrise] Versorgungsengpässe drohten. Massenproteste oder
Unmutsäußerungen sind nicht verbürgt. Im Gegenteil: Viele Menschen
empfanden die erzwungene Umstellung als Chance, etwas Neues zu erleben –
mit dem Fahrrad auf der Autobahn etwa. Obwohl wir in jeder Hinsicht
ökologisch heute schlechter dastehen als im Jahre 1973, ist der autofreie
Tag verkümmert zu einem symbolischen Aktionstag, einmal im Jahr.
Regeln zur Schonung der Ressourcen sind nicht Geißelungen, sondern die
zivilisierte Option, bevor der restriktive Hammer zum Einsatz kommt. Wer
durch die [3][Dürreregionen] reist, versteht die Blindheit unseres
destruktiven Systems noch weniger als sonst. Die einen haben nichts zum
Trinken, anderen steht das Wasser bis zum Hals, wir aber rasten aus, wenn
ein fleischfreier Sonntag angeregt wird.
Noch erhält Molly einen Ballen Luzerne am Tag. Aus Sentimentalität. Unser
Mitgefühl reicht gerade noch so aus, ein bedrohtes Tier zu schützen.
19 Nov 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Ilija Trojanow
## TAGS
Autoverkehr
Landwirtschaft
Schwerpunkt Klimawandel
Südafrika
Dürre
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Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Rassismus
Technikfolgenabschätzung
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