# taz.de -- Altersvorsorge von Freien Beschäftigten: Lücken im Versicherungsv… | |
> Immer wieder führen TV-Produktionsfirmen keine Rentenbeiträge für ihre | |
> Freien ab. Längst gefundene Lösungen werden nicht umgesetzt. | |
Bild: Beschäftigte der Prodkutionsfirma X Filme beklagen den Umgang mit der Al… | |
Arbeitsverhältnisse beim Dreh und in der Produktion von Fernsehserien sind | |
naturgemäß unstet. Das wirkt sich auch auf die Altersvorsorge der | |
Beschäftigten aus. Denn Serien produzieren heißt: zeitlich befristet | |
arbeiten, das heißt freiberufliche Arbeit, Outsourcing, das bedeutet Teams, | |
die nur für die Dauer des Projekts existieren und fürs nächste wieder neu | |
zusammengestellt werden. | |
Die Öffentlich-Rechtlichen und die Rundfunk-Fernsehen-Film-Union haben | |
deshalb für freie MitarbeiterInnen in den 1970er Jahren die Pensionskasse | |
Rundfunk (PKR) initiiert. Dahin führen die Sender Beiträge für ihre Freien | |
ab. Anfangs waren davon aber diejenigen ausgenommen, die nicht direkt bei | |
ARD oder ZDF beschäftigt waren, sondern bei einer von den Sendern | |
beauftragten Produktionsfirma. | |
[1][Deshalb hatten sich Öffentlich-Rechtliche und Produzenten geeinigt, wie | |
auch die Freien von Produktionsfirmen bei ihrer Altersversorgung | |
unterstützt werden.] Nachdem der öffentlich-rechtliche Rundfunk zunehmend | |
externe Produzenten beauftragte, wurde die Pensionskasse Rundfunk auch für | |
Freie von außerhalb geöffnet. Seitdem führen auch Produktionsfirmen, die | |
von ARD oder ZDF beauftragt werden, Beiträge an die PKR ab. Die | |
Sendeanstalten erstatten diese Beiträge dann vollständig zurück. | |
Unklarheiten, die dabei durch neue Partnerschaften und Koproduktionsmodelle | |
zwischendurch entstanden, konnten durch die „Limburger Lösung“ geklärt | |
werden: Wenn ARD oder ZDF mit einem anderen Produktionspartner einen | |
TV-Film gemeinsam herstellen, dann teilen sich beide Auftraggeber die | |
Beiträge entsprechend ihrem Finanzierungsanteil. | |
## „Babylon Berlin“-Beschäftigte betroffen | |
Das schien eine gute Lösung zu sein. Aber die Erfahrung nach gut zwei | |
Jahren zeigt: Die Umsetzung stockt. Immer wieder beklagen Beschäftigte, | |
dass ihre Beiträge nicht abgeführt werden, immer wieder zieren sich | |
Produktionsfirmen, am „Limburger Modell“ teilzunehmen, vergessen es oder | |
lehnen es ab. | |
Ein Beispiel dafür ist „Babylon Berlin“, [2][eine Ausnahmeserie mit | |
Mega-Budget von 2,5 Millionen Euro pro Folge und großem Erfolg im In- und | |
Ausland]. Eine Koproduktion der öffentlich-rechtlichen ARD mit dem | |
Bezahlsender Sky, die Produktion übernahm die Berliner Firma X Filme. | |
Mehrere Beschäftigte bei der dritten Staffel „Babylon Berlin“ beklagen, | |
dass X Filme ihre Beiträge nicht an die PKR abgeführt habe. | |
Ein Teammitglied, das mehrere Monate beim Dreh beschäftigt war, sagt, dass | |
ihm so einige tausend Euro an Altersvorsorge entgangen seien. „Das wäre | |
dann schon ein wichtiges Standbein für die Rente gewesen.“ Ein anderer | |
Mitarbeiter bestätigt, dass für ihn ebenfalls keine Beiträge abgeführt | |
worden seien, obwohl er explizit nachgefragt habe. | |
Die Teilnahme an der PKR ist wohlgemerkt weder gesetzlich vorgeschrieben | |
noch vertraglich verpflichtend. Sie ist freiwillig. Trotzdem ist | |
verwunderlich, dass sich Firmen nicht bemühen, vor allem da sie keine | |
Kosten haben. „Das ist überhaupt nicht nachzuvollziehen“, findet auch die | |
Geschäftsführerin des Bundesverbands der Filmschnitteditoren, Silke Spahr. | |
„Den Fernsehkreativen wird damit eine wichtige und notwendige Unterstützung | |
entzogen.“ Auch Mitglieder ihres Verbandes seien davon betroffen. | |
## Freiwilligkeit funktioniert nicht | |
Auf die Anfrage der taz, warum bei „Babylon Berlin“ keine Beiträge | |
abgeführt worden seien, erklärt eine Sprecherin von X-Filme: Finanzierung | |
und Planung der Produktion seien bereits vor dem Abschluss des neuen | |
Modells – im September 2017 – beendet gewesen. „Für eine mögliche vierte | |
Staffel werden die Regeln des Limburger Modells II natürlich | |
berücksichtigt.“ | |
Die Dreharbeiten für die dritte Staffel von „Babylon Berlin“ begannen 2018. | |
Vermutlich hätten Beiträge aber in Absprache mit der ARD entrichtet werden | |
können. Dass die freien Beschäftigten eine Altersversorgung bekommen, | |
scheint nicht bei allen in der Fernsehbranche oben [3][auf der | |
Prioritätenliste zu stehen.] | |
„Es gibt ein gutes Dutzend Produktionsunternehmen, die nicht Mitglied in | |
der PKR sind“, schätzt Rechtsanwalt Steffen Schmidt-Hug, der seit Jahren | |
Filmschaffende vertritt. „Das ist verwunderlich, etwa bei der Eikon Media, | |
einer Produktionsfirma der evangelischen Kirche.“ Schmidt-Hug findet, die | |
PKR sollte im Rahmen einer tariflichen Regelung verankert werden, und zwar | |
auch für Privatsender und Kinoproduktionen. | |
Denn die Freiwilligkeit scheint nicht so recht zu funktionieren. Es mag an | |
Nachlässigkeit liegen oder weil man den Arbeitsaufwand scheut. Oder daran, | |
dass freie Beschäftigte oft nur so kurz für diese oder jene | |
Produktionsfirma arbeiten, dass man sie schlicht nicht so wichtig nimmt. | |
## Altersvorsorge reicht nicht | |
Aus Sicht der Beschäftigten jedoch heißt das: Lücken im Versicherungslauf. | |
Eine Befragung im Auftrag der Partei Die Linke ergab dieses Jahr: Lediglich | |
20 Prozent der Freien bei den öffentlich-rechtlichen Sendern denken, dass | |
sie eine ausreichende Alterssicherung besitzen. Zehn Prozent hatten | |
überhaupt keine Vorsorge für das Rentenalter getroffen. | |
Es gibt aber Lichtblicke: Bereits jetzt sind sogar einige ProduzentInnen | |
Mitglied in der PKR, die keine Rückerstattung durch die Sender erwarten | |
können. Das betrifft vor allem Kinoproduktionen. | |
Diese ProduzentInnen unterstützen also auf eigene Kosten die Altersvorsorge | |
ihrer Beschäftigten. Einer von ihnen ist Florian Koerner von Gustorf von | |
der Berliner Produktion Schramm Film Koerner & Weber. „Für uns ist das ein | |
ganz normaler Vorgang, auch wenn wir gesetzlich dazu nicht verpflichtet | |
sind“, sagt Koerner von Gustorf. „Und mit Blick auf das Gesamtbudget eines | |
Films geht es da um überschaubare Summen.“ | |
12 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Altervorsorge-von-Filmschaffenden/!5341089 | |
[2] /ARD-Serie-Babylon-Berlin/!5536299 | |
[3] /Freie-bei-Oeffentlich-Rechtlichen/!5633775 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Urbe | |
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