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# taz.de -- Kolumne Lost in Trans*lation: Leben lernen im Nachtclub
> Die viel beschworene Integration wird viel einfacher, wenn „Babylon
> Berlin“ die Hauptrolle spielt. Was sind da schon die
> Alltagsschwierigkeiten?
Bild: Fürs Leben lernen im Moka Efti – Szene aus „Babylon Berlin“
Als ich sechs oder sieben Jahre alt war, kam eine große, charismatische
Journalistin von einem Belgrader Radio nach Izmir zu uns nach Hause, um
meinen Großvater zu interviewen. An diesem Tag hat meine Liebe zum
Journalismus begonnen. Als ich vor zwei Jahren von Istanbul nach Leipzig
gezogen bin, haben mir Radio und Fernsehen ermöglicht, mich schnell zurecht
zu finden.
Sie wissen schon, „Integration“ ist in Deutschland ein wichtiges Thema. Das
Konzept ist ein bisschen problematisch, aber gut. Allerdings: Wie ich mich
an Menschen anpassen soll, die im Zug, im Bus und auf der Straße in der
Nase bohren, weiß ich nicht wirklich.
Damals sprach ganz Deutschland nur über eine Serie: das deutsche
Episodendrama „[1][Babylon Berlin]“. In meiner Anfangszeit hier lief gerade
das Finale der zweiten Staffel. Ende letzten Jahres strahlte die ARD die
Serie noch einmal aus. Ich habe „Babylon Berlin“ in einem weg geschaut.
Währenddessen habe ich auch viel über den Zweiten Weltkrieg, den Holocaust
und deutsche Geschichte gelesen.
In der Serie wird das soziale Leben in Berlin so dargestellt, als wäre die
Stadt auf Drogen und Sex gegründet. Die Szenenbilder und der Soundtrack
sind überwältigend. Das von der Figur der Swetlana Sorokina gesungene Lied
„Zu Asche, zu Staub“ atmet den Geist der Epoche. Swetlana ist die Königin
des Berliner Nachtlebens. Jede Nacht betritt sie im Nachtclub Moka Efti die
Bühne, einer der Stammgäste ist der Thronerbe dieser berühmten deutschen
Marke, der nachgesagt wird, dass sie auch Nazis geholfen haben soll.
## Heldin Charlotte
Auf der Bühne des Moka Efti performen Frauen, Männer, Homosexuelle und
trans*Personen. Aber das eigentliche Geschehen spielt sich im Untergeschoss
des Nachtclubs ab. Sex, Bestechung, Drohungen, Gewalt. Was ich spannend
fand: Anscheinend gingen viele Frauen nach dem Ersten Weltkrieg Sexarbeit
nach, um sich über Wasser zu halten.
Und natürlich braucht die Berliner Unterwelt auch einen Baron. Dieser
finstere Typ ist ein großer, gutaussehender und sexy Armenier – vielleicht
ist er vor dem Genozid in der Türkei geflohen, denke ich. Die osmanischen
Gemälde in seinem Zimmer, die wohl seiner Familie gehören, sind jedenfalls
ein gut durchdachtes, schönes Detail.
Meine Heldin in der Serie ist jedoch Charlotte, eine starke, kämpferische
Frau. Tagsüber arbeitet sie als Stenotypistin im Berliner Polizeipräsidium,
nachts erledigt sie im Moka Efti alles, was anfällt. In der Serie wird sie
zu Deutschlands erster weiblicher Kommissarin – was für eine tolle
Geschichte. Und hinter diesem Erfolg steht, so lese ich das jedenfalls, das
Moka Efti.
Wie jetzt?, werden Sie fragen. Nun, die Nachtclubs und das Straßenleben
machen die Menschen stärker. Ich kenne das. Sie lernen Menschen aus allen
Gesellschaftsschichten kennen, und es gibt nichts, was Ihnen dort nicht
zustößt. Die Schwierigkeiten im Alltag überstehen Sie dann oft mit dem
Gedanken: „Was kann schon noch Schlimmeres passieren?“
3 Mar 2019
## LINKS
[1] /!t5455177/
## AUTOREN
Michelle Demishevich
## TAGS
Babylon Berlin
Club
Nacht
Medien
Ausbildung
Grimme-Preis
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