# taz.de -- Untersuchungsausschuss in Berlin: 25.000 für Aufklärung | |
> Die Opfer Neuköllner Anschlagserie übergeben eine Petition für einen | |
> Untersuchungsausschuss. Die Koalition tut sich mit der Forderung schwer. | |
Bild: Immer wieder protestieren Ferat Kocak (Mitte) und andere Betroffene gegen… | |
BERLIN taz | Als er das Blitzlichtgewitter im Foyer des Abgeordnetenhauses | |
sieht, dreht sich Innensenator Andreas Geisel auf dem Absatz um. „Was ist | |
das?“, fragt er die Männer mit Knopf im Ohr, die ihn auf dem Weg ins | |
Gebäude begleiten, doch die können auch nicht weiterhelfen. Schnell, bevor | |
die Presse den SPD-Senator bemerkt, geht es zur Tür wieder hinaus und zum | |
Seiteneingang. | |
Nur ein Zufall, schlechtes Timing, aber gleichzeitig auch kein unpassendes | |
Bild. Denn im Foyer des Abgeordnetenhauses hat sich an diesem | |
Montagvormittag eine Traube aus Kameraleuten gebildet, weil eine Petition | |
übergeben wird: 25.000 Unterschriften haben die Betroffenen der | |
[1][mutmaßlich rechtsextremen Anschlagserie] in Neukölln gesammelt. Sie | |
fordern die Einrichtung eines Untersuchungsausschuss, der nicht nur klären | |
soll, warum es seit Jahren keine Ermittlungserfolge zu dieser Serie gegeben | |
hat, sondern auch, ob [2][rechte Netzwerke in den Berliner | |
Sicherheitsbehörden] existieren. Und die rot-rot-grüne Koalition tut sich | |
schwer, den richtigen Umgang mit dieser Forderung zu finden, allen voran | |
die SPD. | |
„Wir können nicht länger warten, wir brauchen jetzt endlich Aufklärung“:… | |
begründet der Linken-Kommunalpolitiker Ferat Kocak die Forderung nach einem | |
Untersuchungsausschuss auf der Pressekonferenz vor der | |
Unterschriftenübergabe, bei der mehrere Betroffene der Anschläge sprechen. | |
Kocaks Auto wurde 2018 angezündet, ein Jahr später ergab [3][eine | |
taz-Recherche], dass die Sicherheitsbehörden ihn hätten warnen können. „Ein | |
Untersuchungsausschuss ist das Instrument, mit dem das Parlament in dieser | |
Sache endlich aktiv werden kann“, sagt er. | |
## Kein Generalverdacht | |
Heinz Ostermann, [4][der Buchhändler aus Rudow], dem die | |
Schaufensterscheiben eingeschmissen und das Auto gleich zweimal angezündet | |
wurde, übergibt die Petition an den SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh. | |
Anders als die Linkspartei, die die Forderung nach einem | |
Untersuchungsausschuss offiziell unterstützt, sträuben sich SPD und Grüne | |
bislang gegen diese Forderung. Ein Untersuchungsausschuss zu rechten | |
Netzwerken in den Sicherheitsbehörden stelle deren Mitarbeiter unter | |
Generalverdacht, heißt es. | |
Doch dem widersprechen die Opfer der Anschläge: „Es geht uns ausdrücklich | |
nicht um einen Generalverdacht, sondern wir glauben, dass eine Untersuchung | |
solcher Netzwerke gerade auch den vielen Polizisten helfen würde, die mit | |
so etwas nichts zu tun haben wollen“, sagt Kocak. Claudia von Gélieu, die | |
in Neukölln die Galerie Olga Benario betreibt und ebenfalls bereits zum | |
Ziel rechter Anschläge wurde, betont: „Es geht darum, dass Vertrauen in die | |
Sicherheitsbehörden wieder herzustellen.“ Denn das habe durch die | |
[5][jahrelangen Misserfolge] der Polizeiarbeit so stark abgenommen, dass | |
Betroffene der rechten Gewalt heute zum Teil nicht einmal mehr Anzeige | |
erstatten würden. Heinz Ostermann erzählt, er habe die Gewerkschaft der | |
Polizei um ein Gespräch gebeten, weil eine Aufklärung rechter Umtriebe in | |
der Behörde doch auch in ihrem Sinne sein müsste – bislang ohne Antwort. | |
## Maßnahmen reichen nicht aus | |
Die Übergabe der Petition verdeutlicht: Die Betroffenen machen weiter | |
Druck. Während der ehemalige CDU-Innensenator Frank Henkel seinerzeit die | |
polizeiliche Ermittlungsgruppe auflöste, sobald es mal ein paar Monate | |
keine Anschläge gegeben hatte, will die rot-rot-grüne Koalition vermitteln, | |
dass sie das Thema ernst nimmt. Dass Innensenator Geisel die | |
Sonderkommission zur Anschlagserie [6][personell aufgestockt hat], reicht | |
nicht aus, um die Betroffenen zu beruhigen – zumal inzwischen bekannt ist, | |
dass ein Teil dieser Aufstockung [7][aus Mitarbeitern der polizeilichen | |
Pressestelle besteht]. | |
Ein Kompromiss könnte die Einsetzung eines unabhängigen Sonderermittlers | |
sein: Dieser Forderung der Grünen hat sich mittlerweile auch Raed Saleh | |
angeschlossen. Innensenator Geisel hat angekündigt, die Einrichtung eines | |
solchen Postens zu prüfen, sobald Ende des Jahres der erste Bericht der | |
neuen Sonderkommission zum Ermittlungskomplex vorliege. Ob sich damit die | |
Forderung nach einem Untersuchungsausschuss abräumen lässt, ist fraglich, | |
deutlich würde aber allemal: Die Berliner SPD kommt an dem Thema nicht | |
vorbei. Einfach den anderen Eingang nehmen, das geht eben nicht immer. | |
4 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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