Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Münster-Tatort „Lakritz“: Ein ewiger Volkstheaterschwank
> Eine slapstickhafte Zuspitzung auf bürgerliche Kleinstadtkriminalität: In
> Professor Börnes und Thieles neuem Fall ist eigentlich alles wie immer.
Bild: Börne (hier Vincent Hahnen) wurde als 14-Jähriger in flüssiges Lakritz…
Nun ist er wirklich gekommen, der Punkt. Der Punkt, an dem man sich zu
erinnern versucht, wie das damals war, [1][als der Münster-„Tatort“] neu
war. Und man dachte: Heidewitzka, dasjama frisch und anders und joah:
amüsant. Nun, das ist eine Weile her. Jetzt ist die erste, zweite und
fünfte Reaktion: Was da läuft, erinnert in seiner Simplifizierung von Plot
und Humor an fernes, altes Fernsehen. An Volkstheaterschwank, Millowitsch,
Ohnsorg, so was. (Kleine TV-Abschweifung: Unfassbar, dass so was mal zur
Hauptsendezeit im ÖR lief. Und: Lebt Willy noch?)
[2][Was soll’s, bei dieser „Lakritz“-Folge also alles wie immer]: eine
geradezu slapstickhafte Zuspitzung auf bürgerliche Kleinstadtkriminalität.
Diesmal: Marktlizenz für Lakritzverkäufer – auf einmal ist jener
Stadtfuzzi tot, der die Lizenzen ausstellt. Also mal wieder Kungelei, alle
haben mit allen zu tun, isso, der Assistent vom Opfer seiner Mutter putzt
beim Opfer, Pathologe Börne gab in einer der Lakritzfamilien vor 40 Jahren
Nachhilfe, die Staatsanwältin bekommt, logo, „Anrufe von oben“.
Und der Fall kommt mal wieder nur voran, weil Börne (Jan Josef Liefers),
Thiel (Axel Prahl) und Thiels Taxifahrervater in einem vor der Erzählzeit
etablierten Netz mit den üblichen Verdächtigen stecken. Als hätte jemand
das Drehbuch mit Checkliste geschrieben, um ja bitte alle Standards
abzuhaken, aktueller Kommissars-Spleen inklusive (in diesem hypothetischen
Fall wäre das Thorsten Wettcke; er hat etwa die erste Folge um den
Hamburger Ermittler Cenk Batu mitgeschrieben und ihn somit mitentworfen
oder, neuer, war auch Co-Autor [3][beim ZDF-Ost-West-Krimizweiteiler
„Walpurgisnacht“], der im Februar lief, irre gut besetzt mit Bodenbender,
Schüttauf, Zehrfeld, Giese).
Aber nun gut, dafür blitzen Schönheiten im Dämmer auf wie Fenster im
Abendlicht (dank Regisseurin Randa Chahoud, ihr Legendending übrigens „Ijon
Tichy: Raumpilot“). Kleinkram, der Figuren runder macht, wie der
Pawlow’sche Reflex, einen falschen Genitiv zu korrigieren; der
kaugummikauende, fluchende Pfleger, der aus Langeweile ballerspielt.
Oder diese beiden Alten, die freudvoll beiläufig zeigen dürfen, wie Altsein
im TV auch aussehen kann (einer ist Thiels Taxifahrervater, der andere ein
Greis, gespielt von Walter Hess, uralter Theaterhaudegen): am Fenster
stehen, eine Tüte durchziehen, wummernd laut „Who Let the Dogs Out?“ höre…
Wirklich, Hess allein macht den restlichen Quatsch locker wieder wett.
3 Nov 2019
## LINKS
[1] /ARD-Tatort-Tempelraeuber/!5153805
[2] /Tatort-aus-Muenster/!5577883
[3] /ZDF-Zweiteiler-mit-dem-Eisernen-Vorhang/!5570945
## AUTOREN
Anne Haeming
## TAGS
Tatort
Münster
WDR
Sonntagskrimi
Tatort
Schwerpunkt Klimawandel
Syrischer Bürgerkrieg
Tatort
TV-Krimi
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Tatort“ aus Köln: Mafia mal hellhaarig
Der Neujahrs-“Tatort“ hat Potential für einen wilden Krimi. Er bleibt aber
eine ideenlose Aneinanderreihung von Themen aus dem Ethik-Unterricht.
Axel Prahl über die Zukunft: „Keine Zeit zum Nachdenken“
Aktuell ist Prahl in einem Hörspiel zu Dystopien zu hören. Ein Gespräch
über Klimakrise und das politische Potenzial von Unterhaltung.
Kriegsdrama „Nur ein Augenblick“: Rebell ohne Absicht
Von Hamburg in den syrischen Bürgerkrieg: In ihrem Kinodebüt erzählt Randa
Chahoud detailreich von einer Entscheidung des Studenten Karim.
Blutrünstige TV-Krimis: Tod durch Fernsehen
Im ARD-Tatort wird so wenig gemordet, wie schon lange nicht mehr. Dennoch
bleiben TV-Krimis deutlich tödlicher als die Realität.
TV-Krimi „Mörderische Stille“: Späne beim Hobeln der Weltpolitik
Friedemann Fromm ist zu ambitioniert, um einfach nur einen spannenden Krimi
zu drehen. Und Liefers zeigt, dass er nicht nur „Börne“ kann.
ARD-Tatort "Tempelräuber": Ein toter Priester = drei tote Polizisten
Diesmal ist die Kirche Schauplatz des Münster-"Tatorts". Erfreulich: Nicht
das Morbide und Monströse wird ausgeleuchtet - wie sonst üblich.
Stattdessen herrscht ein leises Sentiment.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.