# taz.de -- ZDF-Zweiteiler mit dem Eisernen Vorhang: „Fick dich“ im Harz, 1… | |
> In dem Krimi „Walpurgisnacht – Die Mädchen und der Tod“ ermitteln DDR- | |
> und BRD-Polizisten gemeinsam vor historischer Kulisse. | |
Bild: Silke Bodenbender spielt die BRD-Ermittlerin | |
Grenzüberschreitende Ermittlerteams, Folgen 587 und 588. Die [1][Sky-Serie | |
„Der Pass“] aus dem Hause Wiedemann & Berg ist noch keinen Monat alt, schon | |
schickt besagtes Produzentenduo das nächste staatenübergreifende | |
Ermittlerduo auf Mörderjagd. | |
Es ist das Jahr 1988 – die Grenze, die es diesmal zu überwinden gilt, ist | |
die deutsch-deutsche. Gemordet wird und wurde ja immer, auch jenseits des | |
Eisernen Vorhangs, auch wenn es in der DDR keine Psychokiller geben konnte, | |
geben durfte. Es gab aber zum Beispiel den Kindermörder Erwin Hagedorn im | |
wirklichen Leben. Verfilmt wurde seine Geschichte in „[2][Mord in | |
Eberswalde]“ (2013), mit den famosen Ronald Zehrfeld und Godehard Giese. | |
Beide Schauspieler gehören auch jetzt in „Walpurgisnacht“ zu einem wiederum | |
herausragenden Ensemble. Giese als maliziös-anmaßender Apparatschik, als | |
„Kreisparteileiter“, der die Zeichen der Zeit, also von Gorbatschow und | |
Perestroika, nicht erkennt und sich selbst für unantastbarer hält, als | |
alle anderen es tun: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. | |
Das erste tote Mädchen – bald wird es beinahe sämtliche Teilnehmerinnen | |
einer sozialistischen Miss-Wahl dahingerafft haben – trug nicht nur ein | |
Bild mit Liebesgrüßen seines Sohnes bei sich, es stammt auch noch aus dem | |
Westen. | |
## Einer: bräsig, Einer: skrupulös | |
Der eine von zwei Ost-Polizisten (Jörg Schüttauf) ist mehr von der | |
bräsigen Sorte, möchte keine schlafenden Hunde wecken. Der andere, gespielt | |
von Ronald Zehrfeld, ist durch und durch skrupulös und macht das Kreuz im | |
per Telex auch in die BRD geschickten Bericht deshalb nicht bei | |
„natürlicher Tod“, sondern bei „nicht natürlicher Tod (einschl. Verdach… | |
Junge Mädchen können zwar schon mal von der Klippe stürzen – der per | |
Kneifzange abgetrennte Zeh lässt sich so nicht erklären. Er ist das eine | |
Markenzeichen des Serienkillers – das andere ist der kleine Hexenbesen, den | |
er bei jedem seiner Opfer hinterlässt. Der Zweiteiler heißt: | |
„Walpurgisnacht“. | |
Der Handlungsort soll im Harz liegen – und sieht dabei doch vielmehr nach | |
Sächsischer/Böhmischer Schweiz aus. Die vielen tschechischen Namen im | |
Abspann scheinen das zu belegen. Ist dann aber ähnlich egal wie die | |
Erbsenzähler-Frage, ob die Leute anno 1988 – im Harz – wirklich gesagt | |
haben: „Fick dich!“ Zumal das läppische Hexenmotiv von Buch (Christoph | |
Silber, Thorsten Wettcke) und Regie (Hans Steibichler) zum Glück auch auf | |
kleiner Flamme gehalten wird. | |
Lieber konzentrieren sie sich auf die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen | |
dem skrupulösen Volkspolizisten und der Kollegin, die das hessische LKA aus | |
Wiesbaden entsendet, wo man dem Mädchenmörder geradezu dankbar zu sein | |
scheint für „die erste westdeutsche Mordermittlung in der DDR“: „Das ist | |
die Ost-West-Annäherung. Glasnost. Die neue Offenheit.“ | |
## Nicht „Weissensee“ | |
Um Politik geht es in „Walpurgisnacht“ am Ende ebenso wenig wie um Harz und | |
Hexerei. „Walpurgisnacht“ ist nicht „Weissensee“ – und der Film im Ke… | |
ein klassischer „Whodunit“. Aber ein richtig guter, schön spannend, mit | |
kaum vorhersehbaren Wendungen und einer hübschen Überraschung am Ende. | |
Silke Bodenbender, die als „Lotte Jäger“ nur etwas weniger Erfahrung als | |
TV-Ermittlerin vorweisen kann als Zehrfeld („Im Angesicht des | |
Verbrechens“), gibt ihre Polizistin angenehm widersprüchlich: merkwürdig | |
empathielos gegenüber Angehörigen der Opfer, zugleich auffallend | |
distanzlos. | |
Das wiederum hat mit einem obligatorischen traumatischen Erlebnis in der | |
Vergangenheit zu tun, wie man es schon aus zu vielen Krimis kennt – das | |
hier aber auch nicht überstrapaziert wird. Herrlich, wie sie mit ihrem | |
modernen Profiling-Gedöns, es ist immer noch das Jahr 1988, ein ums andere | |
Mal an der unerschütterlichen Bräsigkeit Schüttaufs abprallt. | |
Hans Steinbichler verfügt als Regisseur über eine bemerkenswerte | |
Bandbreite, vom Heimatfilm („Hierankl“) bis zum Anne-Frank-Biopic. Auf sein | |
Konto gehen einige der denkwürdigsten Krimis der vergangenen Jahre, | |
darunter ein legendärer „Polizeiruf“, der die Jugendschützer des | |
Bayerischen Rundfunks einst (2011) so verunsichert hat, dass sie ihn ins | |
Spätprogramm verbannt haben. „Walpurgisnacht“ ist ein routinierter | |
Fernsehkrimi, der besser kaum sein könnte. Mit einer Prise Psychothriller à | |
la „The Sixth Sense“, aber das ist jetzt schon fast zu viel verraten. Ups. | |
18 Feb 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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