# taz.de -- Spielfilm über realen Kindermörder: Natürlich voreingenommen | |
> Pädophile gab es im Sozialismus offiziell nicht. „Mord in Eberswalde“ | |
> verpasst die Chance, mehr aus dem Thema zu machen als | |
> Schwarz-Weiß-Malerei. | |
Bild: Gut und böse: der Kommissar (Ronald Zehrfeld, r.) und die Stasi. | |
Grau und Ockerbraun. Bereits in Christian Petzolds großem DDR-Film | |
„Barbara“ haben diese Farbnuancen die Ästhetik bestimmt – und der Film | |
„Mord in Eberswalde“ setzt da am Mittwoch Abend noch eins drauf. Die nicht | |
zuletzt ästhetische Biederkeit der DDR wird breit ausgestellt – vorgeführt. | |
Man achte nur einmal auf die Tapeten. | |
Der Held der Geschichte (Buch: Holger Karsten Schmidt) ist Hauptmann bei | |
der Polizei – in der DDR klangen auch die polizeilichen Dienstgrade | |
militärisch. Als Identifikationsfigur taugt er dennoch: Er ist ein | |
Nonkonformist, einer, der die schrecklichen Kindsmorde in den Wäldern um | |
Eberswalde um wirklich jeden Preis aufklären will. Muss. So wie einst der | |
Kommissär in Dürrenmatts „Versprechen“ der Mutter, hat der Hauptmann einem | |
Vater ein Versprechen gegeben. Und solche Männer sind durch ein Versprechen | |
gebunden. | |
Der Hauptmann ist besetzt mit Ronald Zehrfeld, der auch in Dominik Grafs | |
„Das unsichtbare Mädchen“ schon so einen unbeirrbaren Loner gegeben hat, | |
der nicht nur einen Mörder suchen, sondern auch die systemimmanenten | |
Widerstände überwinden musste. Da allerdings im Fränkischen, nicht in der | |
DDR. | |
Und deshalb - und weil beiden Filmen ein ganz realer Fall zugrunde liegt – | |
ist es gut, genau diesen Film von Graf noch einmal zu vergegenwärtigen. | |
Denn sonst käme die Bundesrepublik doch allzu gut weg. Keine Szene von | |
„Mord in Eberswalde“ spielt in der BRD, aber sie ist immer präsent. Es | |
verhält sich nämlich so, dass sich dort gerade eine parallele Mordserie an | |
Kindern zugetragen hat. | |
Der Held ist natürlich unvoreingenommen. Er hat einen Antipoden (Florian | |
Panzner). Einen einstigen Jugendfreund und jetzigen Stasi-Karrieristen, der | |
seine Frau (Ulrike C. Tscharre) schlägt, mit der der Held übrigens schläft. | |
Der Jugendfreund sagt: „Wir haben ganz sicher keinen pädophilen, | |
homosexuellen Sadisten in Eberswalde.“ Begründung: „Weil solche Individuen | |
aus dem sozialistischen System heraus nicht existieren können.“ | |
Der Held lässt sich nicht behindern und findet den als psychisch schwer | |
gestört gezeichneten Mörder. Es folgen: Gerichtsverfahren, Todesurteil, | |
Nahschuss in den Hinterkopf. | |
Der Kindermörder im Westen bekommt hingegen ein Revisionsverfahren. Der | |
Stasi-Mann nennt die BRD deshalb „ein absurdes, marodes System“. Natürlich | |
ist es aber die DDR, die vorgeführt wird: Der antifaschistische Schutzwall | |
schützt die DDR-Justiz auch vor dem Schuldgrundsatz. | |
Was, zum Beispiel, nicht gesagt wird: dass auch Erwin Hagedorn, der letzte | |
in der DDR hingerichtete Zivilist, zuvor ein Revisionsverfahren hatte. Oder | |
dass der Westmörder Jürgen Bartsch verurteilt wurde und später bei einer | |
Kastrationsoperation gestorben ist. Aber so differenziert ist „Mord in | |
Eberswalde“ dann leider nicht. | |
„Mord in Eberswalde“, Mittwoch 30. Januar, 20.15 Uhr, ARD | |
30 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
## TAGS | |
Pädophilie | |
ARD | |
DDR | |
Sozialismus | |
Christian Petzold | |
Stasi | |
ZDF | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
ZDF-Zweiteiler mit dem Eisernen Vorhang: „Fick dich“ im Harz, 1988? | |
In dem Krimi „Walpurgisnacht – Die Mädchen und der Tod“ ermitteln DDR- u… | |
BRD-Polizisten gemeinsam vor historischer Kulisse. |