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# taz.de -- ARD-Tatort "Tempelräuber": Ein toter Priester = drei tote Polizist…
> Diesmal ist die Kirche Schauplatz des Münster-"Tatorts". Erfreulich:
> Nicht das Morbide und Monströse wird ausgeleuchtet - wie sonst üblich.
> Stattdessen herrscht ein leises Sentiment.
Bild: Ein Priester auf dem Seziertisch: Thiele (Axel Prahl) steht blöde in der…
Ein ermordeter Pfaffe, das ist für den aus Hamburg-St.-Pauli zugezogenen
Ermittler Frank Thiel (Axel Prahl) keine große Sache. Also muss ihn die
örtliche Staatsanwältin erstmal in die komplizierte kriminalistische
Währung einführen, die in der katholischen Enklave des Bistums Münster
gilt: „Ein toter Priester zählt hier soviel wie zwei tote Bürgermeister
oder drei tote Polizisten.“
Einen hoch brisanten Job hat der Kommissar mithin zu erledigen, nachdem der
erzkonservative Regens des Priesterseminars Sankt Vinzenz totgefahren wurde
– und zwar ausgerechnet mit dem gestohlenen Taxi von Thiels Vater.
Bei dem Mordanschlag kam denn auch noch der zu Hilfe eilende Kollege Börne
(Jan Josef Liefers) zu schaden; fortan stapft er mit zwei bandagierten
Händen durch die Handlung und ist auf die Hilfe der Haushälterin Karin
Ellinghaus (Johanna Gastdorf) angewiesen. Die ist, wie es der Zufall so
will, auch zugleich die Zugehfrau von Priester Hans Wolff (Ulrich Noethen)
– dem Nachfolger des Ermordeten.
Es verhält sich also alles so wie immer im „Tatort“ aus dem
Mega-Provinznest Münster: Jeder kennt hier jeden und schwatzt auch über
jeden, nur Thiele steht blöde in der Gegend rum und versteht die
Zusammenhänge nicht. Deshalb muss mal wieder Professor Börne den
norddeutschen Quadratschädel ans Händchen nehmen und personelle,
lokalpolitische und in diesem Falle eben auch klerikale Verflechtungen
aufzeigen.
Doch dann passiert in „Tempelräuber“ (Regie: Matthias Tiefenbacher, Buch:
Magnus Vattrodt) etwas so Unvorhersehbares wie Wunderbares: Aus dem Krimi,
bei dem Börne diesmal nicht nur den Fremdenführer, sondern gleich auch noch
den geschwätzigen Westentaschensymbologen gibt, schält sich nach und nach
ein aufwühlendes Lehrstück zum Thema Glaube und Verzicht.
Wo sonst im Münsteraner „Tatort“ das Diktat zum Morbiden und Monströsen
herrscht, wird auf einmal ganz unverhofft die Kunst der Andeutung und des
leisen Sentiments gepflegt. Nicht zuletzt durch die Episodendarsteller,
allen voran durch den furiosen Ulrich Noethen, entwickelt sich ein
Religionsdrama, das ohne jeden spekulativen Kirchenhorror tief nachwirkt.
Mächtig prangt in diesem Kleruskrimi das Kreuz über den armen Menschen, die
lautlos im Verborgenen ihre Sehnsucht nach Nähe, Liebe und Körperlichkeit
stillen.
23 Oct 2009
## AUTOREN
Christian Buss
## TAGS
Tatort
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