# taz.de -- Nahostexperte über Russland in Syrien: „Es sieht aus wie eine Sa… | |
> Der russische Nahost-Experte Alexei Malaschenko kann keinen Sieg Moskaus | |
> in Syrien erkennen. Ein Ordnungsfaktor Russland existiere nicht. | |
Bild: „Etwas einfach gestrickt“: Russlands Präsident Wladimir Putin. Eine … | |
Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde vor der fünftägigen | |
[1][Waffenruhe, die Donnerstagnacht verhandelt wurde], geführt. | |
taz: Herr Malaschenko, im Westen wird [2][Moskaus Rolle in Syrien] als ein | |
großer Sieg gehandelt. Die staatlichen russischen Medien berichten jedoch | |
auffallend zurückhaltend. Warum? | |
Alexei Malaschenko: Das ist kein richtiger Sieg in Syrien, es sieht eher | |
aus wie eine Sackgasse. Erdoğan behauptet zwar, er hätte Russland vor dem | |
türkischen Einmarsch informiert. Der Kreml weiß davon jedoch nichts, heißt | |
es dort. Russland steht vor dem Problem: Assad ist Anlass und Stütze der | |
russischen Intervention, die Türkei ist inzwischen aber auch ein wichtiger | |
Verbündeter. | |
Was macht Moskau dann, wenn türkische Panzer gegen die verbündeten Syrer | |
vorrücken? | |
Moskau steckt in einer Zwickmühle. Soll es die Luftwaffe einsetzen oder | |
nicht? Beides verbietet sich eigentlich. Hält sich Moskau raus, erhebt sich | |
sofort die Frage in Damaskus, unterstützen uns die Russen noch? | |
Wie geht Putin damit um? | |
Präsident Putin hatte beim Eingreifen in Syrien vermutlich keine klare | |
Vorstellung. Er ließ sich von taktischen Überlegungen leiten, Baschar auf | |
seine Seite zu ziehen. Alles Weitere würde sich schon ergeben. Wladimir | |
Putin hat selten eine Strategie, alles ist etwas einfach gestrickt. Wie ein | |
mittelmäßiger Schachspieler denkt er zwei Schritte voraus, vier wären schon | |
zu viel. | |
Wie soll es jetzt weitergehen? | |
Am besten wäre eine Konferenz auf höchster Ebene, an der Außenminister und | |
Staatschefs teilnehmen. Vermutlich sitzt man bei uns schon zusammen und | |
sucht nach einer Lösung. Solche Entscheidungen werden bei uns jedoch nicht | |
im Außenministerium getroffen. | |
Womit beschäftigen sich die russischen Nahostexperten? | |
Wir haben keine mehr. Ex-Außenminister und Premier Jewgenij Primakow war | |
einer der letzten. Solche Koryphäen konnten zu Breschnew, Jelzin oder Putin | |
gehen und fragen: Weißt Du, auf wen du dich bei Baschar einlässt, hast Du | |
Ahnung von der Familie, weißt Du noch, dass er nach der Inthronisierung | |
erst nach Europa reiste? | |
Warum gibt es solche Leute nicht mehr? | |
Sie werden scheinbar nicht mehr gebraucht. | |
Ist die Pufferzone sinnvoll? | |
Erdoğan will in der 30-Kilometer-Zone an der syrischen Grenze Syrer | |
ansiedeln. Ursprünglich war von einer Million, jetzt ist schon von drei | |
Millionen die Rede. Sie brauchen Wasser, Lebensmittel und Sicherheit. Zudem | |
sind diese Rücksiedler alles Gegner Baschars. Putin ist nicht zu beneiden. | |
Er will auch noch, dass alle Gegner Baschars nach Syrien zurückkehren. | |
Selbst China kritisiert das. Auch hier ist ohne russische Hilfe nichts zu | |
erreichen. Auch das würde auf eine militärische Konfrontation entweder mit | |
Baschar oder der Türkei hinauslaufen. | |
Vielleicht Gespräche zwischen der [3][Türkei und den Kurden]? | |
Die würden sehr langwierig und ermüdend werden. Das passt auch Erdogan | |
nicht, der einen schnellen Sieg wünscht. Die Kurden sind ohnehin nur | |
Nebensache in dem Konflikt, so brutal es klingen mag. | |
Gibt es überhaupt eine Linie, die sich aufgreifen ließe? | |
Im Vergleich zum Konflikt zwischen Israel, den Palästinensern und der | |
arabischen Welt ist der Kampf in Syrien nicht mehr durchschaubar. Niemand | |
überblickt, wer was will in Syrien. | |
Gibt es den Ordnungsfaktor Russland mit Putin also gar nicht? | |
Nichts dergleichen existiert. Russland hat die Hand in einen heißen Ofen | |
gesteckt und dann ist die Klappe zugefallen. | |
Bedeutet das, alle können in der Situation verlieren? | |
Nein, die Amerikaner nicht, die sind schnell raus. Trump spürt, hier ist | |
nichts zu gewinnen. | |
Wird Erdoğan für den Kreml nicht zu einer Belastung? | |
Seine Position ist geschwächt. Die Wirtschaft leidet, Sanktionen wurden | |
verhängt, die Opposition wird immer stärker, die Touristen könnten wieder | |
ausbleiben. In dieser Lage schaltet er auf äußere Bedrohung um und will die | |
Türkei vor den Kurden retten. Wenn aber die Kurden Terroranschläge verüben | |
und sich der Krieg hinzieht, wird Erdoğan sich nicht mehr lange halten | |
können. Wenn ein autoritärer Politiker Autorität einbüßt, dann reagieren | |
die Türken entschieden. | |
Kehrt die Türkei dann wieder unter den Mantel der Nato zurück? | |
Ich glaube nicht. Die Türkei wurde nicht nach Europa gelassen. In den | |
letzten 20 Jahren hat sich die muslimische Welt weiter entwickelt und die | |
Türkei ist mehr zu einem Teil des Nahen Ostens geworden. | |
18 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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