# taz.de -- PYD-Sprecher Salih Muslim im Interview: „Die Türkei und Syrien w… | |
> Der PYD-Sprecher Salih Muslim im Gespräch über den Einmarsch der Türkei | |
> in Syrien, die Einigung der SDF mit der syrischen Regierung und die | |
> IS-Gefängnisse. | |
Bild: „Wird sind immer noch auf der Suche nach einer internationalen Lösung�… | |
taz.gazete: Herr Muslim, worauf haben sich die Demokratischen Kräfte | |
Syriens (SDF) mit der Assad-Regierung geeinigt? | |
Salih Muslim: Es handelt sich nur um ein vorläufiges Abkommen, einen | |
Entwurftext militärischen Inhalts. Es ist eine Vereinbarung zum Schutz der | |
syrischen Landesgrenzen. Es handelt sich dabei um einen ersten Schritt. | |
Ist das aus Ihrer Sicht ein positiver Schritt? | |
Ja, wir haben ohnehin von Anfang an dazu aufgerufen. Wir haben gesagt: | |
„Wenn ihr von der Souveränität Syriens redet, lasst uns unsere Grenzen | |
gemeinsam schützen.“ Aber die syrische Regierung hat das abgelehnt und | |
gesagt: „Ihr habt euch zu ergeben.“ Dass an der Grenzlinie Einigkeit | |
erzielt wurde, ist ein wichtiger erster Schritt. | |
Bedeutet dieses Abkommen das Ende der autonomen Föderation? | |
Nein, das Abkommen wurde nur erzielt, um Sicherheit gewährleisten zu | |
können. Es geht darin nicht um politische Verantwortung oder eine | |
politische Lösung. Die syrische Regierung wird sich nicht in die | |
Angelegenheiten der SDF-Verwaltung und der Rätestrukturen einmischen. Das | |
Abkommen hat die Verhinderung des türkischen Angriffs zum Ziel. Alles | |
andere werden wir später diskutieren. | |
Was wird mit Manbidsch und Kobane passieren? | |
In der Umgebung von Kobane und Manbidsch wurden Streitkräfte der syrischen | |
Regierung stationiert. Beide Orte sind Teil der Autonomieräte. Sie verfügen | |
über ihre eigenen Räte und Verwaltungen. Auch dort wird es genauso | |
weitergehen wie in anderen Autonomiegebieten. In dieser Phase wird es auch | |
in diesen beiden Gebieten zu keinen Veränderungen und keinem politischen | |
Schritt kommen. | |
Was denken Sie über die Einschätzung, dass die syrische und türkische Armee | |
nicht direkt gegeneinander kämpfen werden, sondern das Gebiet unter sich | |
aufteilen? | |
Ich teile diese Einschätzung nicht. Sie spielen nicht | |
Bäumchen-Wechsle-Dich, sondern versuchen sich gegenseitig hinzuhalten. Das | |
hat viel größere Dimensionen. Wenn es so weitergeht, werden sie sich eines | |
Tages mit Sicherheit aufeinandertreffen. Syrien wird weder die | |
dschihadistischen Terroristen akzeptieren noch Idlib aufgeben. Auf der | |
anderen Seite akzeptieren auch wir die türkische Präsenz in Afrin nicht. Es | |
ist wahrscheinlich, dass Russland noch mehr in das Geschehen involviert | |
wird. Es gibt zwei Alternativen. Es wird entweder zu einer Einigung oder zu | |
Kämpfen kommen. | |
Wird sich die Türkei nicht aus den Gebieten zurückziehen, in die sie | |
einmarschiert sind? | |
Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Türkei aus den besetzten Gebieten | |
zurückzieht – das sieht man an Zypern. Eigentlich ist die Türkei ein Land | |
mit sehr großen Möglichkeiten. Wenn sie diese aggressive Haltung aufgeben | |
und Frieden schaffen würden, indem sie die Probleme zwischen Staaten und | |
Völkern lösen, könnten sie im Land in Wohlstand leben. Wohin sie aber diese | |
aggressive Haltung führen wird, ist unklar. Sie sind fast mit allen | |
zerstritten. Das macht die Probleme zunehmend größer und unlösbarer. | |
Was wollen die USA Ihrer Meinung nach? | |
Wenn ich das nur wüsste. Sie verfolgen ihre eigenen Interessen. | |
Eine Sorge der USA ist der Zustand der IS-Gefängnisse und -lager. Die | |
Türkei behauptet, die SDF hätten die Lager aufgelöst. Was können Sie dazu | |
sagen? | |
Wir haben nun die IS-Anhänger*innen am Hals. Bisher haben wir versucht, | |
alle Gefangenen zu kontrollieren. IS-Kämpfer aus Bahoz, Rakka und Manbidsch | |
unternehmen nach wie vor Versuche, die Gefangenen zu befreien. Das | |
al-Chirkin-Gefängnis in Qamishlo wurde von den türkischen Streitkräften | |
beschossen. Es gab IS-Gefangene, die aus dem Gefängnis ausbrachen. In Ain | |
Issa bei Kobane, wo sich 1.700 Dschihadisten aufhielten, sieht es etwas | |
anders aus. Die Umgebung dort wurde ebenfalls von Flugzeugen beschossen. | |
Ungefähr 800 sind geflohen, einige wurden gefasst. Das Interessante war | |
hier aber, dass es im Lager Waffen gab. Mit diesen Waffen eröffneten sie | |
das Feuer. Man sollte hinter dieser Sache her sein und herausfinden, wer | |
diese Waffen ins Lager schmuggelte. Wir versuchen, niemanden entkommen zu | |
lassen. Sie stellen ein Problem für die ganze Welt dar. Wir sind immer noch | |
auf der Suche nach einer internationalen Lösung. | |
Aus dem Türkischen von Levent Konca | |
17 Oct 2019 | |
## AUTOREN | |
Erk Acarer | |
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