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# taz.de -- „Waffenruhe“ in Nordsyrien: Diplomatischer Sieg für Erdogan
> USA und Türkei einigen sich auf fünf Tage Waffenruhe: Die Türkei bekommt,
> was sie wollte. US-Präsident Trump prahlt, die Kurden gehen leer aus.
Bild: US-Vizepräsident Mike Pence, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdo…
Istanbul taz | „Wir haben bekommen, was wir wollten“. Hochzufrieden trat am
Donnerstagabend der türkische Außenminister Müvlüt Cavusoglu vor die Presse
und verkündete seine Version der zuvor mit dem US-amerikanischen
Vize-Präsidenten Mike Pence vereinbarten Waffenruhe in den umkämpften
Gebieten entlang der türkisch-syrischen Grenze.
Was zunächst niemand für möglich gehalten hatte, kam dann nach
stundenlangen Verhandlungen zwischen der US-Delegation unter Mike Pence und
der türkischen Mannschaft um Präsident Recep Tayyip Erdogan in Ankara doch
noch zustande. Eine vorläufige Waffenruhe in Ras al-Ain und den anderen
umkämpften Gebieten. Tatsächlich melden türkische TV-Sender am
Freitagmorgen: Bis auf vereinzelte Schüsse ist Ruhe an der Grenze. Die
Waffen schweigen, erst einmal.
Erdogan akzeptierte eine „Feuerpause“ für 120 Stunden ab Donnerstagnacht.
In dieser Zeit soll sich die YPG-Miliz 30 Kilometer von der türkischen
Grenze zurückziehen. Erfolgt der Rückzug planmäßig – die YPG muss laut
Cavusoglu ihre Waffen abgeben und ihre Verteidigungsstellungen zerstören –
soll aus der Feuerpause eine echte Waffenruhe werden.
Laut Pence, der die Einigung noch vor der türkischen Seite verkündete,
dürfen die türkischen Truppen in der von ihnen eroberten „Sicherheitszone“
bleiben und diese selbst kontrollieren. Die YPG müsste sich dauerhaft von
dort zurückziehen.
## Bitteres Ergebnis für die Kurden
Mazloum Kobani, ein Kommandeur der YPG bestätigte die Einigung. „Wir werden
die Feuerpause akzeptieren und uns zurückziehen,“ sagte er dem kurdischen
Sender Ronahi-TV. Allerdings machte der YPG-Sprecher auch klar, dass das
nur für die rund 100 Kilometer lange Grenzstrecke zwischen den Städten Ras
al-Ain und Tal Abjad gilt.
Hier liegt bereits das erste Konfliktpotential der vermeintlichen Einigung
zwischen Türken und US-Amerikanern. Während Pence lediglich von dem
Grenzgebiet sprach, aus dem die YPG-Milizen sich zurückziehen werden, ohne
genauer auf die präzise Lage des Gebietes einzugehen, wiederholte der
türkische Außenminister Cavusoglu bei seinem Statement die alte türkische
Forderung, die „Sicherheitszone“ müsse die gesamten 450 Kilometer zwischen
dem Euphrat und der irakischen Grenze umfassen.
Das ist aber schon deshalb hochgradig unwahrscheinlich, weil in Teilen
dieses Gebietes bereits syrische Regimetruppen und russische Militärpolizei
einmarschiert sind, die dort die kurdischen Milizen unterstützen. Deshalb
werden die Verhandlungen über das gesamte Grenzgebiet auch am Dienstag in
Sotschi fortgesetzt, wo sich Erdogan mit dem russischen Präsidenten
Wladimir Putin treffen wird. Die Feuerpause soll genau bis Dienstagabend
gelten.
Ungeachtet aller Unklarheiten verkündete Donald Trump in Washington in
gewohnter Manier, seine Leute hätten einen „Great Deal“ abgeschlossen. „…
retten Millionen kurdische Leben“, twitterte Trump. Und fügte noch hinzu:
„Ein toller Erfolg. Erdogan ist mein Freund und ein großer Führer“.
Für die Kurden ist das Ergebnis der Verhandlungen, die die US-Amerikaner
über ihre Köpfe hinweg mit der türkischen Regierung geführt haben, bitter.
Sie müssen sich dauerhaft aus einem Gebiet zurückziehen, dass sie mehr als
vier Jahre kontrolliert haben und in dem sie ihre
Selbstverwaltungsstrukturen erfolgreich aufgebaut hatten. „Die Kurden sind
ganz und gar nicht zufrieden“, sagte denn auch selbst der US-Beauftragte
für Syrien, James Jeffrey. „Wir mussten sie mit Zuckerbrot und Peitsche
dazu bringen, den Deal zu akzeptieren“.
Der türkischen Regierung stellte die US-Delegation dagegen in Aussicht, die
angekündigten Sanktionen wieder aufzuheben und auch keine weiteren
Sanktionen zu verhängen. Immerhin können die Kurden jetzt ihre Truppen und
Verwundeten aus den Kampfgebieten bringen, ohne weiteren Beschuss fürchten
zu müssen.
18 Oct 2019
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Mike Pence
Schwerpunkt Syrische Demokratische Kräfte (SDF)
USA
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Kurden
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