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# taz.de -- Ausstellung in Hamburg: Die amerikanischen Freunde
> Disney, Rockwell, Pollock, Warhol: Das klingt nach totem weißem Mann. Die
> Ausstellung „Amerika!“ in Hamburg eröffnet aber interessante
> Perspektiven.
Bild: Kapitalismus-Kunst: Andy Warhol, „Mercedes-Benz 300 SL Coupé“ (1986,…
Hamburg taz | Ja, doch: Vom Verkaufen ihrer Unternehmungen verstehen sie
bei Bucerius etwas. Als die Presse vorab zur Besichtigung der neuen
Ausstellung geladen war, [1][der ersten im Kunstforum an neuer Adresse]
(abgesehen von so einer Einweihungsschau), da lag eine Frage ja geradezu in
der Luft: Warum? Und warum jetzt?! Gezeigt werden Arbeiten von vier toten
weißen Männern, US-amerikanischen Männern, um genau zu sein: „Disney,
Rockwell, Pollock, Warhol“, reiht der Untertitel sie auf – und stellt ein
„Amerika!“ oben drüber, ja: mit Ausrufezeichen.
Der Comic- und Zeichentrickfabrikant Walt Disney, dazu Norman Rockwell, ein
so idyllisches wie (beinahe exklusiv) weißes Amerika behauptend – und dann
auch noch die Exklamation? Ist das am Ende Kunst, wie sie Donald Trump
gefallen könnte? Dann müsste er wohl hinwegsehen übers Action-Gekleckse von
Jackson Pollock. Während ihm am fellow New Yorker Andy Warhol vielleicht
das Geschäftsmäßige zugänglich wäre, der Celebrity-Kult – und nicht zule…
lässt sich der seriell produzierende, den Konsumartikel zur Kunst erhebende
Warhol ja auch so lesen, dass er dem ach so elitären Betrieb die lange Nase
zeigt.
## Hinweisen aufs Verbindende
Ein „Jetzt erst recht“ formulierte Kunstforum-Geschäftsführer Andreas
Hoffmann: Sicher, man sei „enttäuscht“ von der derzeitigen politischen Lage
– aber deshalb sei es ja umso wichtiger, hinzuweisen [2][aufs Gemeinsame,
aufs Verbindende]. Und der Kopf der Zeit-Stiftung, Michael Göring, wies hin
auf das „transatlantische Bekenntnis“ des Stifters Gerd Bucerius, ans
besondere Verhältnis zu den USA.
Göring erinnerte aber auch daran, welche Wirkung einst die Kunst eines
Warhol oder Pollock auf die Menschen im Nachkriegsdeutschland gehabt habe:
Ein Befreiungsschlag sei doch diese wagemutige, risikofreudige, zugängliche
Kultur gewesen, verglichen mit der hiesigen Enge.
Nun muss so eine Ausstellung nicht so sehr außenpolitischen oder
historischen Ansprüchen genügen, sondern vor allem: kuratorischen. Und da
wirft das nun erstmals so zusammengestellte Quartett Fragen auf – aber das
bekommen ja auch nicht alle Ausstellungen hin. Was ist das also für eine
Kombination? Als „Pioniere“ bezeichnet die vier die Kuratorin Kathrin
Baumstark, zugleich Künstlerische Leiterin des Hauses: „Sie alle
gestalteten und prägten das Bild der Vereinigten Staaten.“
Mal mehr, mal weniger unmittelbar: Sind einige von Disneys Figuren
Amerika-Symbole geworden wie Coca-Cola oder der Western-Film, ist etwa der
enorm produktive, um einiges zu spät geborene Naturalist Rockwell dem Rest
der Welt längst nicht so geläufig wie seinen Landsleuten; weil zu seinen
Fans [3][neben Barack Obama] aber auch bedeutende Filmregisseure zählen,
ist seine Ästhetik dann plötzlich doch wieder ganz vertraut; dieser
(Um-)Weg übers Kino hätte ein prima begleitendes Filmprogramm abgeworfen.
Eine der zahlreichen Anekdoten, die es ums Zustandekommen der Ausstellung
zu hören und zu lesen gibt: George Lucas und Steven Spielberg haben große
Rockwell-Sammlungen. Mit Spielberg habe man sogar verhandelt, erzählte
Baumstark – am Ende verlieh er aber nichts nach Hamburg.
Apropos: 170 Arbeiten aus etlichen Häusern wurden beschafft, und weil
darunter auch ganze Konvolute sind, etwa alle 323 Titelseiten, die Norman
Rockwell für die Saturday Evening Post fertigte, kommt man am Ende auf über
500 Exponate.
Bei Rockwell, diesem vielen Europäern ja erst nahezubringenden Chronisten
amerikanischen Kleinstadtlebens, finden sich dann allerlei Aha-Erlebnisse:
Nicht nur gewann der Mann mit einer Art Persiflage auf Pollock einen Preis.
Sein Bild „Picasso vs. Sargent“ (1966) ist ein überraschendes Spiel mit der
Frage, welche Kunst eigentlich ihrem Objekt näher kommt: Die, die möglichst
genau abbildet? Oder die, die einer höheren Idee von Wahrhaftigkeit folgt?
Und wie gut ist eigentlich ein Künstler, der das eine wie das andere auf
derart hohem Niveau kopieren kann?
Während Warhol und Pollock maximal Kanon sind und ihre
Ausstellungskonjunkturen haben, ist das Hinzunehmen der beiden anderen umso
bemerkenswerter, nicht nur weil Rockwell überhaupt zum ersten Mal so
umfangreich in ein hiesiges Museum kommt. Hier lässt sich auch eine These
festmachen: Diese amerikanische Kunst ist nicht einfach eine Verlängerung
von europäischer. Paradoxerweise gilt der Abstrakte Expressionismus als
erste genuin amerikanische Richtung; und [4][sein Vertreter Pollock] wird
oft als eine Art Cowboy des Kunstbetriebs rezipiert, als einer, der seinen
Weg geht gegen allerlei Unbilden; als „amerikanisch“ dürfte im Rest der
Welt aber eher Warhols scheinbar an Aura so arme Fabrik-Kunst gelten.
## Ja, es gibt auch „Bambi“
Und wo wir schon bei quasi-industriellen Kunst-Anfertigung sind … nein,
nicht bei Warhol, sondern bei Disney: „Wir haben auch ‚Bambi‘ da“,
beruhigte Baumstark vorneweg. Und sprach ihrerseits von vergangenen
Verheißungen, für die „Amerika!“ einmal gestanden habe. Dieser Gedanke fa…
Eingang in die Ausstellungsgestaltung: So rekurrieren die Pastelltöne an
den meisten Wänden – neutral-weiße kriegten nur die teils [5][umso
umwerfenderen Pollocks] – rekurriert auf die 1950er, auf Straßenkreuzer und
Neon und [6][das Art déco von Miami].
Das Gros der Disney’schen Exponate sind nicht die allerbekanntesten
Figuren, nicht die Stars des Konzerns: Studien und Storyboards und,
besonders schön in ihrer funktionalen Kunstfertigkeit, Hintergründe aus
Märchenverfilmungen sind zu sehen. Nicht immer ist klar, wer ihre Urheber
sind – oder ihre Urheberinnen: Frauen gelangten bei Disney lange kaum in
kreative Positionen, blieben Abpauserinnen, während Männer Zeichner wurden.
Die Ausstellung macht eine dieser unsichtbaren Frauen sichtbar, gibt ihr
wenigstens einen Namen: Retta Scott.
22 Oct 2019
## LINKS
[1] /!5571836/
[2] https://www.zeit-stiftung.de/aktuelles/detail/169
[3] https://news.artnet.com/art-world/obama-troll-donald-trump-norman-rockwell-…
[4] https://www.youtube.com/watch?v=PzlW3q1g9gY
[5] http://blog.museum-ludwig.de/2019/01/11/jackson-pollock/
[6] https://www.my-miami-beach.de/miami-beach-art-deco-district/
## AUTOREN
Alexander Diehl
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Hamburg
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Kunst
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