# taz.de -- Terroranschlag in Halle: Waffen aus dem 3D-Drucker | |
> Vor der Tat hat der Attentäter eine Dateiensammlung veröffentlicht, | |
> inklusive Bauanleitungen seiner Waffen. Das gibt einen Einblick in seine | |
> Welt. | |
Bild: Aus dem Video des Täters: selbstgebastelter Sprengstoff | |
BERLIN taz | Um 11.57 Uhr am Mittwoch veröffentlicht ein „Anonymous“ online | |
einen kurzen Eintrag. Er erscheint auf einem „Imageboard“, auf dem man ohne | |
Nutzernamen postet und ohne Registrierung. Er wendet sich auf Englisch an | |
alle, „die in keinen lustigen Ländern leben“. Es ist Stephan B., der | |
Attentäter von Halle. Solche Seiten, auf denen Nutzer*innen Links | |
austauschen, Memes, Gedankenfetzen, gibt es mehrere. | |
Sie heißen [1][etwa 4Chan oder 8Chan]. Es sind Foren, die nicht unbedingt | |
spezifisch oder politisch sind. Manche ihrer Nutzer aber sind Sexisten, | |
Antifeministen, Rassisten; es ist die Online-Heimat der Alt-Right-Bewegung. | |
Dort, wo Stephan B. postet, geht es eigentlich gerade um Anime und Manga. | |
Die Seite ist weniger bekannt. | |
Er setzt seinen Post mit dem Link zum Livestream offenbar ab, als er schon | |
nahe der Synagoge in Halle im Auto sitzt, kurz bevor er sich als „Anon“ | |
vorstellt und mit seinen Waffen loszieht. Wo hat er diese her? | |
Stephan B. schreibt in seinem Post, dass er schon seit Jahren | |
„improvisierte Waffen“ baue und teste. Und er will, dass die Leute sich ein | |
eigenes Bild machen können. Dafür hat er eine gezippte Datei hochgeladen | |
und verlinkt. 88 Objekte umfasst die Dateisammlung, die der taz vorliegt: | |
sechs PDF-Dateien mit Tatplan und Anleitungen, ein Selfie und zwei Dutzend | |
Fotos der Waffen und der Munition, CAD-Konstruktionsdateien. | |
## Sprengsätze aus Metallrohren | |
Die Dokumente belegen, dass sich Stephan B. lange auf die Tat vorbereitet | |
hat, eine Pistole wurde den Foto-Metadaten zufolge bereits im März | |
fotografiert. Bis auf ein Vorderlader-Gewehr, das legal zu bekommen ist, | |
sind die gezeigten Waffen alle selbstgebastelt. Sie sind aus Holz und | |
Metallteilen zusammengebaut, die man in jedem Baumarkt bekommt. Es reicht | |
dafür eine Werkbank im Hobbykeller oder der Gartenlaube. Manche der Waffen | |
haben Plastikteile, die mit einem 3D-Drucker hergestellt wurden. Er habe | |
dafür einen billigen 3D-Drucker für 100 Euro benutzt, schreibt B. Die | |
Bauanleitungen dafür fand er online. | |
Solche Anleitungen sind nicht schwer zu finden. Unter Waffennarren | |
besonders bekannt sind die Baupläne des britischen Büchsenmachers Philip A. | |
Luty, der sich für den freien Besitz von automatischen Waffen einsetzte. | |
Auf ihn verweist Stephan B., hat aber nach eigenen Angaben die Pläne teils | |
abgewandelt. Die Munition hat er offenbar auch selbst hergestellt. Auch | |
hier verweist er auf eine Anleitung, die man im Netz finden kann. Ebenso | |
hat er diverse Sprengsätze aus Dosen und Metallrohren selbst zusammengebaut | |
und mit selbstgebastelten Zündern versehen. Bestandteile, die legal zu | |
erwerben sind – sich daraus Waffen zu basteln ist aber nicht erlaubt. | |
Verschärfte Waffengesetze, wie sie aktuell beispielsweise das | |
Bundesjustizministerium fordert, dürften hier also auch nicht helfen. | |
Stephan B. war sich offenbar bewusst, dass nicht alle Waffen optimal | |
funktionieren. Das hätten auch seine Tests ergeben, nur eine der Waffen sei | |
wirklich zuverlässig, schreibt er. Die vollautomatische | |
„Luty“-Machinenpistole etwa hat nach den ersten Schüssen Ladehemmung, | |
weswegen er auf seine Schrotflinte umsteigt, bei der er nach jedem Schuss | |
nachladen muss. Das Problem von Waffen aus dem 3D-Drucker ist insbesondere, | |
dass der verwendete Kunststoff nicht für hohe Temperaturen geeignet ist und | |
sich schnell verformt. | |
Mindestens vier der zuvor fotografierten und in der Dateisammlung | |
beschriebenen Waffen hat er dabei, als er in [2][Halle die Synagoge] | |
angreift und auf Menschen schießt. Auch die Patronen und Sprengsätze sind | |
in dem Video wiederzuerkennen. Laut Bundesanwaltschaft, die gegen Stephan | |
B. wegen zweifachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes ermittelt, „ist | |
noch unklar, ob der Beschuldigte die von ihm mitgeführten Waffen und | |
Sprengsätze selbst hergestellt oder sich auf andere Weise verschafft hat“. | |
Die kriminaltechnische Untersuchung sei noch nicht abgeschlossen. | |
Inzwischen hat Stephan B. die Tat und ein antisemitisches, | |
rechtsextremistisches Motiv gestanden. | |
[3][Stephan B.s politische Gesinnung] wird an vielen Stellen deutlich, | |
nicht nur in dem niedergeschriebenen Tatplan voller Rassismus und | |
Judenhass. Er nennt seine selbstgebastelte Munition „Antisemitische | |
Schrotpatronen“ und hat ein Hakenkreuz auf eine Zwei-Cent-Münze gemalt, die | |
beim Patronenbau zum Einsatz kam, zusammen mit Schwarzpulver aus | |
Chinaböllern. | |
## „Das ist verdammt ungeschickt“ | |
In den Dokumenten nimmt Stephan B. Bezug auf Manga und Anime, japanische | |
Comics also. Einmal schreibt er beispielsweise: Wer mindestens einen Juden | |
töte, erhalte ein „kostenloses Cat-Girl“. Er listet zudem eine Reihe von | |
Terror-Aufgaben auf, als handele es sich um ein Computerspiel. | |
Die Online-Welt, in der sich Stephan B. bewegte, ist für Außenstehende | |
nicht leicht zu verstehen. Es werden Codes benutzt, die mal Witze sind, mal | |
Botschaften, mit denen aber weltweit tausende Rassisten, Nationalisten und | |
Extremisten etwas anfangen können. Von Tötungen zu fantasieren ist dort | |
keine Ausnahme eines Einzelnen, sondern ständig Thema. | |
Eine Handvoll User aus dem Imageboard sind die knapp 36 Minuten, die er | |
sein Attentat überträgt, live dabei, manche schauen erst später die | |
Aufzeichnung. Einer schreibt: „Er vermasselt alles. Das ist verdammt | |
ungeschickt.“ Ein anderer: „Das ist bizarr. Gerade wohl ein | |
Flüchtlingsfreund erledigt, nicht schlecht.“ Und noch einer: „Keine Spoiler | |
bitte, ich habe noch nicht alles gesehen.“ | |
Als das Video vom Seitenanbieter Twitch gelöscht wird, wurde es längst | |
gespeichert und verbreitet sich später im Netz. Auch Teile von Stephan B.s | |
Dateisammlung – oft als „Manifest“ bezeichnet – tauchen später in dive… | |
Online-Foren auf. Und auch in geschlossenen Chatgruppen, auf Telegram etwa, | |
in denen sie ihn als Held feiern. | |
11 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Rechtsextremer-Taeter-in-Halle/!5628879 | |
[2] /Das-Attentat-von-Halle/!5628896 | |
[3] /Rechtsextremer-Terror-in-Deutschland/!5630169 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Erb | |
## TAGS | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Rechtsextremismus | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Terror | |
Rechter Terror | |
Soziale Netzwerke | |
Waffen | |
Halle | |
Halle | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Games | |
#Unteilbar | |
Halle | |
Antisemitismus | |
Rechtsextremismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Das Attentat von Halle: Mörder oder Terrorist? | |
Gegen den Attentäter von Halle wird zu Recht wegen Mordes und nicht wegen | |
Terrorismus ermittelt. Denn das Delikt „Terrorismus“ existiert nicht. | |
Rechtsextremistischer Anschlag in Halle: Einzeltäter – oder nicht? | |
Bereitete Stephan B. sein Attentat in Halle allein vor? Sein Anwalt sagt: | |
ja. Eine vermeintliche Bitcoin-Spende wirft aber Fragen auf. | |
Attentäter von Halle: Der Geist von Benndorf | |
Mit seiner Tat wollte Stephan B. weltweit Aufmerksamkeit erzielen. Wo hat | |
er sich radikalisiert? Hatte er Freunde? Wie hat er seine Waffen gebaut? | |
Gamification und der Anschlag von Halle: Rechter Terror als Event | |
Die Verbindung zwischen Gaming und Rechtsterrorismus ist komplexer als oft | |
dargestellt. Um sie zu verstehen, bedarf es einer Menge Aufklärungsarbeit. | |
Demonstration gegen Rechts in Berlin: #Unteilbar trotzt Halle | |
Das Unteilbar-Bündnis ruft nach dem Attentat von Halle für Sonntag zu einer | |
Demonstration gegen Antisemitismus und Rassismus in Berlin auf. | |
Rechtsextremer Terror in Deutschland: Das Netz des Einzeltäters | |
Stephan B. handelte allein und baute seine Waffe selbst. Trotzdem sind | |
Täter wie er vernetzt: mit einem internationalen Publikum und deren | |
Ideologien. | |
Das Attentat von Halle: Die Tür hielt stand | |
Niemand schützte das Gotteshaus: Nur eine Tür trennte am Mittwoch die | |
Besucher der Synagoge von Halle von dem antisemitischen Attentäter Stephan | |
B. | |
Rechtsextremer Täter in Halle: Der virtuelle Terrorist | |
Er hatte ein Massaker geplant, sagt der Generalbundesanwalt über den | |
Halle-Attentäter Stephan B. Radikalisierte er sich in einer rechten | |
Online-Szene? |