# taz.de -- Regierungskrise in Rumänien: Sturz in Bukarest | |
> Ein erfolgreiches Misstrauensvotum bringt die Regierung unter der | |
> Sozialdemokratin Viorica Dancila zu Fall. Jetzt ist Präsident Johannis am | |
> Zug. | |
Bild: Nicht mehr vertrauenswürdig: die geschasste Regierungschefin Viorica Dă… | |
Berlin taz | „Der Albtraum ist vorbei“. Mit diesen Worten kommentierte der | |
Chef der Nationalliberalen Partei (PNL), Ludovic Orban, den Ausgang der | |
Abstimmung im Parlament, durch den die rumänische Regierung am Donnerstag | |
entmachtet wurde. Für den [1][von Orban entworfenen und eingeleiteten | |
Misstrauensantrag] stimmten überraschenderweise 238 Parlamentarier. Es war | |
nur eine hauchdünne Mehrheit von mehr als fünf der notwendigen Stimmenzahl. | |
Orban, der den Sturz der Regierung zusammen mit Staatspräsident Klaus | |
Johannis eingefädelt hatte, hofft nun auf das Amt des Ministerpräsidenten. | |
Bis zur Ernennung durch den Präsidenten bleibt die derzeitige | |
Amtsinhaberin, Viorica Dăncilă, an der Spitze der Exekutive. | |
Dăncilă war in den vergangenen Monaten zunehmend unter Druck geraten. | |
Sowohl in ihrer eigenen Sozialdemokratischen Partei (PSD), deren | |
Vorsitzende sie ist, als auch in der Öffentlichkeit. Die Opposition | |
bezeichnete sie als politische Erbin des verurteilten und korrupten Chefs | |
der neoliberal agierenden Sozialdemokratischen Partei, Liviu Dragnea. | |
Mit beißendem und mitunter auch frauenfeindlich anmutendem Spott wurden | |
ihre Versuche quittiert, ihrer Regierung ein positiveres Image zu verleihen | |
und diese von den Vorwürfen der Korruption, Aushebelung des Rechtsstaates, | |
Unterwanderung der Justiz und Vetternwirtschaft zu säubern. Ihre Bemühungen | |
haben sich nicht gelohnt. | |
## Wechsel zu anderen Gruppen | |
Bereits in den vergangenen Monaten hatten sich viele Mitglieder ihrer | |
Partei anderen Gruppierungen angeschlossen. Allen voran die von dem | |
abtrünnigen Sozialdemokraten und früheren Premier, dem windigen Victor | |
Ponta, gegründeten Partei Pro Rumänien. Ponta war es auch, der gleich nach | |
dem Bekanntwerden der Abstimmungsergebnisse seine ehemaligen Parteifreunde | |
aufgefordert hatte, sich ihm anzuschließen und in seine Gruppierung | |
einzutreten. Gleichzeitig äußerte er den Wunsch, eine neue stabile | |
Regierung bilden zu wollen, wobei ihm bewusst sein dürfte, nicht die | |
parlamentarische Mehrheit auf seiner Seite zu haben. | |
Mit ähnlichen Schwierigkeiten wird allerdings auch Orban zu kämpfen haben. | |
Die andere wichtige Oppositionspartei, die den Misstrauensantrag | |
mitgetragen hat, die Union Rettet Rumänien (USL), hatte sich im Vorfeld | |
wiederholt gegen eine Regierungsbeteiligung ausgesprochen. | |
Ähnlich äußerte sich auch die Partei PLUS des früheren EU-Abgeordneten | |
Dacian Cioloş. Beide Gruppierungen haben die anstehende | |
Präsidentschaftswahl zur Priorität erklärt und konzentrieren sich darauf, | |
ihren gemeinsamen Kandidaten am 11. November in das höchste Amt im Staat zu | |
hieven. | |
Johannis, der als Kandidat der liberalen PNL antritt, spekuliert natürlich, | |
dass durch die Amtsenthebung von Dăncilă, die natürlich auch kandidiert, | |
seine Chancen auf eine Wiederwahl zum Staatsoberhaupt erheblich steigen. | |
## Ruder entrissen | |
In seinem an die Liberalen gerichteten Glückwunsch, der Regierung Dăncilă | |
das Ruder entrissen zu haben, war auch die Befürchtung herauszuhören, eine | |
Übergangsregierung könnte die derzeitige politische Instabilität | |
fortsetzen. Sein Plädoyer für vorgezogene Neuwahlen, klang eher hilflos, da | |
er genau weiß, dass allgemeine Wahlen laut rumänischer Verfassung erst nach | |
den Präsidentschaftswahlen organsiert werden dürfen. | |
Die sonst auf Zurückhaltung bedachte, gestürzte Premierministerin Dăncilă, | |
bezeichnete die Oppositionspolitiker als „Amateure“ und politisch | |
unverantwortlich. Gleichzeitig warnte sie diese, die Sozialdemokraten nicht | |
zu unterschätzen, denn diese hätten erfolgreich und „zum Wohle des Landes“ | |
regiert. | |
Im Hinblick auf eine neue Regierung kündigte Johannis unterdessen für | |
Freitag erste Beratungen mit den Parlamentsparteien an. Laut Zeitplan wird | |
Johannis zuerst seine liberale PNL empfangen. Als letzte kommen dann die | |
Sozialdemokraten an die Reihe, die Johannis mit Sicherheit nicht mehr | |
beauftragen wird, eine neue Regierung zu bilden. | |
10 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Koalitionsbruch-in-Rumaenien/!5618066 | |
## AUTOREN | |
William Totok | |
## TAGS | |
Rumänien | |
Viorica Dăncilă | |
PSD | |
Misstrauensvotum | |
Rumänien | |
Rumänien | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Rumänien | |
Rumänien | |
Liviu Dragnea | |
Rumänien | |
Rumänien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Politische Krise in Rumänien: Regierung gestürzt | |
Das Kabinett unter dem Liberalen Ludovic Orban wird mit einem | |
Misstrauensvotum gestürzt. Das kommt Präsident Johannis entgegen. Er will | |
Neuwahlen. | |
Präsidentenwahl in Rumänien: Erste Runde geht an Iohannis | |
Der amtierende Staatschef kommt auf rund 36 Prozent der Stimmen und muss in | |
die Stichwahl. Dort trifft er auf die Sozialdemokratin Viorica Dăncilă. | |
Rumänien vor der Präsidentschaftswahl: Das gespaltene Land | |
Andra G. ist 29, hat in fünf Ländern gelebt und hasst die korrupte | |
Regierung ihres Landes. Gheorghe Sinca ist 65 und hat diese immer | |
unterstützt. | |
Regierungssturz in Rumänien: Triumph des Neoliberalismus | |
Per Misstrauensvotum wurde Rumäniens unbeliebte Regierung gestürzt. Sowohl | |
die Besiegten als auch die Sieger schlagen unappetitliche Töne an. | |
Umstrittene Reformen in Rumänien: Bukarest stoppt Justizreform | |
Die Europäische Union begrüßt die Entscheidung der Regierung in Bukarest. | |
Auch die Opposition wittert jetzt plötzlich Morgenluft. | |
Europawahl in Rumänien: Auslandsrumänen schieben Frust | |
Viele im Ausland lebende Rumänen beanstanden eine zu geringe Zahl an | |
Wahllokalen – und vermuten dahinter gezielte Desorganisation. | |
Kommentar EU-Ratspräsidentschaft: Dauerstreit in Bukarest | |
Mit Beginn des neuen Jahres hat Rumänien die EU-Ratspräsidentschaft | |
übernommen – ein Land, das zutiefst zerstritten ist. | |
Proteste in Rumänien: Aufruf zur Verteidigungsschlacht | |
In Rumänien richtet sich Unmut gegen Pläne für eine Justizreform. | |
Demonstranten fordern den Rücktritt der Regierung. |