# taz.de -- Mietendeckel in Berlin: Es scheppert ganz gewaltig | |
> Der Senat ist ratlos: Die Einigung über den Mietendeckel ist nach einer | |
> Kehrtwende der SPD in weite Ferne gerückt. | |
Bild: Harmonie war gestern (wenn überhaupt): Matthias Kollatz und Katrin Lomps… | |
BERLIN taz | Eine Woche vor dem geplanten Senatsbeschluss über einen | |
[1][Mietendeckel] ist in der rot-rot-grünen Koalition eine Einigung in | |
weite Ferne gerückt. Die Senatssitzung am Dienstag ging ohne Ergebnis zu | |
Ende, keiner der zentralen Streitpunkte konnte ausgeräumt werden. Noch | |
dramatischer: Dem Vernehmen nach gab es noch nicht einmal eine konstruktive | |
Debatte über eine Besprechungsvorlage von Stadtentwicklungssenatorin Katrin | |
Lompscher (Linke). | |
Die SPD auf der einen Seite, Linkspartei und Grüne auf der anderen schoben | |
sich danach gegenseitig die Schuld zu. Ob und was aus dem Mietendeckel | |
wird, soll sich nun abschließend am Donnerstagnachmittag in einer | |
Sondersitzung des Koalitionsausschusses klären, in dem die führenden Köpfe | |
der drei Parteien zusammensitzen. | |
„Ich gehe davon aus, dass die Koalition am Donnerstag im | |
Koalitionsausschuss eine Lösung finden wird“, sagte Finanzsenator Matthias | |
Kollatz (SPD) nach der Senatssitzung vor Journalisten. Gleichzeitig mühte | |
er sich, den Erwartungsdruck zu dämpfen: Mehrfach warnte er bei Fragen nach | |
Terminen vor übermäßiger Eile: „Sportliche Aktivität ja, hudeln nein“ | |
(süddeutsch für übereilen, schlampig arbeiten – Kollatz stammt aus Hessen, | |
d. Red). | |
Zur Debatte stehen aktuell zwei von drei Kernpunkten des | |
Mietendeckel-Gesetzes, auf dessen Eckpunkte sich der Senat Mitte Juni | |
geeinigt hatte – allerdings unter dem Vorbehalt rechtlicher Prüfung, wie | |
Kollatz betonte. Unumstritten ist nur noch, die Mieten für fünf Jahre auf | |
ihrem derzeitigen Stand einzufrieren. Mit exakt dieser Forderung hatten die | |
SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl und weitere SPDler im Januar die Idee | |
eines Mietendeckels breiter bekannt gemacht. | |
## Gutachten der SPD | |
Uneinigkeit besteht hingegen über nach Baujahr gestaffelte | |
Mietobergrenzen, die auch bei Wiedervermietungen angewendet werden sollen, | |
und über die Möglichkeit, Mieten auch in bestehenden Verträgen abzusenken. | |
Beidem hatten die Sozialdemokraten in einer Sitzung des | |
Koalitionsausschusses am vorigen Freitag erstmals widersprochen. | |
Zur Unterstützung ihrer Position hatten sie ein von der Senatskanzlei in | |
Auftrag gegebenes Gutachten des Staats- und Verwaltungsrechtler Ulrich | |
Battis vorgelegt. Der beurteilt zwar das Mieten-Einfrieren als | |
verfassungsgemäß und von der Gesetzgebungskompetenz des Landes gedeckt, die | |
Absenkung der Mieten und die Festlegung von Mietobergrenzen aber als | |
verfassungswidrig. Hier müsse die Zuständigkeit des Landes im Einzelfall | |
geprüft werden. | |
Kollatz wertete Battis’ Haltung mit Blick auf spätere Klagen als gewichtig | |
gegenüber einem älteren Gutachten des ehemaligen | |
Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier, der im September | |
den Mietendeckel insgesamt als nicht verfassungsgemäß bewertet hatte. | |
Dagegen hatte eine Stellungnahme aus dem Haus von Innensenator Andreas | |
Geisel (SPD) vor zwei Wochen Mietobergrenzen als verfassungskonform | |
bezeichnet. | |
## Koalition in Gefahr | |
Trotz aller Versuche von Kollatz, Optimismus zu verbreiten, ist die im | |
Dezember 2016 gestartete rot-rot-grüne Koalition offenbar an ihrem bislang | |
kritischsten Punkt angelangt. Besonders innerhalb der Linken wird bereits | |
über das Szenario Neuwahlen nachgedacht, auch wenn das noch niemand | |
öffentlich aussprechen will. | |
Die Grüne Katrin Schmidberger, die als Mietexpertin ihrer Fraktion am | |
Donnerstag im Koalitionsausschuss sitzen wird, fordert von der SPD | |
Kompromissbereitschaft ein: „Die Zeit, sich nur weit aus dem Fenster zu | |
lehnen, ist vorbei, jetzt müssten Lösungswege diskutiert werden.“ Berlins | |
Wohnungsmarkt brauche „nicht nur Beruhigungspillen, sondern effektive | |
Maßnahmen, um die Fehlentwicklungen am Wohnungsmarkt zu beseitigen“. | |
Für die Linken-Abgeordnete Gaby Gottwald ist klar: „Die SPD hat mitten im | |
Rennen das Pferd gewechselt.“ Eine Lösung könne nicht darin bestehen, von | |
zentralen Punkten des Mietendeckels abzuweichen; diese seien in der | |
Koalition „mehrfach gemeinsam verabschiedet“ worden. Über Korrekturbedarf | |
in einzelnen Punkten könne man reden, aber „wir sehen keine Veranlassung, | |
von der Struktur und Substanz des Gesetzentwurfes abzuweichen“, so | |
Gottwald. Das Battis-Gutachten sieht sie vor allem politisch motiviert, | |
darin stünden etwa auch Ratschläge wie die Bebauung der Elisabeth-Aue. | |
Kritiker des Deckels hatten der SPD schon im Frühjahr vorgeworfen, sie | |
wolle mit dem Vorstoß bloß das [2][Volksbegehren zur Enteignung großer | |
Wohnungsunternehmen] schwächen. Beim SPD-Parteitag in zehn Tagen steht | |
unter anderem die Frage an, ob die Partei das Volksbegehren unterstützt | |
oder nicht. SPD-Mann Kollatz warnte davor, sich durch den Parteitag beim | |
Beschluss über den Mietendeckel unter Druck zu setzen. | |
Wie könnte ein Kompromiss noch aussehen bei dem Projekt, das | |
Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) „eines der wichtigsten | |
Gesetzesvorhaben dieser Legislaturperiode“ nennt? | |
Einig sind sich die Koalitionspartner beim Einfrieren der Mieten. Zumindest | |
dies könnte man beschließen und ab Jahresanfang in Kraft setzen. Ein System | |
von Mietobergrenzen könnte dann ein Jahr später dazukommen, diese Idee | |
hatten zunächst die Grünen ins Gespräch gebracht. Kollatz mochte einen | |
solchen Stufenplan am Dienstag nicht ausschließen: „Jawohl, das kann es | |
geben.“ | |
15 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Mietendeckel/!t5567229/ | |
[2] /Deutsche-Wohnen-und-Co-enteignen/!t5562213/ | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
Stefan Alberti | |
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