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# taz.de -- Menschenrechte in der Ukraine: Selenski soll nicht ausliefern
> Ukrainische Behörden wollen einen Tschetschenen an Russland überstellen.
> Dort drohten ihm Folter oder gar der Tod, fürchten seine Verteidiger.
Bild: Versprach eine liberalere Asylpolitik: Wolodymir Selenski, Präsident der…
Kiew taz | Ukrainische Menschenrechtler fürchten, dass erneut ein
Oppositioneller nach Russland ausgeliefert wird. Mehrere Verwandte des
Mannes sind dort bereits von Sicherheitskräften ermordet worden. In einer
gemeinsamen Pressekonferenz in Kiew warnten die Menschenrechtler am
Dienstag vor der geplanten Auslieferung des Tschetschenen Amchad Ilajew.
Ilajew war im März von der Polizei der ostukrainischen Metropole Charkiw
auf der Grundlage eines russischen Auslieferungsgesuchs festgenommen und in
Auslieferungshaft gesteckt worden.
Zwar wurde die Auslieferungshaft im Juli zu Hausarrest umgewandelt. Doch im
August wurde Ilajew per Gerichtsbeschluss erneut in Auslieferungshaft
genommen. Die russischen Behörden werfen dem Tschetschenen vor, im August
2009 in einem kleinen Ort in der Nähe der tschetschenischen Hauptstadt
Grosny fünf Personen ermordet zu haben.
Doch zu diesem Zeitpunkt hatte Amchad Ilajew Russland schon verlassen,
sagen Ilajews Anwalt Iwan Angelin und sein Bruder Imam Ilajew. Nachdem im
November 2008 zwei Verwandte von Ilajew und im Dezember 2008 sein Bruder
Saur Ilajew von Sicherheitskräften entführt und ermordet worden waren,
seien er und Amchad noch im gleichen Jahr aus Russland geflohen, berichtet
Ilajews Bruder.
## Anwalt spricht von politischer Abrechnung
Anwalt Angelow sieht einen Zusammenhang zwischen den russischen
Anschuldigungen, die seiner Überzeugung nach jeglicher Grundlage
entbehrten, und der politischen Aktivität seines Mandanten in Russland.
„Das ist eine politische Abrechnung mit Menschen, die das Land aus Furcht
vor Verfolgung verlassen haben“, so Angelow.
Boris Sacharow von der „Menschenrechtsgruppe Charkiw“ ist entsetzt über die
Zusammenarbeit des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU mit den
russischen Behörden. „Dort berücksichtigt man nicht, dass einem
ausgelieferten Oppositionellen in Russland Folter droht.“ so Sacharow.
Für Sacharow reiht sich die geplante Auslieferung des Tschetschenen Ilajew
an Russland ein in eine Reihe ähnlicher Entscheidungen in anderen
europäischen Staaten. Auch aus Deutschland, Bosnien, der Slowakei, Polen
und Frankreich seien Flüchtlinge aus dem Nordkaukasus an Russland
ausgeliefert oder abgeschoben worden, so Sacharow gegenüber der taz.
Die ukrainischen Menschenrechtler und Ilajews Anwalt hoffen, dass ihnen
noch bis November Zeit bleibt, die Auslieferung zu verhindern. So lange
dürfte die Prüfung des russischen Gesuchs dauern. In der Zwischenzeit
wollen sie sich auch an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in
Straßburg wenden. Und sie hoffen gleichzeitig, dass Ilajews Asylantrag
positiv beschieden wird.
## Selenski enttäuscht Hoffnungen auf liberalere Asylpolitik
Doch es ist fraglich, ob dieser Optimismus der Realität standhält. Denn
ausgerechnet die Behörden von Charkiw sind für ihr hartes Vorgehen gegen
Flüchtlinge aus Russland bekannt. Im Herbst 2018 wurde der tschetschenische
Oppositionelle Timur Timgojew von Charkiw nach Russland ausgeliefert. Dort
wurde Timgojew im Sommer 2019 wegen einer angeblichen Mitwirkung im
Syrien-Krieg zu 18 Jahren verurteilt.
Sollte Ilajew wirklich nach Russland ausgeliefert werden, dürfte dies auch
eine Enttäuschung für all die sein, die sich unter dem neuen Präsidenten
Wolodymir Selenski eine liberalere Asylpolitik erhofft hatten. Kurz nach
seiner Wahl hatte Selenski im Mai in Reaktion auf die Ausgabe russischer
Pässe in den „Volksrepubliken“ von Donezk und Lugansk ganz anders
geklungen:
Am 6. Mai zitierte das ukrainische Internetportal „golos.ua“ den
ukrainischen Präsidenten. „Die Ukraine nimmt ihre Mission wahr, ein Vorbild
der Demokratie für die postsowjetischen Länder zu sein. Und ein Teil dieser
Mission ist es, all jenen Schutz, Asyl und die ukrainische
Staatsbürgerschaft zu gewähren, die bereit sind, für die Freiheit zu
kämpfen.“
Inzwischen ist mit Ruslan Rjaboschapka ein Weggefährte Selenskis
Generalstaatsanwalt der Ukraine geworden. Strebte das Team des jungen
Präsidenten tatsächlich eine liberalere Asylpolitik an, könnte es dies im
Fall Ilajew unter Beweis stellen.
25 Sep 2019
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Ukraine
Russland
Tschetschenien
Menschenrechte
Auslieferung
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Wolodymyr Selenskij
Tschetschenien
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Wladimir Putin
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