| # taz.de -- Tagung des MDR-Rundfunkrats: Die Premiere | |
| > Der MDR-Rundfunkrat tagt erstmals auch öffentlich: ein wichtiger Schritt | |
| > hin zu mehr Transparenz – die noch geübt werden muss. | |
| Bild: Das MDR-Logo ist schon einige Zeit öffentlich | |
| Leipzig taz | Jens Dietrich, Vertreter der AfD im Rundfunkrat des MDR, | |
| nutzte die Gelegenheit. Gerade hatte Karola Wille, die Intendantin des MDR, | |
| über die „Charta der Vielfalt“ gesprochen. Die Erklärung, mit der sich | |
| Arbeitgeber seit 2006 für Vielfalt in Unternehmen starkmachen, hatte der | |
| MDR Ende August unterzeichnet. | |
| Mit der Unterzeichnung der Charta verletze der MDR seine grundgesetzliche | |
| Pflicht, so Dietrich im Rundfunkrat. In einer vorbereiteten und abgelesenen | |
| Erklärung meinte er, die Charta würde die Pflicht zur neutralen | |
| Berichterstattung und die innere Pressefreiheit verletzen. | |
| Dietrich ist eines von 43 Mitgliedern im Rundfunkrat des MDR. Er verlas | |
| seine Erklärung am Montag in Leipzig. Dort fand die 188. Sitzung des | |
| Gremiums statt – es war die erste öffentliche in seiner Geschichte. | |
| Bislang blieben solche Äußerungen von AfD-Vertretern für die Öffentlichkeit | |
| unsichtbar. Mehrere Mitglieder des Gremiums wiesen Dietrich darauf hin, | |
| dass die Sitzungen kein Raum für politische Erklärungen und Statements | |
| seien. Die [1][Landesgruppe Thüringen] im Rundfunkrat distanzierte sich von | |
| Dietrich und erklärte, dass sein Statement nicht mit ihr abgesprochen | |
| gewesen wäre. Das Vorgehen des AfD-Politikers sei „befremdlich“. | |
| ## Kein Livestream | |
| Die Situation ist für alle neu: Für den Rundfunkrat, der mit der AfD | |
| umgehen muss, während die Gesellschaft ihm auf die Finger schaut. Aber auch | |
| für die AfD, die bei ihren Wähler*innen punkten muss. | |
| „Es ist eine Premiere“, sagte Horst Saage, Vorsitzender des Rundfunkrats zu | |
| Beginn der Sitzung. Den Schritt, künftig öffentlich zu tagen, sei man aus | |
| Überzeugung gegangen, nachdem man schon in den letzten Jahren die | |
| Transparenz immer weiter ausgebaut habe. | |
| Die Sitzungen mehrerer anderer Rundfunkräte sind bereits seit einiger Zeit | |
| öffentlich. Nun also auch die des MDR. Um sie zu verfolgen, muss man | |
| allerdings vor Ort sein, einen Livestream gibt es nicht. Auch Ton- und | |
| Bildaufnahmen durften, während das Gremium tagte, nicht gemacht werden. Die | |
| Sitzungsunterlagen waren als vertraulich eingestuft und wurden dem Publikum | |
| nicht bereitgestellt. | |
| Aufgabe des Rundfunkrats ist die Kontrolle des MDR, des gemeinsamen | |
| öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. | |
| Diese Aufgabe soll er stellvertretend für die Gesellschaft übernehmen, | |
| weshalb neben Politiker*innen auch Vertreter*innen der Zivilgesellschaft | |
| und der Wirtschaft im Gremium sitzen, etwa der Bauernverband oder die | |
| Jüdische Gemeinde. | |
| Umgang mit Rechten | |
| In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Debatten über den Umgang des | |
| MDR mit der AfD. Zuletzt wurde der Sender scharf dafür kritisiert, dass bei | |
| einer [2][Diskussionsveranstaltung] zu der Dokumentation „Chemnitz – ein | |
| Jahr danach“ neben Vertreter*innen von demokratischen Parteien auch Arthur | |
| Oesterle eingeladen wurde. | |
| Oesterle ist Mitglied der AfD, aber auch in mehreren als rechtsextrem | |
| eingestuften Organisationen wie etwa „Pro Chemnitz“ aktiv. Bei den | |
| rechtsextremen Ausschreitungen im Jahr 2018 spielte er eine zentrale Rolle. | |
| Mehrere Podiumsgäste sagten ab, nachdem der MDR öffentlich für die | |
| Einladung des Rechtsextremisten kritisiert worden war. | |
| Dieser Vorgang beschäftigte nun auch den Rundfunkrat. Tagesordnungspunkt 7, | |
| „Grundsätze des MDR für Foren und Podiumsdiskussionen bei | |
| Off-Air/On-Air-Veranstaltungen“. | |
| Dirk Panther, der Vorsitzende der sächsischen SPD-Fraktion, hatte sich für | |
| den Tagesordnungspunkt starkgemacht und kritisierte die Planung der | |
| Diskussionsveranstaltung. Es hätte offensichtlich keine Vorbereitung und | |
| keine Richtlinien für eine derartige Off-Air-Veranstaltung gegeben, sagte | |
| er. „Das hat uns gefehlt.“ Und er stellte die entscheidende Frage: „Wie | |
| weit geht Meinungsäußerung?“ | |
| ## CDU versteht nichts | |
| Steffen Flath, ehemaliger Vorsitzender der CDU-Fraktion im Sächsischen | |
| Landtag, sagte: „Ich kann die ganze Aufregung nicht verstehen.“ Während | |
| „die Medien“ unfair im Umgang mit Chemnitz seien, packe der MDR schwierige | |
| Themen an. | |
| Intendantin Wille kündigte an, dass der MDR auch weiterhin den Dialog mit | |
| Bürger*innen suchen werde. Die Diskussion mit dem Publikum gehöre zur | |
| Strategie des MDR. Nur so könne man zum Zusammenhalt in der Gesellschaft | |
| beitragen und Transparenz steigern. Und: Es wurden Grundsätze und | |
| Verfahrensregeln festgelegt, wie man künftig mit Diskussionsveranstaltungen | |
| umgehen würde. Öffentlich sind diese bislang nicht. | |
| Zu einem endgültigen Beschluss, wie man denn künftig mit | |
| Diskussionsveranstaltungen umgehen wolle, kam es bei dieser Sitzung nicht. | |
| Stefan Gebhardt, der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion in | |
| Sachsen-Anhalt, forderte eine Vertagung in die Ausschüsse des Rundfunkrats. | |
| Viele Mitglieder des Gremiums seien nicht auf die Diskussion vorbereitet | |
| und von dem Thema überrascht worden. Die Ausschüsse tagen – im Gegensatz | |
| zum Rundfunkrat – weiterhin ohne Öffentlichkeit. | |
| 24 Sep 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.mdr.de/mdr-rundfunkrat/mitglieder/landesgruppe-thueringen100.ht… | |
| [2] /MDR-Diskussion-in-Chemnitz/!5615524 | |
| ## AUTOREN | |
| Alexander Nabert | |
| Erica Zingher | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Landtagswahlen | |
| Schwerpunkt Thüringen | |
| Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk | |
| Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen | |
| Wahlen in Ostdeutschland 2024 | |
| MDR | |
| Kolumne Flimmern und Rauschen | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Funke Mediengruppe | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| MDR-Pressesprecher geht in Ruhestand: Der Zu-viel-Beschäftigte | |
| Walter Kehr war einer der besten Pressesprecher Sachsens – er war leider | |
| bloß nie zu erreichen. Jetzt geht er in den Ruhestand. | |
| Wahlkampfauftakt der AfD Thüringen: Alles so „bürgerlich“ hier | |
| Die AfD macht sich für die Wahl in Thüringen bereit – und versucht sich | |
| einen mittig-konservativen Anstrich zu geben. Gelingen will das nicht. | |
| Medienkrise in Thüringen: Print first | |
| In Thüringen beherrscht die Funke-Mediengruppe die Printbranche. Seit | |
| Kürzungen bekannt wurden, spricht das Land über den Wert des Journalismus. | |
| Spiel-Skandal beim Kindersender Kika: Das Gezocke von Erfurt | |
| Ein Mitarbeiter des Kinderkanals Kika zweigte Millionen ab. Nun schieben | |
| sich die Verantwortlichen den Schwarzen Peter dafür zu. Der MDR bemüht sich | |
| um Aufklärung. |