# taz.de -- Ermittlungen nach dem Halle-Anschlag: Vorwurf Volksverhetzung | |
> Zwei Männer haben Dokumente des Halle-Attentäters verdächtig schnell | |
> verbreitet. Waren ihnen die Anschlagspläne bekannt? | |
Bild: Markierungen der Polizei vor dem Dönerladen nach dem Anschlag in Halle | |
BERLIN taz | Die Ermittler zum Terroranschlag in Halle knüpfen sich jetzt | |
auch Personen vor, welche eine Dokumentensammlung des Attentäters Stephan | |
B. verbreitet haben. Am Mittwoch durchsuchten Beamte deshalb eine Wohnung | |
zweier Männer in Mönchengladbach. | |
Den Beschuldigten, 26 und 28 Jahre alt, wird vorgeworfen, den Tatplan – | |
eine mehrseitige Dokumentensammlung, in denen Stephan B. vor allem seine | |
Waffen präsentiert – im Internet verbreitet zu haben. Die Polizei stellte | |
Rechner und Speichermedien sicher. Der Vorwurf lautet auf Volksverhetzung. | |
Stephan B. hatte vor eine Woche in Halle versucht, [1][schwer bewaffnet die | |
Synagoge zu stürmen]. Als dies misslang, erschoss er eine Passantin und | |
später einen Mann in einem Dönerimbiss. Er wurde auf der Flucht | |
festgenommen und legte eine Geständnis ab. Den Ermittlern soll er gesagt | |
haben, er sei „Rassist und Antisemit, aber kein Nazi“. | |
Seinen Tatplan hatte B., nur wenige Minuten vor dem Attentat, [2][zuerst | |
auf einem Imageboard namens Meguca veröffentlicht]. „Über Jahre“ habe er | |
Waffen selbst gebaut, schrieb B. dort. Nun werde er diese „live testen“. | |
Dazu verschickte der 27-Jährige einen Link zu einem Livestream auf der | |
Streamingplattform Twitch. Das Meguca-Board ist inzwischen offline, die | |
entsprechende Seite mit dem Posts liegt der taz vor. | |
Den Livestream verfolgten laut Twitch nur fünf Personen direkt, dazu 2.200 | |
Menschen nachträglich. Dann sei das Video gelöscht worden. Einige Stunden | |
später verbreitete sich das Video über diverse Chatgruppen und Seiten im | |
Internet, ebenso wie Teile der Dokumentensammlung von Stephan B. | |
## Vorab vom Tatplan gewusst? | |
Die Ermittler prüfen nun, ob die Männer in Mönchengladbach oder andere | |
Personen schon vorab von dem Tatplan gewusst oder ihn mit unterstützt haben | |
könnten. Gleichzeitig wird auch einem Hinweis nachgegangen, ob Stephan B. | |
2014 bei einem Rechtsrockkonzert in einem NPD-Treff in Leipzig war. Dies | |
hatte ein Neonazi-Aussteiger im ZDF behauptet. | |
Laut Sicherheitsbehörden war B. in keiner Datenbank von Polizei und | |
Verfassungsschutz verzeichnet. Geprüft wird nun auch eine angeblich | |
Bitcoin-Spende von 755 Euro an Stephan B. Er selbst hatte online und vor | |
den Ermittlern behauptet, diese von einem Internetbekannten erhalten zu | |
haben. | |
Vertreter der Sicherheitsbehörden informierten am Mittwoch in einer | |
nicht-öffentlichen Sitzung des Innenausschuss im Bundestag, dass Stephan B. | |
bereits 2015 eine Waffe im Internet bestellt hatte. Tatsächlich | |
präsentierte dieser in seinem Anschlagsplan auch eine nicht selbstgebaute | |
Waffe: ein Smith-Ladegewehr. Dieses benutzte er bei der Tat aber nicht. B. | |
soll auch Waffenteile und Material für einen 3D-Drucker im Internet | |
erworben haben. | |
Gleichzeitig wurde bekannt, dass sich Stephan B. im Herbst 2018 nochmal bei | |
der Bundeswehr als Zeitsoldat bewarb. Er zog die Bewerbung aber vor einem | |
Bewerbungsgespräch wieder zurück. Bereits von 2010 bis 2011 hatte B. seinen | |
Grundwehrdienst bei der Bundeswehr absolviert, in Hagenow | |
(Mecklenburg-Vorpommern). Dort wurde er auch, wie andere Rekruten, an | |
Waffen ausgebildet. Die Bundeswehr soll damals bei B. keine Auffälligkeiten | |
bemerkt haben. Dienstliche Kontakte von ihm werden nun befragt. | |
## Geld gegen rechts | |
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sicherte am Mittwoch den | |
Sicherheitsbehörden bei Bedarf Geld zur Bekämpfung des Rechtsterrors zu. | |
„Ich werde stets die nötigen Mittel für den Schutz unserer Verfassung und | |
unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zur Verfügung stellen“, | |
sagte er der Funke-Mediengruppe. Zugleich sei der Kampf gegen | |
Antisemitismus aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. | |
Der SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider drängte zudem auf eine | |
Verstetigung des Bundesprogramms „Demokratie leben“, das bisher nur | |
befriste Projekte gegen Extremismus fördert. Man wolle die mit einem | |
Demokratiefördergesetz verbindlich machen. | |
Die Bundesregierung wollte die Mittel für das Programm im kommenden Jahr | |
zunächst von bisher 115 Millionen Euro um acht Millionen Euro kürzen. Nach | |
dem Anschlag von Halle zogen Scholz und Bundesfamilienministerin Franziska | |
Giffey (SPD) die Kürzung zurück. | |
16 Oct 2019 | |
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[1] /Anschlag-auf-Synagoge-in-Halle/!5633937 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Sebastian Erb | |
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