# taz.de -- Netzkünstlerin über Google und Klima: „Bäume pflanzen reicht n… | |
> Autos, Flugzeuge, Plastiktüten – sie sind die Promis unter den | |
> Klimasünden. Aber was ist mit Unbekannten wie dem Internet? | |
> Netzkünstlerin Joana Moll antwortet. | |
Bild: Man kann den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen – solange sie noc… | |
taz: Frau Moll, online kursieren viele Aussagen darüber, wie schlecht | |
Google für unser Klima sein soll. Google nutzt allerdings seit einigen | |
Jahren erneuerbare Energien. Was ist das Problem? | |
Joana Moll: Google ist nicht bloß Google. Es kann so viele erneuerbare | |
Energien benutzen, wie es möchte. Solange Computer und Smartphones, mit | |
denen Google geöffnet wird und die Webseiten, die über Google aufgerufen | |
werden, nicht durch erneuerbare Energien betrieben werden, können wir nicht | |
von sauberer Energie sprechen. Die Produktion und Entsorgung | |
internetfähiger Geräte ist extrem umweltschädlich. Das ändert sich nicht, | |
nur weil Google erneuerbare Energien verwendet. | |
Dennoch bezieht sich Ihr Projekt [1][„Deforest“] (siehe Kasten) | |
ausschließlich auf Google. | |
Für mich hat das Projekt eine symbolische Funktion. Google ist das größte | |
Internetunternehmen der Welt. Alle können damit etwas anfangen. Als ich | |
2013 begonnen habe, hat niemand verstanden, welchen Einfluss das Internet | |
auf das Klima hat. Ich konnte nicht glauben, dass man so ignorant sein | |
kann, diesen Zusammenhang nicht zu sehen. Das Ziel des Projekts war es, das | |
deutlich zu machen. Es geht auch nicht darum, eine exakte Zahl zu liefern | |
wie hoch der CO2 Verbrauch tatsächlich ist. Die kann mir nicht einmal | |
Google nennen. Und das ist das Hauptproblem. | |
Was hat sich seit Beginn des Projekts verändert? | |
In der Öffentlichkeit wie auch in den Unternehmen, wird dem Thema mehr | |
Aufmerksamkeit geschenkt. Aber die Situation hat sich dahingehend | |
verschlechtert, dass wir immer mehr Daten produzieren, immer mehr | |
Datenserver gebaut werden müssen. Ein 5G Netzwerk produziert 30GB an Daten | |
pro Tag. Das ist unfassbar viel und verbraucht unglaubliche Mengen an | |
Energie. | |
Also brauchen wir mehr Bäume? | |
Es geht nicht um die Bäume. Wir können so viele Bäume pflanzen, wie wir | |
wollen. Wir können von mir aus versuchen, Bäume im Wasser zu pflanzen. Aber | |
irgendwann wird die Fläche knapp und spätestens dann fliegt uns alles um | |
die Ohren. | |
Warum? | |
Das Internet ist die größte Infrastruktur, die wir Menschen jemals | |
geschaffen haben und gleichzeitig die am wenigsten sichtbare. Darum | |
verstehen viele Menschen nicht, welche Folgen Kommunikationstechnologien | |
haben können. Je mehr Daten, desto mehr Energie benötigen wir, desto mehr | |
verschmutzen wir unsere Umwelt. Selbst wenn wir erneuerbare Energien | |
verwenden, ist die Produktion dieser Technologien sehr schädlich. Unser | |
Smartphone zum Beispiel besteht aus zehntausenden Einzelteilen, die in | |
hunderten Schritten zusammengebaut werden und durch tausende verschiedene | |
Hände gehen, bevor sie dann mittels Schiff zu uns transportiert werden. Das | |
ist alles wahnsinnig umweltschädlich. | |
Müssen wir unser Smartphone also verbannen? | |
Das Problem kann nicht auf den Schultern des Verbrauchers lasten. Die | |
Politik und die Industrie müssen dieses Problem lösen. Das können wir nicht | |
für sie übernehmen. Politiker müssen dafür sorgen, dass die Unternehmen | |
nachhaltiger produzieren, in allen Branchen. Aber in einem kapitalistischen | |
System ist es sehr schwer, das zu verändern. Unsere Wirtschaft befindet | |
sich in einem endlosen Wachstum. | |
Was halten Sie von „grünen“ Projekten wie dem [2][Fairphone] oder | |
[3][Ecosia], eine Suchmaschine, die pro 45 Suchanfragen einen Baum als | |
CO2-Ausgleich pflanzt? | |
Ecosia ist ein super Projekt, aber es ist keine langfristige Lösung. Wie | |
ich schon sagte: Wir können nicht unendlich viele Bäume pflanzen. Außerdem | |
ist es sehr schwer über dein Smartphone ein globales Problem zu lösen. | |
Irgendwer pflanzt irgendwo in Afrika einen Baum für dich? Du kannst nicht | |
wissen, ob du das Problem damit löst, oder ob du es schlimmer machst. | |
Fairphone hat für mich nie funktioniert. Als der Bildschirm kaputt war, | |
hatten sie nicht genug Ersatzteile, um es zu reparieren. Ich sollte mir ein | |
neues Fairphone kaufen. Das ist nicht nachhaltig. | |
Und jetzt? | |
Wenn ich eine Lösung wüsste, wäre ich Gott. Das Wichtigste ist erst einmal | |
die Aufmerksamkeit. Wir wissen wie schädlich Autos und Flugzeuge sind, aber | |
wir wissen nicht, dass auch unsere Smartphones schlecht für die Umwelt | |
sind, weil wir gar nicht verstehen, wie das Internet und die ganze | |
Technologie funktionieren. Wir können darauf achten, dass wir unsere Geräte | |
nachhaltiger nutzen: Telefone reparieren, sie weniger oft gegen ein neues | |
Modell austauschen. Wir können uns beschweren und demonstrieren, aber keine | |
ganze Industrie umkrempeln. Das ist eine politische Entscheidung. Momentan | |
ist die Politik aber nicht in der Lage, die Situation zu deeskalieren. Bis | |
dahin wird der Klimawandel weiterhin stattfinden. | |
20 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://www.janavirgin.com/CO2/DEFOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOREST_about.html | |
[2] /Zukunft-des-Oeko-Handys-ist-unklar/!5593764&s=Fairphone/ | |
[3] /Nachhaltige-Unternehmen/!5618213&s=ecosia/ | |
## AUTOREN | |
Lisa Winter | |
## TAGS | |
Umwelt | |
Klima | |
Smartphone | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Smartphone | |
Internet | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
CO2-Emissionen | |
2050 – die, die überleben wollen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Produktionsbedingungen von Smartphones: Dilemma bei Tchibo | |
Der Kaffeeröster verkauft jetzt fair produzierte Smartphones. Das könnte | |
bei Käufer:innen zu Enttäuschungen führen – denn Fairness ist relativ. | |
50 Jahre Internet: Happy Birthday, Stromfresser! | |
Vor einem halben Jahrhundert ging es los: Das Internet wurde geboren und | |
sagte zur Begrüßung „lo“. Seitdem ist es immer hungriger geworden. | |
Trotz Protesten bei US-Tech-Konzernen: Weiter mit den Ölschleudern | |
Trotz Protesten von Mitarbeitern und Umweltschützern: Google, Amazon & Co | |
wollen weiter mit der Ölindustrie zusammenarbeiten. | |
Die CO2-Bilanz des Fußball: Lieber keine Regeln | |
Langsam entdeckt der Fußball das Thema Klimaschutz für sich. Doch wenn's um | |
Mobilität geht, hat der Enthusiasmus Grenzen. | |
Klima-Bilanz der Merkel-Ära: Die Schönwetter-Kanzlerin | |
Seit 14 Jahren regiert eine Klimaschützerin das Land. Trotzdem werden alle | |
Ziele zur CO2-Reduktion verfehlt. Was ist da schiefgelaufen? | |
Naomi Klein über die Klimakrise: „Beginn der Ära der Klimabarbarei“ | |
Was kann man tun, um den Klimawandel zu stoppen? Nichts, sagt die Autorin | |
Naomi Klein. In ihrem neuen Buch sucht sie dennoch nach Lösungen. | |
Klimaschutz per Smartphone: App in die Zukunft | |
Schon heute gibt es viele Smartphone-Anwendungen, die das Klima schützen. | |
Und ein Blick in die Glaskugel sagt: Da geht noch mehr. |