# taz.de -- Klimaschutz per Smartphone: App in die Zukunft | |
> Schon heute gibt es viele Smartphone-Anwendungen, die das Klima schützen. | |
> Und ein Blick in die Glaskugel sagt: Da geht noch mehr. | |
Bild: Nicht nur High-Tech-Spielerei? Manche Apps helfen tatsächlich, das Klima… | |
BERLIN taz | Wie sich der eigene Lebensstil auf das Klima auswirkt, darüber | |
machen sich in ihrem Alltag immer noch zu wenige Menschen groß Gedanken. | |
Fast alle aber haben inzwischen ein Smartphone in ihrer Tasche – Geräte, | |
die freilich selbst die Umwelt belasten. Doch lassen sich diese | |
intelligenten Telefone auch als Tools nutzen, um der Umwelt und damit dem | |
Klima etwas Gutes zu tun. Als vibrierende Erinnerungen an die Erwärmung der | |
Erde können sie das Verhalten von Menschen nachhaltig verändern. | |
Und diese Veränderung fängt mit dem Konsum selbst an. Etwa mit der App | |
„Shpock“, die wie ein digitaler Flohmarkt funktioniert. Anstatt also ein | |
neues Smartphone zu kaufen, können die Nutzer*innen sich hier anmelden und | |
nach einem gebrauchten Gerät suchen. Anders als etwa bei Ebay werden die | |
Produkte über diese App nicht per Post verschickt – was wiederum die Umwelt | |
belasten würde. „Shpock“ lässt Menschen in der Nachbarschaft handeln. Die | |
angebotenen Waren lassen sich nämlich nach Entfernung filtern und können | |
dann persönlich begutachtet, abgeholt und bezahlt werden. Im besten Fall | |
werden so nicht nur gebrauchte Gegenstände erworben und vor dem Müll | |
gerettet, sondern auch neue Bekanntschaften geknüpft. | |
Wenn es doch neu gekaufte Produkte sein müssen, gibt es diverse Apps, die | |
den Konsument*innen Informationen darüber geben können, ob diese etwa | |
bedenkliche Inhaltsstoffe enthalten. Mit „Codecheck“ kann der Barcode von | |
Waren gescannt werden. Die App zeigt an, ob Kosmetikprodukte Mikroplastik | |
enthalten oder mit Palmöl hergestellt wurden. Ersteres verschmutzt das | |
Wasser, für Letzteres wird der [1][Regenwald gerodet]. Mit der „Replace | |
Plastic“-App wiederum haben Kund*innen eine Möglichkeit, die Verpackungen | |
aktiv zu verändern. Und das geht so: den Barcode eines Produkts scannen, | |
von dem man der Meinung ist, dass es in zu viel Plastik verpackt ist. | |
Dieses Feedback wird von den Betreibern der App dann an die Hersteller | |
weitergeleitet. So wird das Smartphone zu der Möglichkeit des Protests im | |
Kleinen – bei jedem Einkauf erneut. | |
Sind die Produkte erst gekauft, stehen im Regal, liegen im Kühlschrank, | |
gibt es einige Apps, die aus diesen Waren das Bestmögliche machen. Weniger | |
Abfall bedeutet nicht nur weniger schlechtes Gewissen und perspektivisch | |
mehr Geld im Portemonnaie. Auch belasten wir dadurch weniger die Umwelt. | |
Denn jedes Stück Fleisch, jedes industriell angebaute Gemüse oder Obst | |
verbraucht Energie und Wasser. Mit der App „Zu gut für die Tonne“ lassen | |
sich leckere Gerichte aus Resten herstellen. Prominente Köch*innen wie | |
Sarah Wiener oder Johann Lafer bieten hier Rezepte an, für die nicht extra | |
neue Lebensmittel gekauft werden müssen, sondern die aus dem entstehen, was | |
übrig blieb. | |
## Besser aufs Leihfarrad statt aufs Auto | |
Solche Reste lassen sich derweil mit der App „Too Good to Go“ finden. In | |
dieser bieten Mensen, Supermärkte oder Bäckereien Essen feil, das sie nicht | |
mehr zum vollen Preis verkaufen können. Es handelt sich um Lebensmittel, | |
die weggeworfen würden, weil die Kundschaft um sie einen Bogen macht. Nicht | |
mehr zur Gänze frisch, nicht wohlgeformt – aber dennoch ohne Einschränkung | |
genießbar. Die App zeigt an, welche Märkte diese Lebensmittel verkaufen. | |
Für einen verringerten Preis bekommen die Kund*innen einen Korb mit | |
verschiedenen Produkten – sie sparen Geld und schonen die Umwelt. | |
Um diese Märkte dann auch zu erreichen, bieten sich allerlei Apps an, die | |
eine grüne Mobilität vorantreiben wollen. So etwa Fahrrad-Apps, die von | |
diversen Anbietern zur Verfügung gestellt werden. Besonders in Metropolen | |
lassen sich mit diesen Leihfahrräder finden, die in der Nähe stehen. Auch | |
die Bezahlung läuft über die App ab. Anstatt ein Auto zu mieten oder gar zu | |
besitzen, kann man sich besser aufs Fahrrad setzen und so den | |
CO2-Fußabdruck gering halten. Zusätzlich gibt es in jeder größeren Stadt | |
auch Apps, die einem die schönsten Fahrradwege vorschlagen. | |
Das sind einige der vielfältigen Möglichkeiten, schon heute mit Apps ein | |
umweltbewussteres Leben zu führen. Viele dieser Apps erinnern die | |
Benutzer*innen immer wieder daran, dass sie benutzt werden möchten. Sie | |
machen so im Alltag bewusst, dass man kleine Schritte in die richtige | |
Richtung tun kann – alleine durch Konsumverhalten oder ein bestmögliches | |
Ausnutzen der gegebenen Ressourcen. | |
Doch wollen wir ja auch in die Zukunft blicken. Und da bilden sich mit ein | |
wenig Fantasie App-Clouds am Horizont, die einen schwärmen lassen. Die | |
folgenden Apps gibt es leider noch nicht, sollten und könnten aber dringend | |
von jemandem entwickelt werden. | |
## Fleisch scannen | |
Wie wäre es etwa mit einer App, die uns sagt, wie viel Energie wir gerade | |
mit unseren Apps verbrauchen? Denn die brauchen Server, die mit viel Strom | |
versorgt werden wollen. Strom, der sehr oft nicht aus Wind- oder | |
Sonnenenergie gewonnen wird. Vorstellbar wäre eine Anzeige auf dem Display | |
des Smartphones, die einem ständig vorhält, wie viel Energie das Scrollen | |
auf Instagram heute schon gekostet hat. Gerne auch mit Vergleichswerten: | |
„Mit deinem heutigen Instagram-Energie-Verbrauch könnten zwei | |
Mehrfamilienhäuser versorgt werden.“ | |
Da sich unsere Smartphones sowieso immer mehr mit der gesamten Umgebung | |
vernetzen – Stichwort Smart-Home – wieso dann nicht auch mit dem Auto? | |
Besser gesagt mit dem Motor des Autos. Dieser könnte stoppen oder gar nicht | |
erst anspringen, wenn ein bestimmter CO2-Wert erreicht ist. Das Messen | |
übernimmt die App. Ab dann sind nur noch Fahrrad oder öffentliche | |
Verkehrsmittel erlaubt. | |
Und auch die Scan-Funktionen der in jedem Smartphone eingebauten Kameras | |
sollten weiter ausgebaut werden. Einhergehend mit immer besseren digitalen | |
Linsen, sollte auch die Tiefe des Scans vergrößert werden. Wieso nur | |
Barcodes scannen? Wieso nicht gleich das Produkt selbst? Fleisch zum | |
Beispiel. Eine App könnte 2025 die Struktur des Gewebes scannen und den | |
Benutzer*innen genau aufschlüsseln, wie viel Wasser verbraucht und wie viel | |
Methangas das Tier produziert hat. Zusätzlich kann die App auch anzeigen, | |
wie viele Antibiotika im Fleisch vorhanden sind und welche Auswirkungen | |
diese im Körper des Menschen haben können. | |
Schlussendlich: Würden wir das Jahr 2050 erleben, wir trügen spätestens | |
dann sowieso alle Chips unter unserer Haut. Mit diesen ließen sich dann | |
vielfältige App-Ideen umsetzen. Wie viel CO2 haben wir heute schon | |
produziert? Welche Bereiche der Erde haben wir durch unser Konsumverhalten | |
heute schon beeinträchtigt? Freilich könnten diese Chips auch produktiv | |
genutzt werden, statt nur an uns rumzumäkeln: Sie wollen gleich in ein | |
[2][Flugtaxi] steigen, um zur Arbeit zu fahren? Die App weiß durch die | |
Mikrochips, dass drei Personen fünf Straßen weiter gerade genau das Gleiche | |
tun werden – also lenkt die App kurzerhand das Flugtaxi um, damit alle vier | |
Personen in einem sitzen. Oder sie wollen im Supermarkt gerade zu einem | |
belasteten Stück Fleisch greifen? Hat der Chip in Ihrem Hirn registriert – | |
und die App auf Ihrem Smartphone fragt Sie, ob Sie sich das wirklich gut | |
überlegt haben. Eine gute Alternative wäre doch das Stück Seitan zwei | |
Regale weiter. | |
Und sollte in der Zukunft der Planet komplett im Eimer sein, setzen Sie | |
sich einfach ihre Virtual-Reality-Brille auf, laden die App runter, die | |
einen Wald samt Baumgeruch und -rauschen simuliert, lehnen sich zurück und | |
versetzen sich sich in die Zeit, als es noch Natur gab. Eine schöne, | |
verblassende Erinnerung. | |
3 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Matthias Kreienbrink | |
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