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# taz.de -- Homophobie im Fußball: Kapitulation vor dem Hass
> Der Präsident des französischen Fußballverbands ist gegen Strafen bei
> schwulenfeindlichen Fangesängen. Er fürchtet schlicht zu viele
> Spielabbrüche.
Bild: Auch das gibt es: Fans von Olympique Marseille protestieren gegen Homopho…
Die Empörung ist groß. Und in der Empörung nimmt man es oft nicht so genau.
Seitdem Noël Le Graët, der Präsident des französischen Fußballverbands, in
einem TV-Interview dafür geworben hat, Spiele entgegen den Fifa-Anweisungen
nur bei rassistischen und nicht bei homophoben Gesängen in den Stadien zu
unterbrechen, wird von vielen allein dessen Grundhaltung angegriffen. Wie
kann man nur ein Ranking bei Diskriminierungen einführen? Ist etwa eine mit
linker Hand zugefügte Gehirnerschütterung weniger schlimm als eine mit
rechter Hand zugefügte? Kann man ernsthaft sagen, dass homophobe
Beleidigungen ein kleineres Problem sind als rassistische und damit
hinnehmbar?
Wenn man sich die Aussagen des 77-jährigen Funktionärs genau anschaut, hat
Le Graët aber wie kaum ein anderer aufgezeigt, welch großes Problem man im
französischen Fußball mit der Homophobie hat. Bemerkenswert ist vor allem
sein Satz: „Ich bin komplett gegen Homophobie, möchte aber von ihr nicht in
Geiselhaft genommen werden.“ Le Graët fürchtet angesichts des weit
verbreiteten Hasses gegen Homosexuelle um den Spielbetrieb. Wie repressiv
und drückend allgemein die Atmosphäre im Fußball-Kosmos ist, offenbart auch
der Umstand, dass das Coming-out für schwule Fußballprofis bis heute eine
Horrorvorstellung zu sein scheint.
Als kürzlich in Paris die Disziplinarkommission der französischen
Fußball-Liga tagte, um sich mit insgesamt 18 Vorfällen von homophoben
Gebrüll oder Transparenten in den Stadien der Ersten und Zweiten Liga zu
befassen, musste man just am selben Abend einen weiteren Fall noch ins
Protokoll mitaufnehmen. In Nizza wurden die Gästefans lautstark als
„Schwuchteln“ beschimpft und die Partie deshalb für zwölf Minuten
ausgesetzt. Wylan Cyprien vom OGC Nizza plädierte damals bereits für die
Kapitulation vor der Masse: „Man kann nicht alle Spiele jedes Mal wegen
solcher Dummköpfe unterbrechen, sonst werden wir nie spielen.“
Homophobie ist also nicht das kleinere Problem, sondern ein so großes und
verbreitetes, das man zu erdulden hat. Dieser fatalistische Pragmatismus,
diese Akzeptanz der Homophobie ist der erschreckende Kern, der auch in den
Aussagen des höchsten französischen Fußballfunktionärs steckt. Und
natürlich ist das kein exklusiv französisches Problem.
## Die Affäre Weidenfeller
Vor neun Jahren drohte dem Dortmunder [1][Roman Weidenfeller eine
Spielsperre von sechs Partien], weil Gerald Asamoah, der schwarze Stürmer
von Schalke 04, berichtete, er sei vom Torhüter während des
Bundesligaspiels rassistisch beleidigt worden, er sei von ihm als
„schwarzes Schwein“ beschimpft worden. Weidenfeller konnte vor dem
DFB-Gericht glaubhaft machen, nicht rassistisch gewesen zu sein.
Er räumte aber ein, Asamoah „schwules Schwein“ genannt zu haben, und wurde
daraufhin lediglich für drei Spiele gesperrt. Halb so schlimm, das war
bereits die damalige Botschaft. Und womöglich dachten die deutschen
Sportrichter auch, wir können nicht jede homophobe Beleidigung so hart
bestrafen, sonst haben wir gar keine Spieler mehr auf dem Feld.
Im aktuellen Fall dürfte der Fatalismus gegenüber den Homophoben dem
französischen Fußballpräsidenten noch auf die Füße fallen. Was passiert,
wenn künftig ein schwarzer Fußballprofi von den Rängen als „schwules
Schwein“ beschimpft wird, weil der Verband ja das Signal gesendet hat, dass
das leider hinzunehmen ist. Es gibt viele Spielarten der Herabwürdigung und
Diskriminierung, und man kann sie nur erfolgreich bekämpfen, wenn sie
zusammengedacht werden.
12 Sep 2019
## LINKS
[1] /Homophobie-Vorwurf-gegen-BVB-Keeper/!5113496
## AUTOREN
Johannes Kopp
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