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# taz.de -- Sportler über Homophobie im Turnen: „Ich möchte neue Zeichen se…
> Der ehemalige Schweizer Barren-Spezialist Lucas Fischer spricht über sein
> Coming-out und seinen Auftritt bei der WM in Stuttgart – als Sänger.
Bild: Größter Erfolg in der Turnkarriere: Fischer gewann 2013 in Moskau die E…
taz: Herr Fischer, warum haben Sie öffentlich gemacht, dass Sie Männer
lieben?
Lucas Fischer: Ich wollte damit ein Statement setzen. Ich kann die Welt
nicht verändern, aber ich kann vielleicht dazu beitragen, dass ich jemandem
helfe mit dem, was ich mache. In der Schweiz gibt es ganz wenige junge
Sportlerinnen und Sportler, die das öffentlich zeigen, und viel zu viele,
die es verstecken. Ich will einfach zeigen: Hey, es ist richtig, wie du
bist. Du darfst lieben, wen du willst. Und es war mir auch ein Anliegen,
dass ich mich als Person der Öffentlichkeit nicht immer verstecken muss.
Sie haben nach Ihrer Turnkarriere entdeckt, dass Sie Männer lieben. War
Homosexualität zuvor ein Thema?
Niemals, nein. Ich habe es wirklich nicht gewusst. Es ging für mich damals
nur ums Turnen. Ich habe mich einfach immer irgendwie schon komisch gefühlt
und ich habe nie herausgefunden, warum.
Gab es Reaktionen aus der Turnszene?
Zwei, drei Leute, aber eigentlich kaum. Und dann hieß es, das hätten sie ja
schon lange gewusst. Das hat mich am Anfang auch gekränkt, und da habe ich
ihnen geantwortet: Ja? Ich nicht! Das ist auch eine Art von Homophobie.
Jeder Mensch hat seine Zeit, sich zu entdecken, und ich war zu dem
Zeitpunkt so, wie ich war.
Es gab in den vergangenen Jahrzehnten kaum eine Hand voll Beispiele von
offen homosexuellen Turnern. Gleichzeitig gibt es fast immer Sprüche, wenn
ein Turner durch Eleganz oder gute gymnastische Elemente auffällt. Sie
selbst waren ebenfalls ein sehr eleganter Turner.
Ich habe das auch erfahren, diese Sprüche, aber ich habe mir nichts dabei
gedacht. Ich habe das erst reflektiert, als ich gemerkt habe, dass ich auf
Männer stehe. Da habe ich begriffen, dass sie das immer als Schimpfwort
benutzt haben. Ich weiß, dass es ihnen gar nicht bewusst war, dass das
homophob ist.
Ist es nicht paradox, dass für das schönere Turnen abwertende Sprüche
kommen? Das war schon bei Ioannis Melissanidis so, der dann 1996
Olympiasieger am Boden wurde.
Was soll ich dazu sagen? Ich finde das einfach nur schlimm und traurig. Das
ist genau das, was nicht sein soll. Ich meine: Ist doch schön, wenn ein
Turner durch Eleganz oder seine Ästhetik dann in den Turnübungen
heraussticht. Und es hat nichts mit schwul zu tun. Dann wäre ja jeder
Tänzer schwul.
Warum herrscht im Turnen ein so ein starres altes Bild von Männlichkeit
vor?
Ich kann nur sagen, dass der Turnsport eine der härtesten Sportarten ist
auf der Welt. Da gibt es nicht so viel Spielraum für anderes, und das
beinhaltet auch den Gedanken an eine andere Liebesform als Mann und Frau.
Und ich glaube, das Denken wird auch durch frühere Generationen beherrscht,
die das so vorgelebt haben. Und diese Menschen sind auch Vorbilder.
Auf die Frage nach Homosexualität im Turnen heißt es gern: Das ist mir
völlig egal, und deshalb muss man auch gar nicht darüber reden. Was sagen
Sie zu dieser Position?
Das ist einfach genau das, was nichts bringt, oder? Ich glaube, die Leute
haben Respekt vor diesem Thema, weil es ein Tabu ist, weil es nicht
angesprochen wird, weil es nur versteckt passiert, wenn es passiert. Das
sind Menschen, die es eigentlich nicht akzeptieren.
Die Turnwelt hat Sie als Vize-Europameister von Moskau am Barren in
Erinnerung. An diesem Dienstag werden Sie in Stuttgart auf der
Bodenturnfläche den WM-Song singen. Ist das für Sie eine besondere
Situation?
Ich habe schon auch Respekt davor, aber ich weiß, wer ich bin. Ich steh da
auf der Bodenfläche, ich bin ein schwuler Mann, ich steh dazu und möchte
nach außen tragen, dass das völlig normal ist. Und damit möchte ich, auch
wenn es in der heutigen Zeit fast ein bisschen blöd klingt, auch neue
Zeichen setzen im Sport.
7 Oct 2019
## AUTOREN
Sandra Schmidt
## TAGS
Homophobie
Turnen
Coming-Out
Lesestück Interview
Schweiz
Turnen
Boxen
Schwerpunkt Rassismus
Homosexualität im Profisport
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