# taz.de -- Fußballprofis gegen Homophobie: Kleine Schönheitsfehler | |
> Über 800 Fußballprofis unterstützen eine Kampagne eines Fußballmagazins | |
> gegen Homophobie. Toll. Es wird Zeit, dass sie selbst Initiative | |
> ergreifen. | |
Bild: Bislang Ausnahme: Thomas Hitzlsperger hatte nach seiner aktiven Karriere … | |
Der Fußball ist doch noch zu Gutem fähig. Das ist die Nachricht der Woche. | |
Reichlich Ansehen hatte man zuletzt verspielt. Erst wurde mit Beginn der | |
Pandemie Demut vorgeheuchelt, um dann in privilegierter Lage alle | |
Freiheiten auszuschöpfen und den Ausbau der Begünstigungen weiter | |
voranzutreiben. | |
Der FC Bayern ist dabei mal wieder Spitzenreiter. Stichwort exklusive | |
Nachtflugrechte und Impfvorzugsrechte. So dunkel ist es schon lange nicht | |
mehr um den Fußball bestellt gewesen. Und dann die Aufhellung. [1][Diese | |
Woche haben mehr als 800 deutsche Fußballer und Fußballerinnen | |
homosexuellen Spielern im Falle eines Coming Out zugesichert]: „Ihr könnt | |
auf uns zählen.“ Eine Solidaritätserklärung, die Unterstützung im Falle v… | |
Anfeindungen verspricht. Eine tolle Idee. | |
Getragen ist sie von der Überzeugung, dass die Ängste vor einem solchen | |
Schritt nicht mehr zeitgemäß sind. Dass die Zeit für die ersten Coming-Outs | |
von Fußballprofis gekommen ist. Dass die Einstellungen unter den | |
Fußballfans, Vereinen und Profis sich in großer Zahl gewandelt haben. Mit | |
der Kampagne wird dieser Eindruck mit über 800 Gesichtern verbunden. Das, | |
was vielleicht bislang schwammig wahrgenommen wurde, nimmt Gestalt an. | |
Ein paar Schönheitsfehler dieser Aktion dürfen aber nicht unerwähnt | |
bleiben, weil sie ein Stück weit auch den Stillstand in dieser | |
Angelegenheit erklären. Schöner wäre es nämlich gewesen, wenn der Beifall | |
und die Anerkennung für diese Kampagne allein den Fußballern als deren | |
Urheber gegolten hätte. In diesem Fall aber gingen die Dankesbekundungen | |
[2][(unter anderem auch vom DFB]) vor allem an das Fußballmagazin 11 | |
Freunde. Journalisten hatten nämlich die Erklärung verfasst, der sich dann | |
so zahlreiche Profis angeschlossen haben. | |
## Weniger starke Kollektivbekenntnisse | |
Stark wirken in der Unterschriftenliste des Aufrufs vor allem die | |
individuellen Unterschriften, wenn etwa Bakery Jatta oder Max Kruse mit | |
ihrem Namen Unterstützung zusagen. Weniger stark wirken | |
Kollektivbekenntnisse, wenn etwa Borussia Dortmunds Geschäftsführer | |
Hans-Joachim Watzke paternalistisch im Namen von 850 Mitarbeitern | |
unterzeichnet. Vermutlich eine Empfehlung der Unternehmensabteilung | |
Corporate Social Responsibility. Das hat in etwa die Überzeugungskraft | |
[3][der Respect-Kampagnen, mit der die Uefa ihr Image poliert.] | |
Wichtig ist noch ein anderer Aspekt. Manche Klubs haben eine Beteiligung an | |
der Kampagne abgelehnt, wie die 11 Freunde berichten, weil sie keinen | |
Gruppendruck erzeugen wollten. Das ist zwar ein seltsames Verständnis von | |
Freiheit. Man bevormundet die Spieler, die man nicht mitmachen lässt, mit | |
der Begründung, sie könnten sich zu etwas gezwungen fühlen. Gegen gefühlten | |
Zwang kann man sich auch individuell wehren. Andererseits weiß man | |
tatsächlich erst in der Praxis, was jede einzelne Unterschrift wert ist, | |
wer lediglich unterzeichnet hat, weil er sich daran orientiert hat, was aus | |
seiner Sicht sozial erwünscht ist. | |
Wenn sich solidarische Fußballprofis emanzipieren, sich nicht mehr bloß in | |
Kampagnen einspannen lassen, sondern auch im Kampf gegen Homophobie die | |
Zügel selbst in die Hand nehmen, dann dürften die Ängste von schwulen | |
Fußballern vor einem Coming Out weit mehr schwinden. Es geht dabei in | |
erster Linie um einen weiteren kulturellen Wandel im Alltag. Um den Abbau | |
von homophoben Männlichkeitsvorstellungen, die unter Fußballern immer noch | |
recht verbreitet sind. Der Rest kommt dann von allein. | |
19 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://11freunde.de/artikel/ihrk%C3%B6nntaufunsz%C3%A4hlen/3331896 | |
[2] https://twitter.com/DFB/status/1362041165181247494 | |
[3] /Rassismus-im-Fussball/!5633935 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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