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# taz.de -- Filmfest Bremen: Im Wettbewerb
> Giftmord, Italo-Pop und Asylpolitik: Die taz stellt drei für den „Bremer
> Preis“ nominierte Filme mit mehr oder weniger deutlichem Lokalbezug vor.
Bild: Arg kulissenhaft inszeniert: Elisa Thiemann als Juristin Cato Böhmer im …
Bremen taz | Bremer*innen wussten es besser – zumindest wenn sie sich mit
der Lokalgeschichte beschäftigen, gerade auch in ihren dunkleren
Schattierungen: Als „the first female serial killer in history“ wurde in
den 1990er- und folgenden Jahren Aileen Wuornos bezeichnet, eine
US-Amerikanerin, die insgesamt sieben Männer umgebracht haben soll;
Charlize Theron brachte die Rolle in „Monster“ dann 2003 einen Oscar ein.
Sieben? Mehr als ein Dutzend Menschen hat in Bremen eine gewisse Gesche
Gottfried ins Jenseits befördert, und das schon zwischen 1813 und 1827 –
mit Mäusegift. Die 1831 hingerichtete Gottfried hat immer wieder Interesse
auf sich gezogen, auch Filme entstanden, am bekanntesten dürfte Rainer
Werner Fassbinders TV-Adaption seines eigenen Theaterstücks „Bremer
Freiheit“ sein, ausgestrahlt 1972.
Nun hat sich der Regie-Debütant Udo Flohr der Geschichte angenommen:
„Effigie – Das Gift und die Stadt“ läuft beim heute beginnenden Bremer
Filmfest im Wettbewerb um den „Bremer Preis“. Zwar zeichnen die
Produktionsnotizen die Giftmörderin beinahe als einen weiblichen Hannibal
Lecter aus „Das Schweigen der Lämmer“, aber der Spielfilm ist nicht
reißerisch.
Flohr und seinem Drehbuchautor Peer Meter scheint der historische Kontext
der Geschichte wichtig: Sie erzählen von der Gründung Bremerhavens durch
Bürgermeister Johann Smidt und den damals gewagt erscheinenden Plänen des
Bremer Senats, eine Eisenbahnlinie zwischen beiden Städten zu bauen.
Vor allem aber ist die Hauptfigur in dieser Beschäftigung die angehende
Juristin Cato Böhmer (Elisa Thiemann), die im Bremer Rathaus Arbeit als
Schreiberin findet – im frühen 19. Jahrhundert ein großer emanzipatorischer
Schritt. So erzählt der Film von zwei außergewöhnlichen Frauen. Wo wir es
aber schon mit „Das Schweigen der Lämmer“ hatten: Wenn sie Gottfried (Suzan
Anbeh) verhört, erinnert Böhmer an die junge, damals von Jodie Foster
gespielte FBI-Agentin.
Gedreht worden ist „Effigie“ vor allem in Mecklenburg, es gibt aber auch
Einstellungen aus einem vergangenen Bremen; historisch korrekt hat etwa der
Dom dann nur einen Turm. Ansonsten macht Flohr den Fehler, dass in seinem
Film alles blitzeblank und nagelneu aussieht – und daher mehr nach Kulisse
wirkt als nach glaubwürdigen historischen Orten.
## Ein Italo-Pop-Duo auf Tournee im Mutterland
„Bremer Preis“, „Innovationspreis“ und „Humor/Satire“: Gleich dreim…
nominiert ist Johanna Behre mit „San Remo“ – und das bei eher geringem
Lokalbezug: Mit Lea Willkowsky („Dark“) ist immerhin eine der
Hauptdarstellerinnen in Bremen geboren, und 2018 erhielt das Projekt die
berühmt-berüchtigte „Microförderung“ des Bremer Filmbüros, also höchst…
eine niedrige vierstellige Summe.
Der Film handelt von Ossi Viola und Lo Selbo, zwei real existierenden
Berliner*innen, die bürgerlich wohl anders heißen, unter dem Bandnamen
„Itaca“ nicht nur erklärt italienische Pop-Musik machen, sondern damit auch
in Italien auf Tournee gehen: Der Traum der beiden ist, einmal beim
Schlagerfestival von San Remo aufzutreten – tatsächlich singen sie nur in
kleinen Kneipen und werden einmal auch noch um 100 Euro Gage betrogen.
Das Konzerttour-Roadmovie ist ja schon beinahe ein eigenes Subgenre
geworden, „San Remo“ nun entstand ohne festes Drehbuch. Die
Darsteller*innen – neben Itaca spielt noch eine chaotische Eventmanagerin
eine tragende Rolle – reagierten spontan auf verschiedene Orte und
Situationen, und ihre Songs, die im Laufe des Films immer besser werden,
wirken so überzeugend, dass man den beiden abnimmt, sie folgten einer
künstlerischen Vision, nicht schnöde sicherem Geld.
Die Kamera hockt mit den drei Traumtänzer*innen im Auto, zeigt, wie sie am
Küchentisch philosophieren, wie Auftritte mal scheitern und mal zu kleinen
Triumphen werden, wie ihr Auto bei einem realen Unwetter beinahe in den
Fluten absäuft, wie sie sich verlieren und wiederfinden. Das ist komisch,
bewegend, vor allem aber mit einem guten Gespür für die Atmosphäre und viel
Vertrauen in die DarstellerInnen inszeniert. „San Remo“ hat das Zeug zum
großen Filmfest-Sieger.
## Nah dran an deutscher Abschiebepolitik
Für den „Bremer Preis“ nominiert ist auch die Dokumentation „Möglichst
Freiwillig“ von Allegra Schneider: Die Fotojournalistin erzählt von dem
jungen Rom Zijush, der in Bremerhaven lebt und zur Schule geht – bis er, 13
Jahre alt, mit seiner Familie abgeschoben wird ins mazedonische Skopje.
Seine Schulfreunde halten den Kontakt, erst per Handy, später sehen wir
auch Zijushs ehemalige Klassenlehrerin und seinen besten Freund, wie sie in
den Ferien nach Mazedonien reisen, um sich dort ein Bild davon zu machen,
wie Zijush und seine Familie nun leben: Als Roma werden sie massiv
diskriminiert, bekommen keine Arbeit, hausen in einem Elendsviertel.
Schneider bleibt mit der Kamera nah an den Menschen. Sie zeigt, wie
verheerend es für Zijush und seine Familie ist, Deutschland verlassen zu
müssen, und wie alltäglich die Diskriminierung der Roma in Mazedonien ist.
Indem sie dieses eine Schicksal so intensiv, komplex und einfühlsam
vorstellt, erzählt sie exemplarisch von der gnadenlosen Realität der
deutschen (Flüchtlings-)Politik.
19 Sep 2019
## AUTOREN
Wilfried Hippen
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