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# taz.de -- 1. Filmfest Bremen startet: Gruß aus der Bremer Schweiz
> Nordfilm Das 1. Filmfest Bremen will gar nicht mit den großen Festivals
> der Region konkurrieren. Reizvoll ist aber die Bündelung zu einem
> 24-stündigen Filmmarathon
Bild: Galt damals als obercool: Beatclub-Moderatorin Uschi Nerke
In Bremen wurden mal avantgardistische Fernsehsendungen produziert. Das ist
allerdings 50 Jahre her: Man kann sich heute kaum noch vorstellen, wie
provokant der „Beat-Club“ in der kleinbürgerlichen Medienlandschaft der
1960er-Jahre wirkte. Diese Zeiten des Aufbruchs beschwören Michael Meert
und Carl-Ludwig Rettinger in „Generation Beat-Club“, und so ist es stimmig,
dass ihre von Radio Bremen produzierte Dokumentation das 1. Filmfest Bremen
eröffnet.
Dieser Film ist nicht, wie vielleicht zu erwarten, ein Zusammenschnitt von
Auftritten der bekanntesten Bands, die damals nach Bremen reisten und vom
Regisseur Mike Leckebusch mit immer verspielteren Kameratricks aufgenommen
wurden.
Sicher, man sieht auch einige der inzwischen legendären Schwarzweißbilder
von „The Who“, Jimi Hendrix oder „Steppenwolf“ und natürlich auch die
Moderatorin Uschi Nerke in diversen Miniröcken und bei ihren damals als
cool geltenden Ansagen. Doch gut die Hälfte des Films besteht aus
Interviews, die mit jenen geführt wurden, die den Beat-Club damals zu solch
einem Erfolg werden ließen. Heute sind sie um die 60 und berichten, wie
prägend diese Erfahrungen waren.
Da wird vom Ärger mit den Eltern und der Länge der Haare geredet. Aber es
kommt zum Beispiel auch eine Bremerin zu Wort, die damals nach London fuhr
und von der dortigen Mode derart inspiriert wurde, dass sie in Bremen eine
Schneiderei samt Boutique eröffnete – die es heute noch gibt.
Wolfgang Niedecken von BAP wiederum erzählt, wie er durch den Beat-Club zum
Fan und dann zum Musiker wurde. Der Ex-Geschäftsführer der deutschen
Fernsehakademie, Alfred Holighaus, erinnert sich daran, wie stark der
Beatclub die jungen Leute damals beeinflusste.
Natürlich ist das Ganze ein Geschenk von Radio Bremen an sich selbst zum
50. Geburtstag des Beat-Clubs, auf dessen Jubiläumskonzert auch Niedecken
auftreten wird. Aber die Sendereihe hatte damals wirklich eine befreiende
Wirkung. Das bringen die Filmemacher gut auf den Punkt.
Dass nun solch eine kleine Fernsehproduktion, die im September auch im
ARD-Fernsehen ausgestrahlt wird, als Eröffnungsfilm und „Weltpremiere“ auf
dem Filmfest präsentiert wird, sagt einiges über die Ansprüche der
Organisatoren aus. Die Bremer Filmproduzenten Mike Beilfuß und Matthias
Greving wollen zusammen mit der Kuratorin Ilona Rieke nicht mit den
etablierten Filmfesten der Region konkurrieren. Geplant war vielmehr von
Anfang an eine kleine Veranstaltung mit Filmen, die mit Bremen zu tun haben
– sei es, dass sie dort gedreht, produziert oder von Bremern gemacht
wurden.
Und da laut Beilfuß „alle zwei Jahre mal“ ein Spielfilm in Bremen entsteht,
war auch klar, dass das Angebot an aktuellen Produktionen übersichtlich
sein würde. Interessant wird das Konzept trotzdem – durch die Bündelung:
Ein durchgängiges 24-Stunden-Programm macht neugierig, auch wenn der Saal
nachts um vier eher leer sein dürfte. Schon ab zwei Uhr läuft aber eine
„Lange Nacht der Künste“ mit Filmen der MeisterschülerInnen der Bremer
Hochschule für Künste, und da werden wohl zumindest die MacherInnen samt
FreundInnen im Kino sitzen.
Zur „Primetime“ am Freitag um 20.30 Uhr wird mit „Summertime Blues“ von
Marie Reich ein Spielfilm gezeigt, der vor sechs Jahren in Bremen gedreht
und damals mit eher mäßigem Erfolg bundesweit gezeigt wurde. Interessant an
der Romanze über zwei Scheidungskinder, die zwischen ihren Eltern hin- und
hergerissen werden und in den Sommerferien im britischen Kent landen ist,
dass die meisten in Großbritannien spielenden Sequenzen in der „Bremer
Schweiz“ gedreht wurden. Das Filmteam musste also nur für wenige
Außenaufnahmen nach Großbritannien reisen. Da sieht man dann schon genauer
hin und hofft, ein deutsches Straßenschild oder ein anders verräterisches
Detail zu finden. Aber zumindest die Ausstatter haben sehr gut gearbeitet.
Als einzige neue Produktion von Bremer FilmemacherInnen wird am Freitag um
22.30 Uhr die 67 Minuten lange Musikdokumentation „Shape, Rattle & Roll“
von Gunnar Heite und Daniela Witt aufgeführt. Darin geht es um die
Chorbewegung „Sacred Heart“, bei der religiöse Lieder laut, roh und
leidenschaftlich gesungen werden.
Zur Geisterstunde läuft dann der Spukfilm „Dead Past – Rache aus dem
Jenseits“, den der Bremer Filmemacher Daniel Flügger 2010 als einen
„durchaus ambitionierten Geisterhaushorrorfilm“ (so die Kritik bei
Video.de) drehte, und der in dem nun präsentierten Director‘s Cut mit 45
Minuten deutlich kürzer als die 77 Minuten des Originals ist. Als
Abschlussfilm läuft die Radio Bremen Produktion „Am Tag, als Bobby Ewing
starb“ von Lars Jessen.
Interessanter ist ab 16 Uhr die Präsentation von Kurzfilmen, die in dem
48-Stunden-Wettbewerb „Klappe“ für das Filmfest produziert wurden. Dafür
gibt es schon so viele Voranmeldungen, das Mike Beilfuß fürchtet, gar nicht
alle Beiträge in der dafür geplanten Stunde zeigen zu können. In zwei Tagen
müssen die TeilnehmerInnen zu einem Thema, das am Donnerstag bekanntgegeben
wird, ihren Film gedreht, geschnitten und verschickt haben. Preise vergeben
sowohl eine dreiköpfige Fachjury als auch das Publikum per Online-Voting.
www.filmfestbremen.com
3 Sep 2015
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Filmfest Bremen
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Biennale Venedig
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