# taz.de -- Tourismus in Italien: Die Grand Tour der Massen | |
> Reisen nach Italien waren schon in der Antike in. Heute wird die „Grand | |
> Tour“ von Kreuzfahrtschiffen angeboten. Wie hat sich das Reisen | |
> verändert? | |
Bild: Dieses Werk hängt über einer Sitzbank im toskanischen Montalcino | |
Die Italiensehnsucht der Deutschen ist sprichwörtlich und hat eine lange | |
Tradition. Die Schwärmerei begann längst vor den Adria-Urlaubern des | |
[1][Wirtschaftsbooms und der Toskana-Fraktion], die es gern mit Rotwein und | |
linken Liedern hielt. Die Idylle des milden Klimas und der lieblichen | |
Hügel, wo hier und da eine altertümliche Säule dekorativ herumliegt, hatte | |
sich schon in Goethes Epoche in den deutschen Köpfen festgesetzt. | |
Die klassische Antike war groß in Mode und viele Adelige brachen auf zur | |
Grand Tour nach Italien. Diese dauerte ein paar Monate oder auch Jahre. Die | |
große Tour zu Stätten der Kunst und Kultur, vor allem in Italien, waren ein | |
Muss für betuchte Europäer und das erste Phänomen einer allgemeinen | |
Reisekultur, aus der im 19. Jahrhundert schließlich auch das Wort Tourismus | |
entstand. | |
Vieles hat sich seitdem geändert, anderes hingegen nicht. Schon zu Zeiten | |
der Grand Tour klafften Erwartung und Wirklichkeit oft auseinander. In Rom | |
trafen romantische Seelen auf antike Ruinen, die als Abtritt dienten, | |
schlammige Straßen und dreckige Laken in den Herbergen – so ein | |
Reisebericht, zitiert in einem der Beiträge des Sammelbands „Dreckige | |
Laken“, herausgegeben von Joseph Imorde und Erik Wegerhoff. Wer nicht über | |
die Ironie eines Heinrich Heine verfügte, der sich mit Karikaturen seiner | |
Mitreisenden und Urlaubsflirts vergnügte, bekam da schnell schlechte Laune. | |
Als Störfaktor galten neben den lärmenden Stadtbewohnern auch die | |
Reiseführer, wegen ihrer Redseligkeit Ciceroni genannt, die ihre Kunden für | |
teures Geld auf ausgetretene Pfade lotsten. Kurzum, für viele war die Grand | |
Tour ein Reinfall. Nach der Rückkehr nährte man Vorurteile gegenüber den | |
Italienern, aber nur wenige Reiseberichte trauten sich, die Idylle der | |
antiken Sehnsuchtsorte zu entzaubern. Authentische Beobachtungen von Land | |
und Leuten blieben dabei auf der Strecke. | |
[2][Der Touristenstrom nach Italien] ist seitdem nie versiegt. Heute wird | |
die Grand Tour von Kreuzfahrtschiffen angeboten. Und die landen mit | |
Sicherheit in Venedig. Wer den Blick von einem dieser Wolkenkratzer der | |
Meere auf die Lagunenstadt wirft, dem müsse sie wohl klein und verfallen | |
erscheinen, so der Kunsthistoriker Salvatore Sottis in seiner Streitschrift | |
„Wenn Venedig stirbt“. Das ist seiner Meinung nach eine neue Perspektive | |
des Reisens, die alles verändert. Wer für ein paar Stunden die Lagune | |
besucht, möchte schnelles Essen und schnelle Eindrücke konsumieren. Die | |
Eigenartigkeit der Stadt, ihre einzigartige Architektur, Lage und | |
Geschichte spielen dabei kaum noch eine Rolle. | |
Der [3][Massentourismus hat Venedig im Griff]. Auf jede Person, die hier | |
lebt, kommen jährlich 600 Besucher. Wie kann die Zukunft einer solchen | |
Stadt aussehen? Das fragen sich die Venezianer, aber auch die Bewohner | |
anderer Städte, die von Riesenschiffen und Trolleys überrollt werden. Die | |
Grand Tour der digitalisierten Massen ist heute überall. | |
3 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Michaela Namuth | |
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