# taz.de -- Geschäftsführerin über Gleichstellung: „Es ist noch viel zu tu… | |
> Im Kieler Imagefilm zur Einheitsfeier 2019 kommen Frauen kaum vor. Birgit | |
> Pfennig von der LAG der Frauenbeauftragen über Gleichstellung im Norden. | |
Bild: In Kiel gibt's nur Kerle – diesen Eindruck kann bekommen, wer den Image… | |
taz: Frau Pfennig, Schleswig-Holstein lädt mit einem Video zur Feier am Tag | |
der Deutschen Einheit ein, in dem Frauen vorwiegend als schmückendes | |
Beiwerk zu sehen sind. Was sagt uns das über das Land? | |
Birgit Pfennig: Das sagt erst mal nichts über das Land, sondern darüber, | |
wie in der Staatskanzlei gedacht und gearbeitet wird. Nichts gegen die | |
konkreten Personen, die sicher ohne böse Absicht diesen Film erstellt | |
haben. Aber es ist ein Symptom der patriarchalischen Strukturen, in denen | |
wir leben, und ein Zeichen, wie sehr wir daran gewöhnt sind. 80 Prozent | |
aller Menschen finden den Film vermutlich ganz normal – dass die | |
Ungleichheit immerhin einigen auffällt, ist ein Fortschritt. | |
Heute ist die Staatskanzlei CDU-geführt, aber schon in einem Imagefilm von | |
2014, also unter SPD-Regierung, waren Frauen in der Minderheit. Ist | |
Schleswig-Holstein einfach konservativ? | |
Wie gesagt, ich will nicht Schleswig-Holstein insgesamt diskreditieren und | |
auch nicht die Beschäftigten der Staatskanzlei. Aber grade auf dieser hohen | |
Ebene wäre es gut, wenn die Fachkräfte darauf geschult sind, den Blick auf | |
Frauen zu lenken. Was die Lage auf dem Lande angeht: Ja, Schleswig-Holstein | |
hat ländliche und konservative Strukturen. Wobei ich den heutigen | |
Ministerpräsidenten Daniel Günther als modern und offen gegenüber dem Thema | |
Gleichstellung erlebe. Er spricht sich für eine Frauenquote aus. | |
Was ungewöhnlich für einen CDU-Politiker ist. | |
Insgesamt sehen wir aber, dass im Landtag gerade ein Drittel Frauen sitzen, | |
es gibt landesweit nur eine Landrätin, der Anteil der Bürgermeisterinnen | |
in größeren Städten ist minimal. Und in 251 der 1.079 Gemeinden im Land | |
sitzen gar keine oder nur eine Frau im Gemeinderat. Das zeigt, dass auch | |
nach Jahren der Gleichstellung noch viel zu tun ist. | |
Wie ließen sich denn mehr Frauen bewegen, in die Kommunalpolitik zu gehen? | |
Das Problem ist, dass die Parlamente männlich dominiert und strukturiert | |
sind. Es ist nicht attraktiv für junge Frauen, dort ihre Freizeit zu | |
verbringen. Das fängt mit den Uhrzeiten der Sitzungen an. Frauen finden | |
sich im Ehrenamt oft im sozialen Bereich. Es wäre wichtig, Frauen zu | |
schulen und Strukturen zu ändern, ohne dass das von Rechtspopulisten | |
bekämpft und lächerlich gemacht wird. | |
In Schleswig-Holstein gibt es flächendeckend Gleichstellungsbeauftragte. In | |
den Kommunen sollen sie seit 2017 in Vollzeit beschäftigt sein. Das ist | |
doch eigentlich positiv, oder? | |
Ja, die Vorgabe gibt es, aber die Umsetzung läuft leider sehr zäh. Rund 60 | |
Prozent aller Kommunen nutzen die Möglichkeit, über eine Ausnahmeregel die | |
Vollbeschäftigung zu umgehen. Wenn mehr als die Hälfte das tut, ist der | |
Sinn des Gesetzes nicht erfüllt. Immerhin: In den Orten, in denen die | |
Beauftragten früher nur wenige Stunden arbeiteten, wird nachgebessert. Aber | |
die Gleichstellungsbeauftragten müssen immer wieder um ihre Anerkennung | |
kämpfen. | |
Das passiert aktuell auch im Kieler Landtag, wo über einen Antrag der AfD | |
zur Abschaffung der Gleichstellungsbeauftragten beraten wird. Geraten | |
bereits erkämpfte Standards jetzt wieder ins Wanken? | |
Nein, noch nicht. Für mich hat sich in der Landtagsdebatte gezeigt, dass | |
die Vorstöße eher die anderen Parteien einen. Auch die CDU und die FPD | |
bekennen sich jetzt klar zur Gleichstellung, weil sie sich von der | |
rückwärtsgewandten Position der AfD abgrenzen wollen. Was passiert, wenn | |
sich Mehrheitsverhältnisse fundamental ändern, steht auf einem anderen | |
Blatt. | |
Aber heute hat die AfD Ihnen einen Gefallen getan, indem die Politik sich | |
wieder einmal mit der Gleichstellung befassen musste? | |
Genau, da könnten wir uns glatt bedanken. Der Antrag hat den | |
Gleichstellungsbeauftragten eine Bühne geboten, um deutlich zu machen, wie | |
wichtig diese Arbeit weiterhin ist. Für den nächsten Landtag wünschen wir | |
uns ein noch stärkeres Zeichen, nämlich eine Dachstrategie zur | |
Gleichstellung unter Federführung der Staatskanzlei. Das Thema muss von | |
oben gesteuert werden, nur so kommt es schließlich in den Köpfen an. | |
5 Sep 2019 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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