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# taz.de -- Fehlerhafte Funkzellenabfrage: Das Handy als Täter
> Wegen eines technischen Fehlers in der Abfrage von Funkzellen müssen in
> Dänemark Gerichtsurteile überprüft werden. Und zwar mehr als 10.000.
Bild: Big brother's watching you – dank Funkzellenabfrage
Ohne Handy aus dem Haus? Für viele stellt sich diese Frage überhaupt nicht
mehr. Das mobile Endgerät halten wir stets fest an unserer Seite. Unser
Leben wird bestimmt von Algorithmen, künstlicher Intelligenz und diesen
Cookies, zu denen wir immer wieder bereitwillig ja sagen.
Das meiste davon passiert, ohne das wir es bewusst mitbekommen. Wer glaubt,
die Digitalisierung sei die Zukunft, der lebt in der Vergangenheit, denn
sie ist unsere Gegenwart – und bringt dabei ja auch so viel Schönes mit
sich: die Liebsten stets in der Hosentasche dabei haben, googeln statt
grübeln, die große Welt im Überblick auf einem kleinen Bildschirm und nie
wieder Langeweile dank Netflix und Co (auch wenn ich die Langweile manchmal
schmerzlich vermisse).
Auch die Justiz macht sich die Vorteile der digitalen Welt zu Nutze: Per
[1][Funkzellenabfrage] kann festgestellt werden, wer sich zur Tatzeit in
der Nähe des Tatorts befand und ob er somit als Verdächtiger in Frage
kommt.
Per Smartphone und ohne eigenes Zutun jetzt auch noch ganz easy die eigene
Unschuld beweisen? Einfach klasse diese Technik. Nahezu ohne dass die
Öffentlichkeit davon Notiz nimmt – oder auch nur nehmen kann – hat sich die
Funkzellenabfrage zu einer viel verwendeten Ermittlungsmethode entwickelt.
Unser Handy-Zombie-Dasein spielt den Ermittlern dabei natürlich in die
Hände.
## Technisches Malheur
Gruselig wird es, wenn durch einen technischen Fehler Unschuldige eines
Verbrechens verurteilt werden, das sie nicht begangen haben. Dies könnte in
Dänemark passiert sein. Und dabei handelt es sich keineswegs um einen
Ausrutscher im System. Seit März kamen [2][über 10.000 Gerichtsurteile]
zusammen, die möglicherweise auf falschen Daten beruhen und nun überprüft
werden müssen.
Dem Justiz-Minister Dänemarks, Nick Haekkerup, ist das – zurecht – ziemlich
unangenehm. Denn dieses technische „Malheur“ bringt eine verheerende
Konsequenz mit sich. [3][Haekkerup sagte]: „Es erschüttert das Vertrauen in
das Rechtssystem.“ Bis dieses Vertrauen wieder aufgebaut ist, wird es wohl
eine ganze Weile dauern.
In Deutschland wurden im Jahr 2017 bei [4][474 Funkzellenabfragen allein in
Berlin] fast 60 Millionen Daten erhoben und gespeichert. Offensichtlich hat
der Großteil dieser Menschen keine Straftat begangen und wusste nicht mal,
dass seine Daten überwacht und gespeichert wurden.
## Überwachung – aber transparent
Berlin entwickelte im November 2018 als erstes deutsches Bundesland ein
System, dass der Transparenz in Sachen Funkzellenabfrage dienen soll – zu
Gunsten der Überwachten. Wer sich in dem System mit seiner Mobilnummer
anmeldet, der bekommt per SMS Bescheid, wenn seine Daten abgerufen wurden –
wie transparent dieses sogenannte
[5][„Funkzellenabfragen-Transparent-System“] wirklich ist, darüber streiten
sich allerdings die Geister.
In Dänemark wird die Funkzellenabfrage für die Zeit der Überprüfung der
Urteile sowie des IT-Systems, mindestens aber für zwei Monate auf Eis
gelegt. Eine Abschaffung der Funkzellenabfrage wird dagegen nicht in
Betracht gezogen. Es wird also weiter gescrollt und getippt werden, während
an anderer Stelle abgerufen und überwacht wird. In diesem dänischen Krimi
wurde die Technik zum Täter. Vielleicht noch ein Grund mehr, das Smartphone
einfach mal zu Hause zu lassen.
24 Aug 2019
## LINKS
[1] /Kommentar-Funkzellenabfrage/!5219021
[2] https://www.nytimes.com/2019/08/20/world/europe/denmark-cellphone-data-cour…
[3] http://www.justitsministeriet.dk/nyt-og-presse/pressemeddelelser/2019/nye-a…
[4] https://netzpolitik.org/2018/transparenzsystem-ab-heute-kann-man-sich-ueber…
[5] https://netzpolitik.org/2018/transparenzsystem-ab-heute-kann-man-sich-ueber…
## AUTOREN
Charlotte Köhler
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
Netzpolitik
Dänemark
Smartphone
Justiz
Funkzellenabfrage
Polizei Berlin
Polizei Berlin
Mobilfunk
Edward Snowden
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