| # taz.de -- Einblick in Funkzellenabfragen: SMS vom Senat | |
| > Berlin hat als erstes Bundesland ein Transparenzsystem für | |
| > Funkzellenabfragen eingeführt. Registrierte werden per SMS informiert. | |
| Bild: Sie stehen in der Stadt haufenweise rum: Funktürme für Funkzellenabfrag… | |
| Berlin taz | „FTS“ – die Abkürzung steht für den Begriff | |
| Funkzellenabfrage-Transparenz-System. Mit diesem System will Berlin als | |
| erstes Bundesland per SMS darüber informieren, wenn Handynummern zu einem | |
| bestimmten Zeitpunkt bei einer Funkzellenabfrage von der Polizei erfasst | |
| wurden. Wer das wissen möchte, der*die muss sich dazu allerdings erstmal | |
| registrieren. Im Falle eines Falles erscheint dann „Für Sie liegt eine | |
| Information des FTS vor“ auf dem Display. | |
| Betroffene können also erfahren, ob Behörden ihre Telefonnummer während | |
| Ermittlungen bei Mobilfunkanbietern erfragt haben. „Im Kern geht es darum, | |
| dass der Staat den Bürgern auch mal Daten zurück gibt“, sagt Justizsenator | |
| Dirk Behrendt (Grüne) zum FTS-Start Mitte September. | |
| Im vergangenen Jahr haben die Berliner Behörden 592 zuvor gerichtlich | |
| angeordneten Funkzellenabfragen in insgesamt 559 Ermittlungsverfahren | |
| durchgeführt. Die Behörden nutzen das Mittel der Funkzellenabfragen in | |
| Berlin laut eigenen Angaben nur bei Ermittlungen zu schweren Straftaten. | |
| Dazu zählen unter anderem Nötigung, Körperverletzung und Mord. | |
| Kritik an den Funkzellenabfragen gab es bereits im Februar 2011 in Sachsen. | |
| Dort wurden im Rahmen einer Reihe von Protesten gegen Nazis massenhaft | |
| Handydaten abgefragt. Die sächsische Justiz hat die Funkzellenabfrage | |
| zunächst mehrmals als rechtens erklärt. Nach großer Kritik, etwa von | |
| Betroffenen, wurde die Aktion im Jahr 2013 als rechtswidrig eingestuft. | |
| „Wenn nun durch das FTS transparent wird, dass die Handydaten in Berlin nur | |
| bei schweren Straftaten erfasst werden, steigt auch die Akzeptanz für | |
| dieses Ermittlungsinstrument“, sagt Sebastian Brux, Sprecher der | |
| Senatsverwaltung. | |
| ## Es hat Jahre gedauert | |
| Bereits 2014 hat das Abgeordnetenhaus beschlossen, ein | |
| Benachrichtigungssystem für die Funkzellenabfrage einzuführen. Vier Jahre | |
| später, [1][im Jahr 2018], konnten sich dann Interessierte für das FTS | |
| anmelden. 18.000 Registrierungen zählte das System zu dem Zeitpunkt. Aber | |
| erst drei Jahre später werden nun die ersten SMS versendet. Rechtliche und | |
| technische Schwierigkeiten seien laut Sebastian Brux der Grund gewesen. | |
| „Die gesetzliche Grundlage zum Versand der Nachrichten wurde vom Parlament | |
| beispielsweise erst im Januar beschlossen“, sagt er. | |
| Eine Benachrichtigungs-SMS erhält nur, wer sich unter | |
| [2][https://fts.berlin.de] mit seiner Handynummer anmeldet. Zum FTS-Start | |
| waren im Vergleich zu den ursprünglichen 18.000 Telefonnummern gerade | |
| einmal 3.500 registriert und aktiv. Das liege daran, dass die Anmeldungen | |
| alle drei Monate verlängert werden müssen, heißt es aus der | |
| Justizverwaltung. Registrierte erhalten demnach vor der entsprechenden | |
| Frist zwei Erinnerungs-SMS. Verlängert man seine Registrierung nicht, | |
| verfällt sie. Drei Wochen nach Start des Projekts sind nun 14.086 Nummern | |
| registriert und aktiv. | |
| Um laufende Verfahren nicht zu gefährden, werden die SMS aber erst | |
| versendet, sobald die Ermittlungen abgeschlossen sind. „Da | |
| Ermittlungsverfahren meistens etwas länger dauern, kann eine SMS auch erst | |
| nach einem Jahr kommen“, sagt Brux. Außerdem müssen Betroffene zum | |
| Zeitpunkt der Funkzellenabfrage bereits registriert sein, um benachrichtigt | |
| zu werden. | |
| ## „Eigentlich geht das Gesetz von einer Benachrichtigung als Regel aus“ | |
| Wer eine SMS über die FTS bekommt, kann dann über einen ebenfalls per SMS | |
| verschickten Link die Vorgangsnummer des Verfahrens finden. Mit dieser | |
| Nummer könne man sich am Gericht nochmal genauer über das Verfahren | |
| informieren, bei dem die eigenen Daten erfasst wurden, erläutert Brux. | |
| Betroffene könnten am Amtsgericht Tiergarten außerdem die Rechtsmäßigkeit | |
| des Verfahrens überprüfen lassen. „Das wichtige ist, dass wir die | |
| Bürgerinnen und Bürger informieren, dass sie Opfer eines | |
| Grundrechtseingriffs wurden. Das haben sie ja vorher nicht mitbekommen“, | |
| sagt Brux außerdem, „diese Informationspflicht holen wir dadurch nach.“ | |
| Tom Jennissen vom gemeinnützigen Verein Digitale Gesellschaft e.V. für | |
| Grundrechte und Verbraucherschutz im digitalen Raum kritisiert das | |
| Benachrichtigungssystem. „Eigentlich geht das Gesetz von einer | |
| Benachrichtigung als Regel aus“, sagt Jennissen. Das FTS unterstelle, dass | |
| Betroffene kein Interesse an einer Benachrichtigung hätten, wenn sie sich | |
| nicht aktiv anmelden. Ein sogenanntes Opt-Out-System wäre laut Jennissen | |
| angemessener gewesen: Es sollte eine generelle Benachrichtigung ohne | |
| Registrierung als Voraussetzung vorgesehen geben, von der sich Betroffene | |
| bei Bedarf abmelden können. | |
| In der Justizverwaltung klopft man sich allerdings für das neue System auf | |
| die Schulter: Mehrere Bundesländer, darunter zum Beispiel Hamburg, hätten | |
| bereits ihr Interesse am FTS bekundet. „Die Lizenzen der landeseigen | |
| entwickelten Software kann das Land Berlin dann verkaufen und damit Geld | |
| verdienen“, sagt Brux. | |
| 6 Oct 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Funkzellenabfrage-in-Berlin/!5548956 | |
| [2] https://fts.berlin.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Sara Guglielmino | |
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