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# taz.de -- Hamburgs Verfassungsschützer maulfaul: Auskunft nur mit Schweigepf…
> Eine Hamburger Anwältin klagt, weil der Verfassungsschutz ihr nicht sagen
> will, welche Daten er über sie besitzt. Nun bekam sie ein absurdes
> Angebot.
Bild: In eigener Sache: Gar nicht so leicht, zu erfahren, was ein Geheimdienst …
Hamburg taz | Es ist nicht so, dass der [1][Hamburger Verfassungsschutz]
durchweg fernab der Öffentlichkeit agiert. Wenn er eigene Erfolge verkünden
oder über verfassungsfeindliche Akteure aufklären will, sucht er durchaus
den Weg an die Öffentlichkeit. Wenn seine Arbeit jedoch kritisch beleuchtet
zu werden droht, versucht der Inlandsgeheimdienst das schon im Vorfeld zu
verhindern. Daraufhin deutet zumindest ein Vergleichsangebot des Landesamts
an die Hamburger Rechtsanwältin Marleen Neuling hin. Neuling hat den
Verfassungsschutz verklagt: Sie wirft ihm vor, ihr einen Maulkorb verpassen
zu wollen.
2019 hatte Neuling das Amt um Auskunft gebeten, ob es Daten zu ihrer Person
gespeichert hat. Seinerzeit war sie noch Jurastudentin und in der
Hochschulgruppe „Kritische Jurastudierende“ (KJS) an der Uni Hamburg aktiv.
Im Zuge einer Veranstaltung der Plattform Datenschmutz, die sich kritisch
mit der [2][Datensammelwut von Behörden] auseinandersetzt, stellte Neuling
mittels eines standardisierten Bogens einen Antrag auf Auskunft beim
Landesamt.
## Auskunft geben zu gefährlich
Darauf haben Hamburger:innen nach [3][Paragraf 23 des Hamburgischen
Verfassungsschutzgesetzes] rechtlichen Anspruch. Doch der Verfassungsschutz
lehnte das Gesuch ab – Begründung: Durch eine solche Auskunft drohe „die
Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise“ des Landesamtes.
Das wollte Neuling nicht akzeptieren. Sie reichte Anfang 2020 eine Klage
beim Hamburgischen Verwaltungsgericht ein, wie die [4][taz berichtete].
Durch das Agieren des Landesamtes sieht sie ihr Recht auf informationelle
Selbstbestimmung verletzt. Mehrere Schriftsätze der beiden Parteien wurden
seither bei Gericht eingereicht, dann geschah lange Zeit nichts – bis
vergangene Woche das Vergleichsangebot des Verfassungsschutzes bei Neuling
eintraf. „Ich hielt das beim Lesen für einen Scherz“, sagt Neuling.
Im Schreiben, das der taz vorliegt, wird ihr die Auskunft über die
verlangten Daten zwar angeboten. Jedoch könne die „Auskunft einzelner
personenbezogener Daten“ weiterhin „verweigert werden“, heißt es in dem
Schreiben weiter. Neuling hält schon diesen Teil des Vergleichsangebots für
absurd: „Ich weiß also immer noch nicht, ob ich nach einem Vergleich die
Auskunft auch wirklich bekomme.“
Hinzu kommt ein weiterer Punkt: „Die Klägerin und die Beklagte verpflichten
sich, hinsichtlich des Verfahrens und der zu erteilenden Auskünfte
öffentlichkeitswirksame Verlautbarungen (z.B. im Wege von
Pressemitteilungen, Interviews oder öffentliche Postings in sozialen
Medien) zu unterlassen.“ Neuling hält dies für einen Skandal – der
Verfassungsschutz wolle ihr damit einen Maulkorb verpassen. Auf Nachfrage
der taz, wie das Amt auf diese Idee gekommen sei, wollte es sich nicht
äußern: Es handele sich um ein laufendes Verfahren.
## Angst vor schlechter Publicity
Hat der Verfassungsschutz einfach Angst vor schlechter Publicity? So
zumindest beruft er sich – in der Begründung seines Vorschlags – auf einen
„ähnlich gelagerten Fall“ einer Klägerin: Auch mit dieser habe es
seinerzeit nach einer Klage einen Vergleich gegeben, jedoch habe sie dann
„unter Verdrehung der Tatsachen“ öffentlich von dem Verfahren berichtet.
„Ein solches Verhalten“, schreibt der Verfassungsschutz, „ist dazu
geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rechtmäßigkeit des
Verwaltungshandelns zu untergraben“.
Auf welchen Fall er sich bezieht, schreibt der Verfassungsschutz zwar
nicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei um die Klage der
ehemaligen taz-Fotoreporterin Marily Stroux: Nach deren entsprechender
Klage von ihr erklärte sich der Verfassungsschutz 2020 bereit, sämtliche
erfassten Daten aus ihrer 32-jährigen Tätigkeit als Fotoreporterin und
Dokumentarin zu löschen, die zum größtem Teil auch dem Gericht verheimlicht
werden sollten. Dass Stroux anschließend, [5][auch in der taz], davon
berichtete, passte dem Landesamt erkennbar nicht.
Weil der Dienst befürchtet, dass auch Neuling den Weg an die Öffentlichkeit
sucht, hat sie die Auskunft über ihre Daten erst erhalten, will er das
unterbinden. So ein Verlauf sei schließlich wahrscheinlich, da die Anwältin
sich bereits in der Vergangenheit kritisch über den Verfassungsschutz
geäußert hat.
Neuling will jedoch von ihrer Klage nicht abrücken. „Ich schweige gerne,
sobald der Verfassungsschutz aufhört, [6][Akten über Nazistrukturen zu
schreddern] und Menschen einzuschüchtern, die ihr Auskunftsrecht wahrnehmen
wollen“, sagt sie. Damit ist das Vergleichsangebot hinfällig – es dürfte
also zur Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht kommen.
17 Jul 2022
## LINKS
[1] /Rechtsextreme-Gruppe-S/!5857847
[2] /Verfassungsschutz-muss-Daten-loeschen/!5705423
[3] https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-VerfSchGHAV10P23
[4] /Abgelehntes-Auskunftsbegehren/!5685175
[5] /Marily-Stroux-ueber-ihre-Beobachtung-durch-den-Verfassungsschutz/!5318746
[6] /Verschlusssache-NSU/!5809436
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Verfassungsschutz
Bürokratie
Hamburg
Geheimdienst
Transparenzgesetz
Polizei Berlin
Transparenz
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