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# taz.de -- OWD-Info über russische Proteste: Mediendienst für schlechte Zeit…
> Aus der russischen Menschenrechtsszene ist die kleine Medienorganisation
> OWD-Info nicht wegzudenken. Im Zuge der Proteste informiert und hilft
> sie.
Bild: Der Altersdurchschnitt des Teams von OWD Info liegt bei 27 Jahren
Moskau taz | „Mein Sohn ist verschwunden. Bitte helfen Sie!“ Es sind Sätze
wie diese, die die jungen Frauen und Männer hier, am nördlichen
Zentrumsrand von Moskau, an den zusammengeschobenen Tischen, eine
Kaffeetasse vor sich und eine Zigarette hinter sich, oft hören, wenn sich
in [1][ihrer Stadt – oder irgendwo in den russischen Weiten – Protest
regt.]
Protest gegen die lokale Verwaltung, die Regierung, den Kreml. Gegen die
„Macht“, wie die Russen sagen. Der „Sohn“ ist da nicht einfach
verschwunden, er ist meist von einmal mehr, einmal weniger rabiaten
Sicherheitskräften [2][in einen Transporter für Gefangene gezerrt worden,
am Rande einer Demonstration.] Weggebracht in einen der vielen
Polizeireviere, die im Russischen OWD heißen. Panik breitet sich aus, das
ohnmächtige Gefühl, das die Mitarbeiter von OWD-Info den anrufenden
Verwandten und auch den Festgenommenen selbst zu nehmen versuchen. Seit
mittlerweile bald acht Jahren.
Die kleine Beratungs- und Medienorganisation ist aus der russischen
Menschenrechtsszene nicht mehr wegzudenken, wenn es rund um Proteste und
politische Gefangene im Land geht. Sie liefert am zuverlässigsten die
Zahlen der Festgenommenen nach jeder Antiregierungsdemo, sie informiert
über die Menschen hinter diesen Zahlen. Vor allem aber hilft sie diesen
Menschen. Mit einem Rat, wie sie sich am besten im Gefangenentransporter
verhalten sollen, mit einem Anwalt im Gericht, mit der
Rund-um-die-Uhr-Begleitung, wenn es um Fälle politischer Gewalt in Russland
geht.
„Kleine Siege geben mir Kraft zum Weitermachen und sorgen für eine tiefe
Zufriedenheit bei unserer oft traurigen Arbeit“, sagt Grigori Durnowo, der
Koordinator der Monitoring-Gruppe bei OWD-Info. Mehr als 30 Mitarbeiter
sind hier in sechs Gruppen beschäftigt, zuweilen kommen an die 200
Ehrenamtliche hinzu. Finanziert wird die Organisation über Crowdfunding und
Fördermittel der EU. Durnowo und seine Leute kümmern sich um die Anrufer
und die Nachrichten, die Juristen bei OWD-Info beraten in Rechtsfragen, die
Mediengruppe ist für den Podcast zuständig und die Statistiken, stark ist
auch die IT-Abteilung.
## Ein Start-up mit zehn Ehrenamtlichen
Es waren der ITler Daniil Beilinson und der Journalist Grigori Ochotin, die
zusahen, wie ihre Freunde bei einer nicht genehmigten Demonstration im
Dezember 2011 in Gefangenentransportern verschwanden. Sie waren noch in der
Nacht von Polizeistation zu Polizeistation gefahren, hatten sie gesucht.
Fünf Tage später war OWD-Info geboren, als Start-up mit zehn
Ehrenamtlichen. Auch Grigori Durnowo fing an zu helfen. Bis Juli 2013
arbeitete er noch als Journalist für ein gesellschaftspolitisches Magazin,
hatte aber nach und nach „kaum mehr Lust, irgendwelche Aufträge zu
erfüllen“.
Ihn, den 1977 Geborenen, der mit liberalen Ideen aufgewachsen war, habe vor
allem auch die technische Seite des Onlineprojekts gepackt, sagt er im
OWD-Info-Büro. Er erzählt leise und nüchtern, lächelt, als er von der
„Verantwortung für das reale Leben fremder Leute mit fremden Problemen“
spricht. Diese Verantwortung halte wohl alle bei OWD-Info – der
Altersdurchschnitt der Mitarbeiter liege bei 27 Jahren – davon ab,
aufzugeben, trotz wenig Schlaf und der täglichen Geschichten, die
trübsinnig stimmten.
Das Protestpotenzial in Russland nimmt zu. Das besagen Umfragen
unabhängiger Umfrageinstitute, das sehen nun jeden Samstag auch die
OWD-Info-Leute. Tage, die Moskaus Oppositionelle bis zur Wahl [3][des
Moskauer Stadtparlaments am 8. September] zu Protestsamstagen erklärt
haben. „Wenn unsere Arbeit nichtig wird, geht es Russland gut“, sagt
Durnowo. Noch aber klingelt im OWD-Info-Büro immer wieder das
Hotline-Telefon. Drei Tage nach der vorangegangenen Protestaktion und vier
Tage vor der kommenden.
24 Aug 2019
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## AUTOREN
Inna Hartwich
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